Erlass von Nachzahlungszinsen

Die Finanzbehörden können nach § 227 AO Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre.

Erlass von Nachzahlungszinsen

Zu den Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis gehören nach § 37 Abs. 1 AO auch Ansprüche auf steuerliche Nebenleistungen, zu denen wiederum nach § 3 Abs. 4 AO auch Zinsen (§§ 233 bis 237 AO) zählen. Dem Erlass von Nachforderungszinsen nach § 233a AO steht nicht entgegen, dass § 233a AO im Gegensatz zu § 234 Abs. 2 AO für Stundungszinsen und § 237 Abs. 4 AO für Aussetzungszinsen keine ausdrückliche Ermächtigung zu Billigkeitsmaßnahmen enthält1.

Die Entscheidung über den Erlass ist eine Ermessensentscheidung der Behörde2 und unterliegt deshalb gemäß § 102 FGO lediglich einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle. Zu prüfen ist daher bei einer Erlassablehnung nur, ob die Finanzbehörde bei ihrer Entscheidung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von ihrem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Im Einzelfall kann der Ermessensspielraum aber so eingeengt sein, dass nur eine Entscheidung ermessensgerecht ist (sog. Ermessensreduzierung auf null). Ist nur der Erlass eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis ermessensgerecht, kann das Gericht gemäß § 101 Satz 1 FGO die Verpflichtung zum Erlass aussprechen3.

Eine Unbilligkeit aus sachlichen Gründen ist nach ständiger BFH-Rechtsprechung dann anzunehmen, wenn ein Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis zwar nach dem gesetzlichen Tatbestand besteht, seine Geltendmachung aber mit dem Zweck des Gesetzes nicht (mehr) zu rechtfertigen ist und dessen Wertungen zuwiderläuft4. Das setzt voraus, dass der Gesetzgeber eine andere Regelung getroffen hätte, wenn er die zu beurteilende Frage als regelungsbedürftig erkannt hätte5. Umstände, die der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des gesetzlichen Tatbestands bewusst in Kauf genommen hat, können keinen Billigkeitserlass rechtfertigen. Die Billigkeitsprüfung darf die generelle Geltungsanordnung des den Steueranspruch begründenden Gesetzes nicht unterlaufen6, sich andererseits auch nicht in Überlegungen zur richtigen Rechtsanwendung erschöpfen, da dann ein auf sachliche Billigkeitsgründe gestützter Erlass nach § 227 AO niemals möglich wäre7. Diese Grundsätze gelten auch für den Erlass nach § 233a AO festgesetzter Zinsen8.

Die Verzinsung nach § 233a Abs. 1 AO und die Karenzzeiten des § 233a Abs. 2 AO bezwecken einen typisierten Ausgleich für die Liquiditätsverschiebungen, die aus dem individuell sehr unterschiedlichen Verlauf des Besteuerungsverfahrens entstehen können.

Die allgemeine Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen wurde in Gestalt des § 233a AO durch Art. 15 Nr. 3 des Steuerreformgesetzes 1990 (StRG 1990)9 eingeführt. Nach der Begründung zum Gesetzentwurf sollte die allgemeine Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen einen Ausgleich dafür schaffen, dass die Steuern bei den einzelnen Steuerpflichtigen, aus welchen Gründen auch immer, zu unterschiedlichen Zeitpunkten festgesetzt und fällig werden10. Insoweit beruht die Vorschrift auf der zulässig typisierenden Annahme, dass derjenige, dessen Steuer ganz oder zum Teil zu einem späteren Zeitpunkt festgesetzt wird, gegenüber demjenigen, dessen Steuer bereits frühzeitig festgesetzt wird, einen Liquiditäts- und damit auch einen potentiellen Zinsvorteil hat. Dieser Vorteil ist umso größer, je höher der nachzuzahlende Betrag ist und je später die Steuer festgesetzt wird. Durch die Sollverzinsung sollen der Liquiditätsvorteil des Steuerpflichtigen und seine damit verbundene erhöhte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit abgeschöpft werden. Gleichzeitig soll der vorhandene Zinsnachteil des Fiskus, der den nicht gezahlten Steuerbetrag nicht anderweitig nutzen kann, ausgeglichen werden11. Aus welchem Grund es zu einem Unterschiedsbetrag gekommen ist und ob die möglichen Zins- und Liquiditätsvorteile tatsächlich bestanden und genutzt wurden, ist grundsätzlich unbeachtlich12.

