Zuwendungen einer Schweizer Stiftung – und die Schenkungsteuer

Nach § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 ErbStG gilt als Schenkung unter Lebenden, was bei Aufhebung einer Stiftung oder bei Auflösung eines Vereins, dessen Zweck auf die Bindung von Vermögen gerichtet ist, erworben wird. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 ErbStG steht dem gleich der Erwerb bei Auflösung einer Vermögensmasse ausländischen Rechts, deren Zweck auf die Bindung von Vermögen gerichtet ist, sowie der Erwerb durch Zwischenberechtigte während des Bestehens der Vermögensmasse.

Zuwendungen einer Schweizer Stiftung – und die Schenkungsteuer

§ 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 ErbStG wurde durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24.03.19991 in das ErbStG eingefügt. Nach der Entstehungsgeschichte sollten mit dem unbestimmten Begriff der „Vermögensmasse ausländischen Rechts“ vor allem typische und in den anglo-amerikanischen Staaten gebräuchliche Formen des sog. common law trust erfasst werden2. Der Gesetzgeber hatte die Absicht, die bis dahin bestehende Rechtslage, wonach die bloße Errichtung sog. Testamentstrusts, die nicht auf alsbaldige Verteilung des Trustvermögens gerichtet waren, weder beim Trustverwalter noch beim Begünstigten zu einem steuerbaren Erwerb führten3, zu ändern. Nach der Gesetzesbegründung sollte der Vermögensübergang auf den Trust bei seiner Errichtung und auf die Anfallsberechtigten bei der späteren Auflösung als jeweils zusätzlicher Erwerbstatbestand in die §§ 3 und 7 ErbStG aufgenommen werden und künftig der Besteuerung unterliegen4.

Für den Fall eines Trusts nach amerikanischem Recht hat der BFH entschieden, dass der Begriff des Zwischenberechtigten i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 ErbStG alle Personen umfasst, die während dessen Bestehens Auszahlungen aus dem Trustvermögen erhalten5. Dies beruht auf dem Zweck der Vorschrift, Gesetzeslücken schließen und Vollzugsdefizite beseitigen zu wollen6.

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Es ist noch nicht entschieden, ob diese weite Auslegung des Begriffs des Zwischenberechtigten i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 ErbStG auch auf Stiftungen, die nach ausländischem Recht errichtet worden sind, und ihrer rechtlichen Struktur nach deutschen Stiftungen entsprechen, übertragen werden kann. § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 ErbStG und § 7 Abs. 1 Nr. 8 Satz 2 ErbStG verwenden ausdrücklich den Begriff der (ausländischen) Vermögensmasse, die im Gesetz von der jeweils in Satz 1 der Vorschriften benannten Stiftung unterschieden wird. Es ist unklar und daher ernstlich zweifelhaft, ob der Begriff der ausländischen Vermögensmasse auch eine Stiftung ausländischen Rechts umfasst. Insbesondere fehlt es insoweit an einer gesetzlichen Regelung, die -vergleichbar mit der Regelung des § 7 Abs. 1 Nr. 8 Satz 2 ErbStG- dem Erwerb durch Zwischenberechtigte während des Bestehens der Vermögensmasse einem entsprechenden Erwerb während des Bestehens einer Stiftung gleichsteht.

Wären ausländische Stiftungen unter den Begriff der ausländischen Vermögensmasse i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 ErbStG zu fassen, käme es zu einer Besteuerung satzungsgemäßer Zuwendungen an Zwischenberechtigte, während die satzungsgemäßen Zuwendungen einer inländischen Stiftung an ihre Berechtigten nach ganz überwiegender Auffassung nicht steuerbar sind, weil es insoweit an einer Freigebigkeit der Zuwendung fehlt7. Ungeachtet der vom Finanzgericht ausgeführten unionsrechtlichen Bedenken ist unklar und damit ernstlich zweifelhaft, ob eine solche weite Auslegung des Begriffs der ausländischen Vermögensmasse, der ausländische Stiftungen mit einem rechtlich verselbständigten Vermögen von Wortlaut, Systematik und Gesetzeszweck des § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 ErbStG gedeckt wäre.

