Die Feststellung des Einheitswerts, die Umsatzsteuerfestsetzung, die Gewinnfeststellung und die Gewerbeverlustfeststellung sowie deren Änderung oder Aufhebung sind gemäß § 169 Abs. 1 Satz 1 AO, der gemäß § 181 Abs. 1 Satz 1 AO für die gesonderte Feststellung sinngemäß gilt, nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungs- bzw. Feststellungsfrist abgelaufen ist. Diese beträgt nach § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO vier Jahre.

Ist ‑wie im Streitfall für die Umsatzsteuer, die Gewinnfeststellung und die Gewerbeverlustfeststellung- eine Steuererklärung bzw. Feststellungserklärung abzugeben, so beginnt die Festsetzungs- bzw. Feststellungsfrist gemäß §§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 181 Abs. 1 Satz 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer- bzw. Feststellungserklärung eingereicht wird.
In Bezug auf die gesonderte Feststellung von Einheitswerten enthält § 181 Abs. 3 Satz 2 AO eine entsprechende Regelung für die Hauptfeststellungen. Danach beginnt die Frist für die gesonderte Feststellung von Einheitswerten mit Ablauf des Kalenderjahrs, auf dessen Beginn die Hauptfeststellung, die Fortschreibung, die Nachfeststellung oder die Aufhebung des Einheitswerts vorzunehmen ist. Ist eine Erklärung zur gesonderten Feststellung des Einheitswerts abzugeben, beginnt die Feststellungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Erklärung eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, auf dessen Beginn die Einheitswertfeststellung vorzunehmen oder aufzuheben ist.
Für Fortschreibungen des Einheitswerts, für die eine Erklärung nicht abzugeben ist, beginnt die Feststellungsfrist gemäß § 181 Abs. 3 Satz 1 AO demgegenüber grundsätzlich mit Ablauf des Kalenderjahrs, auf dessen Beginn die Fortschreibung vorzunehmen ist. Wird allerdings der Beginn der Feststellungsfrist für die Hauptfeststellung nach § 181 Abs. 3 Satz 2 AO hinausgeschoben, verschiebt sich nach § 181 Abs. 3 Satz 3 AO auch der Beginn der Feststellungsfrist für die weiteren Feststellungszeitpunkte des Hauptfeststellungszeitraums jeweils um die gleiche Zeit.
Ablaufhemmung bei begonnener Außenprüfung
Wird vor Ablauf der Festsetzungs- bzw. Feststellungsfrist mit einer Außenprüfung begonnen oder wird deren Beginn auf Antrag des Steuerpflichtigen hinausgeschoben, so läuft die Festsetzungsfrist für die Steuern bzw. die Feststellungsfrist für die Besteuerungsgrundlagen, auf die sich die Außenprüfung erstreckt oder im Fall des Hinausschiebens der Außenprüfung erstrecken sollte, gemäß § 171 Abs. 4 Satz 1 AO nicht ab, bevor die aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide bzw. Feststellungsbescheide unanfechtbar geworden sind oder nach Bekanntgabe der Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO drei Monate verstrichen sind.
Der Ablauf der Festsetzungsfrist wird auch mit Eingang des Antrags der Steuerpflichtigen auf Verlegung der Außenprüfung gemäß § 171 Abs. 4 Satz 1 Alternative 2 AO gehemmt [1], wenn die Außenprüfung vor Ablauf der regulären Festsetzungsfrist beginnen sollte und der Prüfungsbeginn nur auf Veranlassung der Klägerin in das Folgejahr hinausgeschoben wurde und wenn das Finanzamt vor Ablauf von zwei Jahren nach Eingang des Antrags mit der Prüfung begonnen hat [2].
Nach § 171 Abs. 4 Satz 2 AO entfällt die Ablaufhemmung der Festsetzungs- und Feststellungsfristen, wenn eine Außenprüfung unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von mehr als sechs Monaten aus Gründen unterbrochen wird, die die Finanzbehörde zu vertreten hat.