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Die Karenzzeit des § 233a Abs. 2 AO sollte nach dem ursprünglichen Gesetzentwurf allgemein 15 Monate betragen13. Tatsächlich hat das StRG 1990 bei Überwiegen der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft eine Karenzzeit von 21 Monaten eingeführt. Das Steuervereinfachungsgesetz 201114 hat diese Frist für Steuern, die nach dem 31.12 2009 entstehen (Art. 97 § 15 Abs. 11 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung), auf 23 Monate verlängert.

Die 15-monatige Karenzzeit ist dem Grunde nach an der längstmöglichen allgemeinen Verlängerung der Fristen zur Abgabe von Steuererklärungen ausgerichtet. Sie sollte die Erfüllung der Erklärungspflichten durch die Steuerpflichtigen und ihre Berater sowie die während dieser Zeit bereits durchgeführten Veranlagungen der Finanzämter von der Verzinsung unbelastet lassen und außerdem die Zahl der zu bearbeitenden Zinsfälle im Interesse der Verringerung der Arbeitsbelastung der Finanzämter in Grenzen halten13. Dies setzt die Vorstellung voraus, dass das Veranlagungsverfahren innerhalb der Karenzzeit regelmäßig abgeschlossen sein dürfte. Unerheblich ist, ob die Einkünfte, die der Ermittlung der Karenzzeit zugrunde liegen, Gegenstand einer gesonderten Feststellung gemäß § 182 AO sind.

Hintergrund der besonderen Regelungen für Land- und Forstwirte sind die Besonderheiten der Gewinnermittlung bei Land- und Forstwirten mit abweichendem Wirtschaftsjahr15. Das Ziel, eine Anlaufphase für den Beginn und in vielen Fällen den Abschluss des Veranlagungsverfahrens zinsfrei zu halten, kann bei dieser Gruppe von Steuerpflichtigen in vergleichbarer Weise nur gewahrt werden, wenn die Karenzzeit entsprechend verlängert wird.

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Nach § 4a Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 EStG ermitteln Land- und Forstwirte den Gewinn nach einem Wirtschaftsjahr, das regelmäßig den Zeitraum vom 01.07.bis zum 30.06.umfasst.

Die Zuordnung des für das jeweilige Wirtschaftsjahr ermittelten Gewinns auf das nach § 2 Abs. 7 Satz 2 EStG der Einkommensbesteuerung zugrunde zu legende Kalenderjahr wird nach § 4a Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 EStG zeitanteilig vorgenommen, und zwar unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt innerhalb des betreffenden Wirtschaftsjahrs welcher Gewinn(anteil) realisiert wurde. Demgegenüber gehören Veräußerungsgewinne nach § 4a Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 EStG in das Kalenderjahr ihrer Entstehung. Die zeitanteilige Zuordnung des laufenden Gewinns führt dazu, dass die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen und das Veranlagungsverfahren für ein bestimmtes Kalenderjahr erst beginnen können, wenn das in diesem Kalenderjahr beginnende Wirtschaftsjahr geendet hat. Das ist erst im Laufe des folgenden Kalenderjahrs der Fall.

Wegen der durch § 8c Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) eröffneten Möglichkeiten anderer abweichender Wirtschaftsjahre ist allerdings auch mit der pauschalen Verlängerung der Karenzzeit in § 233a Abs. 2 Satz 2 AO der Zeitraum zwischen demjenigen Zeitpunkt, zu dem die Veranlagung frühestmöglich beginnen kann (nämlich dem Ende des letzten für die Veranlagung maßgebenden Wirtschaftsjahrs), und demjenigen Zeitpunkt, zu dem die zinsfreie Zeit endet, nicht für alle Steuerpflichtigen gleich.

Eine entsprechende Verlängerung der Erklärungsfrist des § 149 Abs. 2 Satz 1 AO sowie der Karenzzeit des § 233a Abs. 2 Satz 1 EStG für Gewerbetreibende, die nach § 4a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EStG ihren Gewinn nach einem nicht kalenderjahrgleichen Wirtschaftsjahr ermitteln, sieht das Gesetz nicht vor. Sie wäre grundsätzlich auch nicht folgerichtig. Anders als bei Land- und Forstwirten erfolgt die Zuordnung des für das jeweilige Wirtschaftsjahr ermittelten Gewinns nicht zeitanteilig. Nach § 4a Abs. 2 Nr. 2 EStG gilt vielmehr der Gewinn des Wirtschaftsjahrs als in dem Kalenderjahr bezogen, in dem das Wirtschaftsjahr endet. Die Veranlagung kann daher ebenso wie bei Gewerbetreibenden mit kalendergleichem Wirtschaftsjahr unmittelbar nach Ende des Veranlagungszeitraums beginnen, ohne dass auf das Ende des in diesem Zeitraum begonnenen Wirtschaftsjahrs und dessen Ergebnisse zu warten wäre. Zu einem Rückbezug der Ergebnisse eines abweichenden Wirtschaftsjahrs auf das Kalenderjahr, in dem dieses Wirtschaftsjahr begonnen hat, kann es bei einem Gewerbetreibenden nur kommen, wenn, wie im Streitfall, die Ergebnisse der gewerblichen Betätigung des Steuerpflichtigen Gegenstand einer gesonderten Feststellung sind und dessen Gewinnanteil nicht nach § 4a Abs. 2 Nr. 2 EStG, sondern nach den Grundsätzen des BFH-Urteils vom 18.08.201016 im Kalenderjahr des Ausscheidens aus der Mitunternehmerschaft erfasst wird.

