Die Feststellung einer Forderung zur Insolvenztabelle beendet nicht die Unterbrechung eines finanzgerichtlichen Verfahrens über diese Forderung: Wird während eines finanzgerichtlichen Verfahrens über einen Steueranspruch das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Steuerpflichtigen eröffnet und das Klageverfahren dadurch unterbrochen, bewirkt die widerspruchslose Feststellung der Steuerforderung zur Insolvenztabelle zwar die Erledigung des Finanzrechtsstreits in der Hauptsache, beendet aber nicht zugleich die Unterbrechung des finanzgerichtlichen Verfahrens .

Damit gibt der Bundesfinanzhof seine bisher vertretene Auffassung1 auf.
Der Gebührenfiskus kann die im finanzgerichtlichen Verfahren entstandenen Gerichtskosten gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 4 GKG und § 41 Abs. 1 InsO unabhängig von einer formalen Beendigung des unterbrochenen Klageverfahrens als Insolvenzforderungen zur Insolvenztabelle anmelden.
Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens bleibt ein finanzgerichtliches Verfahren unterbrochen, bis es nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen oder das Insolvenzverfahren beendet wird (§ 240 Satz 1 ZPO). Eine verfahrensabschließende Einstellung des unterbrochenen Verfahrens durch das Finanzgericht ist nicht zulässig2.
Vorliegend ist bisher weder das finanzgerichtliche Verfahren aufgenommen noch das Insolvenzverfahren beendet worden.
Der Umstand, dass weder der Insolvenzverwalter noch einer der Insolvenzgläubiger noch der Schuldner der Feststellung der ursprünglich streitbefangenen Forderungen zur Insolvenztabelle widersprochen hat, bewirkt im finanzgerichtlichen Verfahren zwar die Erledigung der Hauptsache3. Er führt aber nicht dazu, dass die Unterbrechung des Klageverfahrens endet. Eine solche Rechtsfolge lässt sich weder aus dem Wortlaut noch aus dem Zweck des § 240 ZPO ableiten.
Insbesondere wäre es nicht zulässig, die Feststellung der Forderung zur Tabelle als „Beendigung des Insolvenzverfahrens in Bezug auf diese Forderung“ anzusehen.
Zum einen entspricht es –soweit ersichtlich– einhelliger Auffassung in der Kommentarliteratur, dass der Terminus „das Insolvenzverfahren beendet wird“ unter Rückgriff auf die insolvenzrechtlichen Normen auszulegen ist, die eine Aufhebung oder Einstellung des (gesamten) Insolvenzverfahrens vorsehen4. Danach endet das Insolvenzverfahren durch Aufhebung in den Fällen des § 34 Abs. 3 InsO (Aufhebung des Eröffnungsbeschlusses im Rechtsmittelverfahren), § 200 InsO (Aufhebung des Insolvenzverfahrens nach Vollziehung der Schlussverteilung) und § 258 InsO (Aufhebung des Insolvenzverfahrens nach rechtskräftiger Bestätigung eines Insolvenzplans). Es endet durch Einstellung in den Fällen des § 207 InsO (die Insolvenzmasse reicht nicht aus, um die Kosten des Verfahrens zu decken), § 211 InsO (nach Verteilung der Insolvenzmasse in Fällen der Masseunzulänglichkeit), § 212 InsO (Einstellung wegen Wegfalls des Grundes für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens) und § 213 InsO (Einstellung mit Zustimmung aller Insolvenzgläubiger). Eine Beendigung des Insolvenzverfahrens in Bezug auf einzelne gegen den Schuldner gerichtete Forderungen sehen die –gemäß § 1 InsO auf eine gemeinschaftliche Befriedigung aller Gläubiger gerichteten– Vorschriften der InsO hingegen nicht vor.