Die Frage, ob eine Außenprüfung unmittelbar nach ihrem Beginn unterbrochen worden ist, ist grundsätzlich nach den Verhältnissen im Einzelfall zu beurteilen. Dabei sind neben dem zeitlichen Umfang der bereits durchgeführten Prüfungsmaßnahmen alle Umstände zu berücksichtigen, die Aufschluss über die Gewichtigkeit der Prüfungshandlungen vor der Unterbrechung geben. Unabhängig vom Zeitaufwand ist eine Unterbrechung unmittelbar nach Beginn der Prüfung dann anzunehmen, wenn der Prüfer über Vorbereitungshandlungen, allgemeine Informationen über die betrieblichen Verhältnisse, das Rechnungswesen und die Buchführung und/oder die Sichtung der Unterlagen des zu prüfenden Steuerfalls bzw. ein allgemeines Aktenstudium nicht hinausgekommen ist [3]. Eine Außenprüfung ist danach nur dann nicht mehr unmittelbar nach Beginn unterbrochen, wenn die Prüfungshandlungen von Umfang und Zeitaufwand gemessen an dem gesamten Prüfungsstoff erhebliches Gewicht erreicht oder erste verwertbare Ergebnisse gezeitigt haben [4]. Letzteres bedeutet allerdings nicht, dass die ermittelten Ergebnisse geeignet sein müssen, unmittelbar als Besteuerungsgrundlage Eingang in einen Steuer- oder Feststellungsbescheid zu finden; ausreichend ist vielmehr, dass Ermittlungsergebnisse vorliegen, an die bei der Wiederaufnahme der Prüfung angeknüpft werden kann [5].
Bereits der Umstand, dass der Prüfer – mit kurzen Unterbrechungen – in den Geschäftsräumen der Prozessbevollmächtigten der Klägerin Prüfungsmaßnahmen durchgeführt hat, stellt ein gewichtiges Indiz dafür dar, dass die Prüfung nicht unmittelbar nach Beginn unterbrochen worden ist. Dass dieser Zeitabschnitt nur einen geringen Anteil an der Gesamtdauer der Außenprüfung einnimmt, ändert hieran nichts. Der Umfang der Prüfungshandlungen ist nicht an der Gesamtdauer der Außenprüfung zu messen, sondern im Verhältnis zum Prüfungsstoff zu beurteilen. Zwar kommt dabei auch dem Zeitmoment eine gewisse Bedeutung zu. Eine ‑absolute oder relative- zeitliche Mindestanforderung an die Dauer der Prüfung vom Beginn bis zur Unterbrechung besteht jedoch nicht.
Grundsätzlich endet die Festsetzungs- bzw. Feststellungsfrist, deren Ablauf nach § 171 Abs. 4 Satz 1 AO gehemmt ist, erst, wenn die aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide bzw. Feststellungsbescheide unanfechtbar geworden sind. Nach § 171 Abs. 4 Satz 3 AO endet die Festsetzungsfrist allerdings spätestens, wenn seit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Schlussbesprechung stattgefunden hat, oder, wenn sie unterblieben ist, seit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die letzten Ermittlungen im Rahmen der Außenprüfung stattgefunden haben, die in § 169 Abs. 2 AO genannten Fristen verstrichen sind.
Gemäß § 201 Abs. 1 AO ist eine Schlussbesprechung eine Besprechung über das Ergebnis der Außenprüfung. Zudem ist der Gegenstand einer Schlussbesprechung nicht zwingend auf materiell-rechtliche Feststellungen begrenzt. Auch Verfahrensfragen wie z.B. der Eintritt der Festsetzungs- bzw. Feststellungsverjährung können Auswirkungen auf das Ergebnis der Außenprüfung haben und sind daher im Rahmen einer Schlussbesprechung zu erörtern.
