Förmliche Zustellung – und das Zustelldatum auf dem Umschlag

Fehlt auf dem Umschlag der Vermerk über das Zustelldatum, liegt ein Zustellungsmangel vor, der zur Unwirksamkeit der Zustellung führt.

Förmliche Zustellung – und das Zustelldatum auf dem Umschlag

So ist auch in dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall dem Prozessbevollmächtigten des Klägers das angefochtene Urteil vom 23.04.2020 ausweislich der ordnungsgemäß unterschriebenen und an das Finanzgericht zurückgesandten Zustellungsurkunde am 02.05.2020 durch Einlegen in den zur Kanzlei gehörenden Briefkasten zugestellt worden (§ 53 Abs. 2 FGO i.V.m. § 176 Abs. 2, § 180 ZPO). Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat jedoch zutreffend darauf hingewiesen, dass auf dem von ihm zur Akte gereichten Umschlag des FG, Urteils das Zustelldatum nicht vermerkt ist (§ 180 Satz 3 ZPO).

Dieser Vermerk gehört zu den zwingenden Zustellungsvorschriften i.S. des § 189 ZPO. Fehlt der Vermerk, liegt ein Zustellungsmangel vor, der zur Unwirksamkeit der Zustellung führt1.

Das unter Verletzung von § 180 Satz 3 ZPO zugestellte Schriftstück gilt gemäß § 189 ZPO erst in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem es der Person, an die die Zustellung gerichtet war, tatsächlich zugegangen ist. Der tatsächliche Zugang i.S. des § 189 ZPO liegt in dem Zeitpunkt vor, in dem der Empfänger das zuzustellende Schriftstück in die Hand bekommt2.

Danach ist das angefochtene FG, Urteil dem Prozessbevollmächtigten des Klägers erst am 05.05.2020 tatsächlich zugegangen, so dass die Monatsfrist des § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO am 06.05.2020 zu laufen begann und mit Ablauf des 05.06.2020 endete.

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Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat das Fehlen des Zustellungsvermerks i.S. des § 180 Satz 3 ZPO durch Vorlage des Briefumschlags nachgewiesen. Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs bestehen keine Zweifel daran, dass es sich bei dem vorgelegten Briefumschlag um denjenigen handelt, in dem das angefochtene Urteil der Vorinstanz enthalten war. Dafür sprechen der Absenderstempel des Finanzgericht Köln sowie der handschriftliche Zusatz auf dem Umschlag „15 K 1151/19 GB vom 23.04.2020“.

Nach dem Vorbringen des Prozessbevollmächtigten des Klägers wurde das FG, Urteil erst am 05.05.2020 dem Kanzleibriefkasten entnommen, da die Kanzlei am 02.05.2020, einem Samstag, nicht besetzt war und die Kanzleimitarbeiter am 04.05.2020 pandemiebedingt im Homeoffice tätig waren. Anhaltspunkte dafür, dass diese Angaben unzutreffend wären, liegen nicht vor. Der Bundesfinanzhof geht daher von einem tatsächlichen Zugang des angefochtenen Urteils im Sinne eines „In-die-Hand-Bekommens“ beim Prozessbevollmächtigten am 05.05.2020 aus. Infolgedessen endete die Frist zur Einlegung der Revision erst mit Ablauf des 05.06.2020, so dass die am 04.06.2020 beim BFH eingegangene Revision fristgerecht eingelegt wurde.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 14. Dezember 2021 – VIII R 16/20

  1. vgl. BFH, Beschlüsse vom 15.05.2020 – IX B 119/19, BFH/NV 2020, 1104; und vom 19.01.2005 – II B 38/04, BFH/NV 2005, 900; BFH (GrS), Beschluss vom 06.05.2014 – GrS 2/13, BFHE 244, 536, BStBl II 2014, 645[]
  2. BFH (GrS), Beschluss in BFHE 244, 536, BStBl II 2014, 645, Rz 65[]
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