Zum anderen ist das Insolvenzverfahren „für diese Forderungen“ mitnichten beendet. Sie sind lediglich zur Tabelle festgestellt, d.h. ihr Bestehen ist unstreitig. In welcher Höhe auf diese Forderungen im Rahmen der noch ausstehenden Abschlags- oder Schlussverteilungen (§§ 195, 196 InsO) tatsächliche Zahlungen zu leisten sein werden, ist damit aber noch nicht geklärt. Vor diesem Zeitpunkt wird man aber auch in Bezug auf die konkreten Forderungen nicht von einer „Beendigung des Insolvenzverfahrens“ sprechen können.
Auch der Zweck des § 240 ZPO gebietet nicht dessen Auslegung über den Wortlaut hinaus dahingehend, dass die Unterbrechungswirkung mit der Feststellung der Insolvenzforderung zur Tabelle entfällt.
Zum einen träte gerade durch die Fortsetzung des unterbrochenen Verfahrens die Gläubigerbenachteiligung ein, die § 240 ZPO vermeiden will. Denn solange das Insolvenzverfahren als solches noch anhängig ist, wäre der Insolvenzverwalter (hier: Treuhänder) kraft Amtes Beteiligter des fortgeführten finanzgerichtlichen Klageverfahrens. Dies gilt auch dann, wenn er selbst das Verfahren weder aufgenommen hat noch aufnehmen will5. Damit wären die Kosten des –erfolglosen– finanzgerichtlichen Verfahrens dem Insolvenzverwalter aufzuerlegen und gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO als Masseverbindlichkeiten anzusehen6. Derartige Masseverbindlichkeiten sind vom Insolvenzverwalter aber vorrangig vor den sonstigen Insolvenzverbindlichkeiten zu befriedigen (§ 53 InsO). Durch die Fortsetzung des Verfahrens mit anschließender Kostenentscheidung würde der Gebührenfiskus daher eine Masseforderung erlangen, die im Verhältnis zu den Forderungen aller anderen Insolvenzgläubiger vorrangig wäre; alle anderen Gläubiger wären benachteiligt.
Bliebe das finanzgerichtliche Verfahren hingegen unterbrochen, hätte der Gebührenfiskus die –gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 4 GKG und § 41 Abs. 1 InsO unabhängig von einer formalen Beendigung des unterbrochenen Klageverfahrens als fällig geltende– Kostenforderung zur Insolvenztabelle anzumelden. Er würde damit ebenso behandelt wie alle anderen Insolvenzgläubiger auch. Dies entspricht dem Grundgedanken der insolvenzrechtlichen Vorschriften (Gleichbehandlung und gemeinschaftliche Befriedigung aller Gläubiger), da die Kostenforderung durch eine Handlung des Schuldners vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens –ohne Mitwirkung des Insolvenzverwalters– ausgelöst worden ist und kein Grund für eine Privilegierung dieser Kostenforderung ersichtlich ist.
Soweit in der Literatur vereinzelt vertreten wird, in der widerspruchslosen Eintragung der Forderung zur Insolvenztabelle durch den Insolvenzverwalter liege zugleich eine prozessbeendende Erklärung des Insolvenzverwalters7, überzeugt dies nicht. Die Fiktion einer solchen Erklärung wäre mit der Interessenlage des Insolvenzverwalters und seiner gesetzlichen Aufgabenstellung nicht in Einklang zu bringen. Der Insolvenzverwalter hat das zur Insolvenzmasse gehörige Vermögen zu verwalten (§ 80 Abs. 1 InsO) und dabei die Interessen der Gesamtheit der Gläubiger zu berücksichtigen, nicht aber durch Abgabe rechtlich nicht gebotener prozessbeendender Erklärungen zusätzliche Verbindlichkeiten zu Lasten der Masse zu begründen.
Zum anderen erschöpft sich der Zweck des § 240 ZPO nicht allein in der Vermeidung einer Benachteiligung der übrigen Gläubiger. Die Vorschrift soll vielmehr auch dem Verlust der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners Rechnung tragen8. Dieser Gesichtspunkt besteht aber auch dann bis zur Beendigung des –gesamten– Insolvenzverfahrens fort, wenn die Forderung zur Tabelle festgestellt ist.