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Die Verzinsung entspricht gleichwohl auch bei einem solchen Rückbezug den Wertungen des Gesetzgebers, wie sie in den Zinsvorschriften in Verbindung mit den Regeln über die gesonderte Feststellung zum Ausdruck kommen.

Das Finanzamt hat zu Recht ausgeführt, dass der Kläger im Streitfall tatsächlich einen Liquiditätsvorteil erlangt hatte. Dieser ist zentrales Element des Zinsanspruchs. Da die Einkommensteuer für das Streitjahr erst nach Erlass des Feststellungsbescheids im September 2012 in zutreffender Höhe festgesetzt wurde, war der Kläger bis zu diesem Zeitpunkt von der Zahlung der materiell-rechtlich zutreffenden Steuer „freigestellt“. Dies rechtfertigt grundsätzlich die Festsetzung von Nachzahlungszinsen gemäß § 233a AO17, ohne dass es auf den Grund dieser Freistellung ankäme.

Es entspricht auch dem gesetzgeberischen Konzept, dass die Karenzzeiten bis zum Beginn des Zinslaufs erheblich pauschalisiert und typisiert sind. Nicht maßgebend ist, ob es im Einzelfall tatsächlich möglich gewesen wäre, das Veranlagungsverfahren innerhalb der Karenzzeit abzuschließen. Die verhältnismäßig starke Generalisierung zeigt sich zum einen an der einheitlichen Verlängerung der Karenzzeit auf früher 21 bzw. heute 23 Monate bei überwiegenden land- und forstwirtschaftlichen Einkünften unabhängig von dem tatsächlichen Ende des letzten für den Veranlagungszeitraum maßgebenden Wirtschaftsjahrs. Sie zeigt sich zum anderen daran, dass die Karenzzeit pauschal daran anknüpft, ob die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft überwiegen. Dafür sind diese Einkünfte mit allen anderen zusammengefassten Einkünften zu vergleichen18. Es kommt hingegen nicht darauf an, auf welchen Einkünften ggf. in welcher Höhe der den Zinsanspruch auslösende Unterschiedsbetrag beruht. Für die Berücksichtigung von Besonderheiten des Einzelfalls lässt gerade eine hochgradig typisierende Regelung keinen Raum19.

Abgesehen davon, dass die Verfassungsmäßigkeit einer gesetzlichen Regelung grundsätzlich nicht Gegenstand des Billigkeitsverfahrens ist, hat der Bundesfinanzhof auch keinen Zweifel, dass diese Generalisierungen verfassungsgemäß sind. Innere Rechtfertigung des Zinsanspruchs bleibt der Liquiditätsvorteil. Die Karenzzeit entscheidet lediglich darüber, in welchem Umfang er abzuschöpfen ist.

Sind Einkünfte Gegenstand einer gesonderten Feststellung, gilt nichts anderes. Ergeht ein Feststellungsbescheid, ist der Einkommensteuerbescheid nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO anzupassen. Die Folgeänderung des Einkommensteuerbescheids löst die Zinspflicht nach § 233a AO aus, selbst wenn der Feststellungsbescheid nicht früher hätte ergehen können. Dies begründet ebenfalls keine sachliche Unbilligkeit i.S. des § 227 AO, sondern entspricht den Wertungen des Gesetzes.

