Eine analoge Anwendung der Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 13 AO in Fällen einer Festsetzung von zu erstattender Steuern kommt während des Konkurs- bzw. Insolvenzverfahrens nicht in Betracht.

Nach § 12 der Konkursordnung -KO- (nunmehr § 87 InsO), der über die Verweisung in § 251 Abs. 2 AO („Unberührt bleiben die Vorschriften der Insolvenzordnung…“) auch im Steuerrecht zu beachten ist, können die Konkurs- bzw. Insolvenzgläubiger zwar ihre Forderungen nur entsprechend den Vorschriften über das Konkurs- bzw. Insolvenzverfahren verfolgen1. Ebenso dürfen nach Eröffnung des Konkurs- bzw. Insolvenzverfahrens keine Bescheide mehr erlassen werden, in denen Besteuerungsgrundlagen festgestellt werden, die die Höhe der zur Tabelle anzumeldenden Steuerforderungen beeinflussen könnten2.
Der Bundesfinanzhof hat aber gleichfalls geklärt, dass das Finanzamt durch die Eröffnung des Konkurs- bzw. Insolvenzverfahrens grundsätzlich nicht gehindert ist, eine negative Umsatzsteuer festzusetzen, weil einem solchen Bescheid die abstrakte Eignung fehlt, sich auf anzumeldende Steuerforderungen auszuwirken. Denn mit einem solchen Bescheid setzt das Finanzamt keine Konkurs- bzw. Insolvenzforderung fest, die nach § 12 KO (bzw. § 87 InsO) nur nach den Vorschriften über das Konkurs- bzw. Insolvenzverfahren verfolgt werden kann, sondern einen Erstattungsbetrag, der nicht zur Tabelle anzumelden wäre. Deshalb scheidet hier auch eine Unterbrechung des Festsetzungsverfahrens mit Eröffnung des Konkurs- bzw. Insolvenzverfahrens analog § 240 Satz 1 ZPO aus3.
Auch aus einer kritischen Stellungnahme in der Fachliteratur4 sind keine neuen Gesichtspunkte ableitbar, die eine erneute Prüfung und Entscheidung der Rechtsfrage durch den BFH geboten erscheinen lassen. Insbesondere kann ein solcher Hinweis der Rechtssache von sich allein noch keine grundsätzliche Bedeutung geben5. Das Finanzgericht hat sich zudem in seinem Urteil mit der Literatur-Auffassung auseinandergesetzt und dargelegt, warum eine analoge Anwendung des § 240 ZPO bei Erstattungsansprüchen der vorliegenden Art nicht in Betracht kommt. Der Konkursverwalter hätte unter diesen Umständen im Einzelnen darlegen müssen, ob und inwieweit widerstreitende Meinungen in der Literatur und der Rechtsprechung bestehen6 und hätte insoweit beachtliche neue Argumente vortragen müssen. Dies ist nicht geschehen. Im Übrigen hat sich das Finanzgericht maßgeblich zu Recht darauf bezogen, dass eine analoge Anwendung der Vorschrift des § 240 ZPO bereits daran scheitere, dass eine planwidrige Regelungslücke im Gesetz nicht vorliege. Die Rechte der Gläubiger, deren gemeinschaftliche Befriedigung das Insolvenzverfahren bezweckt (§ 1 InsO), sollen nicht beeinträchtigt werden7. Ein Erstattungsbescheid über ein Umsatzsteuerguthaben verändert aber nicht den Bestand der Forderungen zu Lasten der Gläubigergemeinschaft, die Gegenstand des insolvenzrechtlichen Prüfungsverfahrens sind8, so dass eine analoge Anwendung des § 240 ZPO ausscheidet.
Soweit in einem Revisionsverfahren die Rechtsfrage geklärt werden soll, ob eine analoge Anwendung des § 171 Abs. 13 AO a.F. bei Erstattungsansprüchen des Konkursverwalters in Betracht komme, kann auch insoweit diese Frage als geklärt angesehen werden, da auch keine planwidrige Regelungslücke erkennbar ist. Die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 13 AO (a.F. und n.F.) soll verhindern, dass Steuerforderungen, die vor Eröffnung des Konkurs- bzw. Insolvenzverfahrens nicht festgesetzt und wegen Bestreitens der Forderung nicht zur Tabelle festgestellt und deshalb im Verfahren nicht befriedigt worden sind, während des Konkurs- bzw. Insolvenzverfahrens verjähren. Der Finanzbehörde soll in solchen Fällen die Möglichkeit erhalten bleiben, die Forderung nach Beendigung des Verfahrens durch Steuerbescheid festzusetzen9. Der entsprechenden Anwendung einer solchen Regelung in Fällen einer Festsetzung von zu erstattender Steuern bedarf es nicht, wenn -wie der BFH mehrfach entschieden hat- eine Unterbrechung des Festsetzungsverfahrens bei Festsetzung einer zu erstattenden Steuer analog § 240 Satz 1 ZPO nicht eintritt.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 9. Dezember 2020 – XI B 10/20
- vgl. dazu BFH, Urteile vom 24.08.2004 – VIII R 14/02, BFHE 207, 10, BStBl II 2005, 246 noch zur Rechtslage nach der Konkursordnung; vom 10.12.2008 – I R 41/07, BFH/NV 2009, 719, m.w.N.; vom 11.12.2013 – XI R 22/11, BFHE 244, 209, BStBl II 2014, 332, Rz 20[↩]
- vgl. BFH, Urteile vom 02.07.1997 – I R 11/97, BFHE 183, 365, BStBl II 1998, 428; in BFHE 244, 209, BStBl II 2014, 332, Rz 20[↩]
- vgl. hierzu im Einzelnen BFH, Urteile vom 13.05.2009 – XI R 63/07, BFHE 225, 278, BStBl II 2010, 11, Rz 16 ff.; vom 25.07.2012 – VII R 29/11, BFHE 238, 307, BStBl II 2013, 36, Rz 19; in BFHE 244, 209, BStBl II 2014, 332, Rz 21; vom 16.06.2015 – XI R 18/13, BFH/NV 2015, 1607, Rz 23; vom 27.11.2019 – XI R 35/17, BFHE 267, 542, Rz 29[↩]
- Scherer, DStR 2017, 296[↩]
- vgl. z.B. BFH, Beschlüsse vom 17.12.1987 – V B 80/87, BFHE 152, 35, BStBl II 1988, 290; vom 18.05.1994 – II B 183/93, BFH/NV 1994, 887[↩]
- vgl. z.B. BFH, Beschluss in BFH/NV 1994, 887[↩]
- vgl. z.B. Stackmann in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl., § 240 Rz 1[↩]
- vgl. BFH, Urteil in BFHE 238, 307, BStBl II 2013, 36, Rz 19[↩]
- BFH, Urteil vom 19.08.2008 – VII R 36/07, BFHE 222, 205, BStBl II 2009, 90, unter II. 1.b dd; Banniza in HHSp, § 171 AO Rz 235; Klein/Rüsken, AO, 15. Aufl., § 171 Rz 116[↩]
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