Soweit diese Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des IV. und VIII. Senats des Bundesfinanzhofs abweicht, haben die betroffenen Senate der Abweichung zugestimmt. Von den Entscheidungen anderer Senate des Bundesfinanzhofs oder von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs weicht der erkennende X. Senat des Bundesfinanzhofs hingegen nicht ab.
Der VIII. Senat des Bundesfinanzhofs hat die Auffassung vertreten, die Unterbrechungswirkung ende, wenn der Insolvenzverwalter die Aufnahme des Verfahrens ablehne oder die streitige Forderung anerkenne9. Auf Anfrage des erkennenden X. Senats hat er indes erklärt, daran nicht mehr festzuhalten.
Auch der IV. Senat des Bundesfinanzhofs hat einer Abweichung von seinen Beschlüssen10 zugestimmt.
Der erkennende X. Senat weicht mit seiner Auffassung nicht von den im Beschluss des VIII. Senats des Bundesfinanzhofs11 genannten höchstrichterlichen Entscheidungen12 ab.
Der V. Senat des Bundesfinanzhofs hat in seinenm Beschluss in BFH/NV 2004, 349 lediglich den Gesetzeswortlaut wiedergegeben, wonach die Unterbrechung eines gerichtlichen Verfahrens durch ein Insolvenzverfahren solange dauere, bis es nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen oder das Insolvenzverfahren beendet werde. Im dortigen Streitfall hatte der Insolvenzverwalter die Aufnahme des Rechtsstreits abgelehnt, worauf der Schuldner –was durch § 85 Abs. 2 InsO ermöglicht wird– den Rechtsstreit aufgenommen hatte.
Dem BGH-Urteil in NJW-RR 2004, 48 lag gleichfalls ein Sachverhalt zugrunde, in dem nach Ablehnung der Aufnahme durch den Insolvenzverwalter der Schuldner selbst das Verfahren aufgenommen hatte.
Der erkennende X. Senat des Bundesfinanzhofs weicht auch nicht von dem in den Beschlüssen des IV. Senats in BFH/NV 2011, 649 und 650 zitierten Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 2. Februar 200513 ab.
Im dortigen Verfahren hatte das Berufungsgericht die beiden Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung rückständigen Mietzinses verurteilt und zudem eine Widerklage des Beklagten zu 2. auf Feststellung der Nichtigkeit des Mietvertrags abgewiesen. Hiergegen richteten sich die Nichtzulassungsbeschwerden beider Beklagten. Während des Rechtsmittelverfahrens wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beklagten zu 1. eröffnet. Der Insolvenzverwalter stellte die rechtshängige Forderung zur Tabelle fest. Der Bundesgerichtshof entschied über die Nichtzulassungsbeschwerde des –nicht vom Insolvenzverfahren betroffenen– Beklagten zu 2. und traf im Verfahren der Beklagten zu 1. eine Kostenentscheidung. Die hiergegen gerichtete Gegenvorstellung der Beklagten zu 1. wies der Bundesgerichtshof mit dem –allein veröffentlichten– Beschluss14 zurück.
Der Bundesgerichtshof begründete zunächst, dass er über die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten zu 2. habe entscheiden dürfen, weil insoweit die Insolvenzmasse der Beklagten zu 1. nicht berührt sei. Sodann führte er aus, mit der Eintragung in die Insolvenztabelle habe sich der Rechtsstreit der Beklagten zu 1. in der Hauptsache erledigt. Anschließend differenzierte er hinsichtlich der Unterbrechung des Verfahrens und der Zulässigkeit des Ergehens einer Kostenentscheidung wie folgt:
- Sei die gesamte frühere Hauptsache erledigt, werde die Kostenentscheidung als einzig verbliebene Streitposition selbst zur Hauptsache; die Unterbrechung nach § 240 ZPO dauere dann fort.
- Sei die Kostenentscheidung hingegen bloße Nebenentscheidung, weil ein Teil der früheren Hauptsache erhalten bleibe und nicht vom Insolvenzverfahren betroffen sei, dürfe die Kostenentscheidung ergehen, weil nach dem Wortlaut des § 249 Abs. 2 ZPO während der Unterbrechung nur Handlungen „in Ansehung der Hauptsache“ ohne rechtliche Wirkung seien.