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Der Zinslauf ist auch dann nach Maßgabe von § 233a Abs. 2 AO einschließlich der Karenzzeit zu berechnen, wenn der Unterschiedsbetrag auf der Anpassung eines Einkommensteuerbescheids an einen Grundlagenbescheid beruht. Nicht maßgebend ist, wann der Grundlagenbescheid ergeht. Der Beginn des Zinslaufs ist nach § 233a Abs. 2a AO nur hinausgeschoben, wenn die Änderung einer Steuerfestsetzung auf einem rückwirkenden Ereignis oder einem Verlustabzug beruht. Der Erlass eines Grundlagenbescheids ist aber kein rückwirkendes Ereignis, was etwa aus der ausdrücklichen Nichtnennung des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO in § 233a Abs. 2a AO deutlich wird. Auch ein Grundlagenbescheid, der viele Jahre nach Ende des Veranlagungszeitraums erlassen oder geändert wird, kann daher zu einer Zinspflicht unter Anwendung der Karenzzeit des § 233a Abs. 2 AO führen.

Eine Billigkeitskorrektur dieses Ergebnisses ist nicht geboten, sondern widerspräche dem gesetzgeberischen Konzept. Der Feststellungsbeteiligte ist gegenüber dem Personenkreis des § 233a Abs. 2a AO nicht unangemessen benachteiligt. Anders als in jenen Fällen besteht die Möglichkeit, die in einem Grundlagenbescheid festzustellenden Besteuerungsgrundlagen bereits im Rahmen der Einkommensteuererklärung im Schätzungswege nach § 162 Abs. 5 AO anzugeben und nach § 155 Abs. 2 AO auch vor Erlass des Grundlagenbescheids der Besteuerung zugrunde zu legen. So sind der Kläger und das Finanzamt auch im Streitfall verfahren. Gerade in der gesellschaftsrechtlichen Konstellation des Streitfalls war der Kläger für seine Erklärung auch nicht auf eine grobe Schätzung beschränkt, sondern konnte den Veräußerungsgewinn ebenso berechnen, als wenn dieser nicht Gegenstand der gesonderten Feststellung gewesen wäre.

Die Folgeanpassung des Einkommensteuerbescheids aufgrund des Erlasses oder der Änderung des Grundlagenbescheids ist vor diesem Hintergrund in Ansehung der Zinsen ähnlich zu bewerten wie die Änderung des Einkommensteuerbescheids innerhalb eines noch offenen Festsetzungsverfahrens oder aufgrund einer selbständigen Änderungsvorschrift. In einem solchen Falle besteht außerhalb des Anwendungsbereichs des § 233a Abs. 2a AO kein Zweifel an der Zinspflicht. Das Risiko, dass die ursprüngliche Erklärung sich im Ergebnis aus welchen Gründen auch immer als nicht zutreffend erweist und der Bescheid aufgrund neuer Erkenntnisse etwa aus einer Außenprüfung geändert wird, ist identisch. Die Zinspflicht des Klägers hat demnach ihren Grund nicht in erster Linie in dem abweichenden Wirtschaftsjahr der KG und dem entsprechend späteren gesonderten Feststellungsverfahren, sondern in der Anpassung der Höhe des Veräußerungsgewinns. Dieses rechtfertigt keinen Billigkeitserlass.

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Der Bundesfinanzhof verkennt nicht, dass dieses Ergebnis nicht eingetreten wäre, hätte es sich bei dem Veräußerungsgewinn des Klägers um Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft nach § 14 EStG gehandelt, sofern sie die anderen Einkünfte überwiegen. Es widerspräche aber der mit § 233a Abs. 2 AO ersichtlich bezweckten groben Typisierung, für die Entscheidung über die Länge der Karenzzeit, sei es auch im Billigkeitswege, nicht abstrakt allein an die Einkunftsart, sondern konkret an die Frage anzuknüpfen, ob die Modalitäten der Einkünfteerzielung und der verfahrensmäßigen Behandlung im Einzelfall ihrerseits die kürzere oder längere Karenzzeit rechtfertigen könnten.

Zudem entspricht die Ausgangslage des Streitfalls nicht derjenigen Problematik, die der eigentliche Grund für die verlängerte Karenzzeit der Land- und Forstwirte ist. Soweit diese nicht bereits mit Ende des Veranlagungszeitraums dessen Besteuerungsgrundlagen ermitteln können, beruht das gerade nicht allein auf ihrem abweichenden Wirtschaftsjahr, sondern vor allem auf der zeitanteiligen Zurechnung dessen Ergebnisses. Damit haben gewinnwirksame Faktoren des Folgejahres Einfluss auf den dem Vorjahr zuzuordnenden Gewinn. Die Ermittlung oder Berechnung der Besteuerungsgrundlagen des Vorjahres ist vor Abschluss des Wirtschaftsjahrs objektiv unmöglich. Bei Veräußerungsgewinnen i.S. des § 14 EStG, die nach § 4a Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 EStG in das Kalenderjahr ihrer Entstehung gehören, stellt sich dieses Problem nicht. Deren Ermittlung wäre nach dem Ende des Veranlagungszeitraums ebenso möglich, als wenn es sich um Veräußerungsgewinne im Rahmen gewerblicher Einkünfte handelte. Soweit die Veräußerungsgewinne nach § 14 EStG gleichwohl aufgrund der groben Typisierung des § 233a Abs. 2 AO in den Genuss der verlängerten Karenzzeit kommen, handelt es sich bei der hieraus folgenden Ungleichbehandlung allenfalls um eine überschießende Begünstigung der Land- und Forstwirte. Daraus folgt für den Kläger keine Unbilligkeit.

