Bei den richterlichen Hinweispflichten nach § 76 Abs. 2 FGO geht es weniger um die Sachaufklärung durch das Gericht als darum, Schutz und Hilfestellung für die Beteiligten zu geben, deren Eigenverantwortlichkeit dadurch aber nicht eingeschränkt oder beseitigt wird1.

Im vorliegenden Streitfall hat das Finanzgericht daher seine Hinweispflicht nicht dadurch verletzt, dass es trotz ausdrücklicher Bitte des Klägers unterlassen hat, seine schriftsätzlich kundgegebene vorläufige Rechtsauffassung zur regelmäßigen Arbeitsstätte (2013) respektive ersten Tätigkeitsstätte (2014 – 2017) in einem weiteren richterlichen Hinweis zu erläutern. Denn der auch erstinstanzlich fachkundig vertretene Kläger konnte aufgrund eines früheren Schreibens des Finanzgerichts erkennen, dass dieses nach damaliger Aktenlage davon ausging, der Kläger habe in den Räumen der Arbeitgeberin in den Streitjahren über eine regelmäßige Arbeitsstätte bzw. über eine erste Tätigkeitsstätte verfügt.
Die Hinweispflichten aus § 76 Abs. 2 FGO und das Gebot, rechtliches Gehör zu gewähren (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO), verpflichten das Gericht jedoch nicht dazu, die für die Entscheidung maßgeblichen Gesichtspunkte mit den Beteiligten umfassend zu erörtern, ihnen die einzelnen für die Entscheidung maßgebenden Gesichtspunkte oder die mögliche Beurteilung des Streitfalls im Voraus anzudeuten bzw. das Ergebnis einer Gesamtwürdigung einzelner Umstände offenzulegen2. Vielmehr sind sachkundig vertretene Beteiligte gehalten, bei umstrittener Rechtslage alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte von sich aus in Betracht zu ziehen und ihren Vortrag darauf einzurichten3.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 7. März 2023 – VI B 4/22
- BFH, Beschluss vom 20.09.2022 – VI B 1/22, Rz 14, m.w.N.[↩]
- BFH, Beschlüsse vom 25.05.2000 – VI B 100/00, BFH/NV 2000, 1235; und vom 20.05.2016 – III B 62/15, Rz 35, m.w.N.[↩]
- BFH, Beschluss vom 07.12.2006 – IX B 50/06, BFH/NV 2007, 1135, m.w.N.[↩]
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