Weil im Fall des Budnesgerichtshofs die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten zu 2. als –nicht vom Insolvenzverfahren betroffene– „Hauptsache“ anzusehen sei, dürfe die Kostenentscheidung als bloße Nebenentscheidung ungeachtet der Unterbrechung des Verfahrens ergehen, und zwar auch mit Wirkung für die Beklagte zu 1.
Unabhängig davon, ob der erkennende X. Senat des Bundesfinanzhofs den Ausführungen des Bundesgerichtshofs zu der zweiten von ihm gebildeten Fallgruppe folgen könnte, vertritt danach auch der Bundesgerichtshof für den Regelfall –der dadurch gekennzeichnet ist, dass auf Seiten des Schuldners keine weitere Person am Verfahren beteiligt ist– die Auffassung, dass die Unterbrechung fortdauert und während des Unterbrechungszustands keine Kostenentscheidung getroffen werden darf15.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 14. Mai 2013 – X B 134/12
- BFH, Beschlüsse vom 23.06.2008 – VIII B 12/08, BFH/NV 2008, 1691; vom 10.11.2010 – IV B 11/09, BFH/NV 2011, 649, und IV B 18/09, BFH/NV 2011, 65[↩]
- BFH, Beschluss vom 17.02.2004 – IV B 209/03, BFH/NV 2004, 966, unter 2.[↩]
- allgemeine Auffassung; vgl. Zöller/Greger, a.a.O., § 240 Rz 13; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 240 Rz 27; Gehrlein in Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Aufl., § 240 Rz 22, 31[↩]
- vgl. –statt aller– Zöller/Greger, a.a.O., § 240 Rz 15; Stein/Jonas/Roth, a.a.O., § 240 Rz 17[↩]
- vgl. BFH, Beschluss vom 10.11.2010 – IV B 11/09, BFH/NV 2011, 649, unter II.1.[↩]
- vgl. hierzu Kayser in Kreft, Heidelberger Kommentar zur InsO, 6. Aufl., § 85 Rz 59 und § 86 Rz 20[↩]
- so Bartone in seiner Anmerkung zur Entscheidung des Senats im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung im vorliegenden Sachverhalt, jurisPR-Steuerrecht 47/2012, Anm. 3, unter C.III.[↩]
- vgl. Zöller/Greger, a.a.O., § 240 Rz 1[↩]
- BFH, Beschluss vom 23.06.2008 – VIII B 12/08, BFH/NV 2008, 1691, unter I.a; zustimmend Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 74 FGO Rz 27; Thürmer in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 74 FGO Rz 135; a.A. FG Köln, Beschluss vom 25.06.2010 – 13 K 10/08, EFG 2010, 1909, unter II.b., rkr.; Büchter-Hole, EFG 2010, 1910[↩]
- BFH, Beschlüsse in BFH/NV 2011, 649; und vom 10.11.2010 – IV B 18/09, BFH/NV 2011, 650[↩]
- BFH, Beschluss in BFH/NV 2008, 1691[↩]
- BFH, Beschluss vom 20.10.2003 – V B 67/03, BFH/NV 2004, 349; BGH, Urteil vom 24.07.2003 – IX ZR 333/00, NJW-RR 2004, 48[↩]
- BGH, Beschluss vom 02.02.2005 – XII ZR 233/02, ZInsO 2005, 372[↩]
- BGH, ZInsO 2005, 372[↩]
- so auch ausdrücklich der im BGH-Beschluss in ZInsO 2005, 372 zitierte Beschluss des OLG Bamberg vom 13.04.2000 – 7 W 2, 3/00, OLG-Report Bamberg 2001, 255; ferner –mit ausführlicher und zutreffender Begründung– FG Köln, EFG 2010, 1909, unter II.a; Zöller/Greger, a.a.O., § 240 Rz 13[↩]