Der Streitfall bietet keinen Anlass zu entscheiden, ob unter besonderen Umständen Billigkeitsmaßnahmen zu Gunsten eines Feststellungsbeteiligten angezeigt sein können, wenn eine sachgerechte Schätzung nach § 162 Abs. 5 AO Schwierigkeiten bereitet, die der Steuerpflichtige nicht zu vertreten hat. Ebenso wenig ist zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen eine ungebührliche Verzögerung des Veranlagungsverfahrens einen Erlass rechtfertigen könnte. Das Finanzamt hätte das Feststellungs- und Veranlagungsverfahren kaum schneller betreiben können als es geschehen ist. Der Kläger hat insoweit auch nichts beanstandet.

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Bundesfinanzhof, Urteil vom 1. Juni 2016 – X R 66/14

  1. BFH, Urteil vom 03.07.2014 – III R 53/12, BFHE 246, 203, unter II. 1.a, m.w.N.; BFH, Beschluss vom 29.10.2014 – X B 32/14, BFH/NV 2015, 336, unter II. 1.a[]
  2. GmS-OBG, Beschluss vom 19.10.1971 – GmS-OGB 3/70, BFHE 105, 101, BStBl II 1972, 603, zu der Vorläufervorschrift des § 131 AO[]
  3. vgl. BFH, Urteile vom 08.10.2013 – X R 3/10, BFH/NV 2014, 5, unter II. 1.b; in BFHE 246, 203, unter II. 1.b, beide m.w.N.[]
  4. vgl. BFH, Urteile vom 11.07.1996 – V R 18/95, BFHE 180, 524, BStBl II 1997, 259, unter II. 2.b; vom 26.08.2010 – III R 80/07, BFH/NV 2011, 401, unter II. 2.a; in BFH/NV 2014, 5, unter II. 2.a, jeweils m.w.N.[]
  5. BFH, Urteil vom 21.10.2009 – I R 112/08, BFH/NV 2010, 606, unter II. 2.[]
  6. BFH, Urteil in BFH/NV 2011, 401, unter II. 2.a[]
  7. vgl. BFH, Urteil in BFHE 180, 524, BStBl II 1997, 259, unter II. 2.b; BFH, Beschluss in BFH/NV 2015, 336, unter II. 1.a[]
  8. BFH, Urteile in BFH/NV 2014, 5, unter II. 2.a; in BFHE 246, 203, unter II. 1.c, beide m.w.N.[]
  9. vom 25.07.1988, BGBl I 1988, 1093[]
  10. BT-Drs. 11/2157, S.194[]
  11. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 03.09.2009 – 1 BvR 2539/07, BFH/NV 2009, 2115, unter III. 1.a bb (2) (a) []
  12. vgl. BVerfG, Beschluss in BFH/NV 2009, 2115, unter III. 1.a bb (2) (b) und III. 1.a cc; BFH, Urteil in BFH/NV 2014, 5, unter II. 2.b, m.w.N.[]
  13. BT-Drs. 11/2157, S.195[][]
  14. vom 01.11.2011, BGBl I 2011, 2131[]
  15. Erster Bericht des Finanzausschusses zu dem Gesetzentwurf der BT-Drs. 11/2157, BT-Drs. 11/2536, S. 96[]
  16. BFH, Urteil vom 18.08.2010 – X R 8/07, BFHE 230, 429, BStBl II 2010, 1043[]
  17. vgl. BFH, Urteil vom 19.03.2009 – V R 48/07, BFHE 225, 215, BStBl II 2010, 92, unter II. 3.b bb; in BFH/NV 2014, 5, unter II. 2.c[]
  18. vgl. im Einzelnen BFH, Urteil vom 13.07.2006 – IV R 5/05, BFHE 214, 26, BStBl II 2006, 881, unter II. 1.c[]
  19. ähnlich BFH, Urteil in BFHE 214, 26, BStBl II 2006, 881, unter II. 1.c cc (4) []