Der Vorbehalt der Steuerpflichtigen, nur im Rahmen ihrer allgemeinen Mitwirkungspflicht an den Besprechungen teilgenommen zu haben, ändert daran nichts. Die Schlussbesprechung stellt keine Ermittlungshandlung dar, sondern dient der Gewährung rechtlichen Gehörs [6]. Dementsprechend hätte sie auf die Durchführung der Besprechungen verzichten können (§ 201 Abs. 1 Satz 1 AO). Eine allgemeine Mitwirkungspflicht an einer Schlussbesprechung besteht nicht.
Für die Annahme einer Ermittlungshandlung ist nicht zwingend erforderlich, dass diese dem Steuerpflichtigen bekanntgegeben wird. Auch Handlungen im Innendienst können Ermittlungshandlungen sein, sofern sie ‑wie hier- anhand der Prüfungsakten nachvollzogen werden können. Dies ergibt sich bereits daraus, dass je nach Art und Umfang der im Einzelfall erforderlichen Ermittlungshandlungen eine sach- und zeitgerechte Durchführung von Außenprüfungen nicht möglich wäre. Zudem ist eine (förmliche) Bekanntgabe nur für Verwaltungsakte vorgesehen (vgl. § 122 AO). In § 88 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AO, die den Amtsermittlungsgrundsatz regeln und auch im Rahmen der Außenprüfung gelten, findet sich eine solche Regelung nicht. Lediglich für einzelne Ermittlungshandlungen, wie z.B. den automatisierten Kontenabruf in § 93 Abs. 9 Sätze 2 und 3 AO, hat der Gesetzgeber ausdrücklich geregelt, unter welchen Voraussetzungen der Steuerpflichtige nach einem Kontenabruf zu benachrichtigen ist. Wären Ermittlungshandlungen stets zwingend bekanntzugeben, bedürfte es dieser Vorschrift nicht.
Auch aus dem BFH-Urteil in BFHE 202, 32, BStBl II 2003, 739 ergibt sich nichts Abweichendes. Darin hatte sich der Bundesfinanzhof mit der Frage auseinanderzusetzen, welche Maßnahmen die Wiederaufnahme einer nach § 171 Abs. 4 Satz 2 AO unterbrochenen Außenprüfung erfordert, und hierbei u.a. darauf abgestellt, dass nur solche Prüfungshandlungen das Ende der Unterbrechung der Prüfung bedeuten, die nach außen dokumentiert oder zumindest nachvollziehbar und für den Steuerpflichtigen erkennbar sind. Die Erkennbarkeit der Prüfungshandlung für den Steuerpflichtigen hat der BFH bei dieser Sachverhaltskonstellation aber ausschließlich deshalb gefordert, weil im Fall der Unterbrechung der Außenprüfung unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von mehr als sechs Monaten (§ 171 Abs. 4 Satz 2 AO) die Ablaufhemmung der Festsetzungsfrist erst in dem Zeitpunkt der Wiederaufnahme der Außenprüfung eintritt. Schon aus Gründen der Rechtssicherheit ist die Erkennbarkeit der diese Rechtsfolgen auslösenden erneuten Prüfungshandlungen erforderlich. Eine Unterbrechung i.S. von § 171 Abs. 4 Satz 2 AO liegt im Streitfall ‑wie dargestellt- jedoch nicht vor, so dass an die hier in Rede stehenden Ermittlungshandlungen keine unmittelbaren Rechtsfolgen geknüpft sind, die deren Erkennbarkeit für den Steuerpflichtigen als notwendig erscheinen lassen.
Aufgrund der systematischen Parallele zur Durchführung einer Schlussbesprechung, die ebenfalls nach § 171 Abs. 4 Satz 3 AO die Festsetzungsfrist neu in Gang setzt, ist für die Annahme letzter Ermittlungshandlungen im Sinne dieser Vorschrift erforderlich, dass der Zeitpunkt der betreffenden Ermittlungshandlungen im Interesse der verjährungsrechtlichen Rechtssicherheit eindeutig feststeht [7].