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Zudem bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Schenkungsteuerbescheids aufgrund der Doppelbelastung desselben Rechtsvorgangs mit Einkommen- und Schenkungsteuer. Leistungen an die nach der Satzung Begünstigten unterliegen nach § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG als Einkünfte aus Kapitalvermögen der Einkommensteuer8, und zwar ab dem Veranlagungszeitraum 2011 (vgl. § 52 Abs. 37 EStG) auch dann, wenn es sich um Leistungen einer ausländischen Stiftung handelt (§ 20 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 EStG; Buge/Intemann in Herrmann/Heuer/Raupach, § 20 EStG Rz 349). § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG erfasst seinem Wortlaut nach Leistungen, die mit einer Gewinnausschüttung wirtschaftlich vergleichbar sind.

Wären die satzungsgemäßen Zuwendungen einer ausländischen Stiftung an die Berechtigten zugleich schenkungsteuerbar, läge eine doppelte Belastung desselben Rechtsvorgangs mit Einkommensteuer und Schenkungsteuer vor. Ob es Fälle gibt, in denen ein- und derselbe Lebenssachverhalt tatbestandlich sowohl der Einkommen- als auch der Schenkungsteuer unterfällt und in welchem Verhältnis die beiden Steuerarten in solchen Fällen stehen9, ist bislang noch nicht entschieden. Im Urteil vom 30.01.201310 konnte der Bundesfinanzhof dies für die verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) offen lassen, da sowohl offene als auch vGA einer Kapitalgesellschaft an ihre Gesellschafter oder an die Gesellschafter einer an ihr beteiligten Kapitalgesellschaft tatbestandlich keine freigebigen Zuwendungen i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG sind.

Unter Zugrundelegung dieser Erwägungen ist für den Bundesfinanzhof rechtlich zweifelhaft, ob die Zuwendung einer Famiienstiftung i.S. des Art. 80 ff. des Schweizerischen Zivilgesetzbuches den Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 ErbStG erfüllt. Wie eine deutsche Stiftung und im Gegensatz zu einem angelsächsischen Trust besitzt die Stiftung schweizerischen Rechts eine eigene Rechtspersönlichkeit. Mit Errichtung der Stiftung wurde das vom Stifter gewidmete Vermögen verselbstständigt, von dem Vermögen des Stifters vollständig und endgültig abgetrennt und dem in der Stiftungssatzung festgelegten Stiftungszweck unterworfen.

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Bundesfinanzhof, Beschluss vom 21. Juli 2014 – II B 40/14

  1. BGBl I 1999, 402[]
  2. BFH, Urteil vom 27.09.2012 – II R 45/10, BFHE 238, 540, BStBl II 2013, 84, Rz 13[]
  3. vgl. BFH, Urteile vom 21.04.1982 – II R 148/79, BFHE 136, 133, BStBl II 1982, 597; und vom 07.05.1986 – II R 137/79, BFHE 147, 70, BStBl II 1986, 615, jeweils m.w.N.[]
  4. BT-Drs. 14/23, 200; Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 2 Rz 122; Gebel, Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge 1999, 249, 253; Habammer, Deutsches Steuerrecht 2002, 425, 430[]
  5. BFH, Urteil in BFHE 238, 540, BStBl II 2013, 84, Rz 16, m.w.N.[]
  6. vgl. BT-Drs. 14/443, 41[]
  7. vgl. RFH, Urteil vom 08.03.1922 – VI A 49/21, Steuer und Wirtschaft 1922 Nr. 640; Meincke, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, 16. Aufl., § 7 Rz 88; Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, a.a.O., § 7 Rz 334; Schuck in Viskorf/Knobel/Schuck/Wälzholz, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Bewertungsgesetz, 4. Aufl., § 7 ErbStG Rz 149[]
  8. vgl. BFH, Urteil vom 03.11.2010 – I R 98/09, BFHE 232, 22, BStBl II 2011, 417[]
  9. vgl. dazu BFH, Beschluss vom 12.09.2011 – VIII B 70/09, BFH/NV 2012, 229, Rz 19; Fischer, in Fischer/Jüptner/Pahlke/Wachter, ErbStG, 5. Aufl., § 7 Rz 131[]
  10. BFH, Urteil vom 30.01.2013 – II R 6/12, BFHE 240, 178, BStBl II 2013, 930[]
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