Feststellungsbescheid oder Insolvenzfeststellungsklage?

Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Steuerschuldners ist die Feststellung der vor Insolvenzeröffnung mit Einspruch und Klage angefochtenen und im Prüfungstermin vom Insolvenzverwalter bestrittenen Steuerforderung durch das Finanzamt nicht mit Feststellungsbescheid nach § 251 Abs. 3 AO, sondern nur durch Aufnahme des unterbrochenen Klageverfahrens zu betreiben. Das ursprüngliche Anfechtungsverfahren wandelt sich dabei in ein Insolvenzfeststellungsverfahren um, wodurch sich die Parteirollen der Beteiligten ändern.

Feststellungsbescheid oder Insolvenzfeststellungsklage?

Erlässt das Finanzamt gleichwohl einen Feststellungsbescheid, entfällt spätestens mit dessen Bestandskraft das für die Zulässigkeit des Insolvenzfeststellungsverfahrens erforderliche Feststellungsinteresse. Das Rechtsschutzinteresse kann auch noch nachträglich im Revisionsverfahren entfallen mit der Folge, dass das Urteil der Vorinstanz unrichtig und die Klage unzulässig wird.

Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Steuerschuldners ist die Feststellung der vor Insolvenzeröffnung mit einem Einspruch angefochtenen und im Prüfungstermin vom Insolvenzverwalter bestrittenen Steuerforderung nur durch Aufnahme des unterbrochenen Klageverfahrens zu betreiben1. Das ursprüngliche Anfechtungsverfahren hat sich durch die Aufnahme des Verfahrens durch das Finanzamt in ein Insolvenzfeststellungsverfahren gewandelt, wodurch sich die Parteirollen der Beteiligten geändert haben. Das Finanzamt tritt nunmehr als Klagepartei hinsichtlich des von ihm erhobenen Feststellungsantrags auf. Streitgegenstand ist dabei die Beseitigung des Widerspruchs durch Feststellung der im Prüfungstermin geltend gemachten Forderung zur Tabelle2.

Diese Feststellungsklage ist unzulässig geworden, da das gemäß § 41 Abs. 1 FGO erforderliche Feststellungsinteresse des Finanzamt spätestens mit Eintritt der Unanfechtbarkeit des erlassenen Feststellungsbescheides3 entfallen ist.

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Die Feststellungsklage ist gemäß § 41 Abs. 1 FGO nur zulässig, wenn der Kläger (hier: das Finanzamt) ein berechtigtes Interesse an baldiger Feststellung gegenüber dem Beklagten (hier: dem Insolvenzverwalter) hat4. Dieses Feststellungsinteresse ist eine besondere Erscheinungsform des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses5.

Ein gemäß § 251 Abs. 3 AO wirksam erlassener Bescheid enthält die Feststellung, dass der bestrittene Anspruch in der geltend gemachten Höhe besteht und i.S. von § 38 InsO begründet ist6. Festgestellte Steueransprüche werden von der rechtskraftähnlichen Wirkung des Tabelleneintrages i.S. von § 178 Abs. 3 InsO erfasst, so dass sie ohne Steuerbescheid durchgesetzt werden können. Wird der Feststellungsbescheid -wie hier- unanfechtbar, wirkt er in entsprechender Anwendung der Regelung in § 183 Abs. 1 InsO wie eine rechtskräftige Entscheidung gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen Insolvenzgläubigern7. Ein weitergehendes Feststellungsinteresse des Finanzamt besteht im vorliegenden Verfahren jedenfalls seit Eintritt der Unanfechtbarkeit des Feststellungsbescheides mit Bekanntgabe des BFH-Beschlusses vom 23.07.20158 nicht.

Das Feststellungsinteresse muss auch noch im Zeitpunkt der Entscheidung durch den BFH über die Revision vorliegen. Ob die Sachurteilsvoraussetzungen gegeben sind, muss der BFH von Amts wegen prüfen. Insoweit muss er auch neue Tatsachen, die sich auf Sachurteilsvoraussetzungen beziehen und damit für den Rechtsstreit in seiner Gesamtheit erheblich sind, feststellen und berücksichtigen9. Eine Unrichtigkeit des Finanzgericht, Urteils kann deshalb auch nachträglich noch während des Revisionsverfahrens durch Tatsachen eintreten, die den Fortgang des Verfahrens betreffen10. Eine solche Tatsache stellt die vom Revisionsgericht in jeder Lage des Verfahrens zu prüfende Sachentscheidungsvoraussetzung des fortbestehenden Rechtsschutzinteresses dar. Fällt das Rechtsschutzinteresse während des Revisionsverfahrens weg, entfällt diese Sachentscheidungsvoraussetzung auch für die Klage11. Da das Feststellungsinteresse nur eine besondere Erscheinungsform des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses ist12, gilt für den Fortfall des Feststellungsinteresses dasselbe.

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Bundesfinanzhof, Urteil vom 18. August 2015 – V R 39/14

  1. BFH, Urteile vom 23.02.2005 – VII R 63/03, BFHE 209, 23, BStBl II 2005, 591; vom 23.02.2010 – VII R 48/07, BFHE 228, 134, BStBl II 2010, 562, Rz 15, mit Nachweisen aus dem Schrifttum[]
  2. vgl. BFH, Urteil vom 13.11.2007 – VII R 61/06, BFHE 220, 289, BStBl II 2008, 790[]
  3. vorliegend durch BFH, Beschluss vom 23.07.2015 – VII B 132/14[]
  4. vgl. BFH, Urteile vom 30.03.2011 – XI R 5/09, BFH/NV 2011, 1724, Rz 16; vom 23.11.1993 – VII R 56/93, BFHE 173, 201, BStBl II 1994, 356, unter II. 1.c[]
  5. BFH, Urteil vom 11.12 2012 – VII R 69/11, BFH/NV 2013, 739, Rz 18[]
  6. BFH, Urteil vom 24.08.2004 – VIII R 14/02, BFHE 207, 10, BStBl II 2005, 246; Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 251 AO Rz 68[]
  7. BFH, Urteil vom 11.12 2013 – XI R 22/11, BFHE 244, 209, BStBl II 2014, 332, Rz 25[]
  8. BFH, Beschluss vom 23.07.2015 – VII B 132/14[]
  9. Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 118 FGO Rz 260, 265; Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 118 FGO Rz 92[]
  10. BFH, Urteil vom 08.03.1996 – VIII R 92/89, BFH/NV 1996, 776, unter II. 4.; Beschluss des Großen Bundesfinanzhofs des BFH vom 05.03.1979 – GrS 3/78, BFHE 127, 155, BStBl II 1979, 378, unter II. 5.a, Rz 33[]
  11. BFH, Urteil in BFH/NV 1996, 776, unter II. 4.[]
  12. BFH, Urteil in BFH/NV 2013, 739, Rz 18[]
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