Verwirkung
Das Rechtsinstitut der Verwirkung ist Ausfluss des Grundsatzes von Treu und Glauben und Anwendungsfall des Verbots widersprüchlichen Verhaltens. Es greift ein, wenn ein Anspruchsberechtigter durch sein Verhalten beim Verpflichteten einen Vertrauenstatbestand dergestalt geschaffen hat, dass nach Ablauf einer gewissen Zeit die Geltendmachung des Anspruchs als illoyale Rechtsausübung empfunden werden muss. Dabei reicht ein bloßes Untätigbleiben der Finanzbehörde in der Regel nicht aus, um einen Steueranspruch als verwirkt anzusehen; denn die zeitliche Grenze für die Festsetzung eines Steueranspruchs bilden die Verjährungsvorschriften. Der Tatbestand der Verwirkung setzt neben dem bloßen Zeitmoment (zeitweilige Untätigkeit des Finanzamts) einerseits ein bestimmtes Verhalten des Anspruchsberechtigten voraus, demzufolge der Verpflichtete bei objektiver Beurteilung darauf vertrauen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (Vertrauenstatbestand), andererseits aber auch, dass der Steuerpflichtige tatsächlich auf die Nichtgeltendmachung des Anspruchs vertraut und sich hierauf eingerichtet hat (Vertrauensfolge). Der Steuerpflichtige soll davor geschützt werden, erhebliche Nachteile zu erleiden, die nicht entstanden wären, wenn das Finanzamt den Steueranspruch rechtzeitig geltend gemacht hätte [8].
Allerdings fehlt es bei einer Untätigkeit des Prüfers bereits an einem vertrauensbegründenden Verhalten des Finanzamtes.
Die Untätigkeit des Prüfers allein vermag kein Vertrauen darauf zu begründen, dass das Finanzamt die Außenprüfung als erledigt betrachtet. In der Regel wird die Außenprüfung erst mit der Zusendung des Prüfungsberichts (§ 202 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AO) abgeschlossen [9]. Führt die Außenprüfung zu keiner Änderung der Besteuerungsgrundlagen, so genügt es gemäß § 202 Abs. 1 Satz 3 AO, wenn dies dem Steuerpflichtigen schriftlich mitgeteilt wird. Die Vorschrift enthält lediglich eine formelle Erleichterung [10]. Die Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO hat ebenso wie der Prüfungsbericht Dokumentations- und Protokollfunktion. Dieser Funktion kann aus Gründen der Klarheit nur eine ausdrückliche Mitteilung gerecht werden [11]. Der Steuerpflichtige kann demnach aus dem Schweigen des Finanzamt nicht ableiten, dass dieses die Außenprüfung nicht weiter verfolgt. Dass die Untätigkeit des Finanzamt unter Umständen gegen interne Dienstanweisungen verstößt, ändert hieran nichts.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 26. Juni 2014 – IV R 51/11
- vgl. BFH, Urteil vom 17.03.2010 – IV R 54/07, BFHE 229, 20, BStBl II 2011, 7, m.w.N.[↩]
- vgl. BFH, Urteil in BFHE 229, 20, BStBl II 2011, 7[↩]
- BFH, Urteil vom 18.02.2009 – V R 82/07, BFHE 225, 198, BStBl II 2009, 876, m.w.N.[↩]
- BFH, Urteil vom 24.04.2003 – VII R 3/02, BFHE 202, 32, BStBl II 2003, 739[↩]
- BFH, Beschluss vom 31.08.2011 – I B 9/11, BFH/NV 2011, 2011, m.w.N.[↩]
- vgl. z.B. Sauer in Beermann/Gosch, AO § 201 Rz 7[↩]
- BFH, Urteil in BFH/NV 2011, 1830[↩]
- ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH, Beschluss vom 16.03.2011 – VIII B 102/10, BFH/NV 2011, 1106, m.w.N.[↩]
- BFH, Urteil vom 08.07.2009 – XI R 64/07, BFHE 226, 19, BStBl II 2010, 4, m.w.N.[↩]
- vgl. Schallmoser in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 202 AO Rz 50[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 19.01.2010 – X R 30/09, BFH/NV 2010, 1234[↩]