Förmlichkeiten im Gerichtsverfahren – und das Verhandlungsprotokoll

Die Beachtung der für die Verhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten kann nur durch das Protokoll bewiesen werden. Das gilt auch für Vorgänge, die für die Gewährung rechtlichen Gehörs entscheidend sind.

Förmlichkeiten im Gerichtsverfahren – und das Verhandlungsprotokoll

Nach § 94 FGO i.V.m. § 160 Abs. 2 ZPO sind die wesentlichen Vorgänge der Verhandlung in das Protokoll aufzunehmen. Die Beachtung der für die Verhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten kann nach § 94 FGO i.V.m. § 165 Satz 1 ZPO nur durch das Protokoll bewiesen werden. Gegen dessen Inhalt ist gemäß § 94 FGO i.V.m. § 165 Satz 2 ZPO nur der Nachweis der Fälschung zulässig. Solange dieser Nachweis nicht geführt und eine Protokollberichtigung nach § 94 FGO i.V.m. § 164 ZPO unterblieben ist, muss davon ausgegangen werden, dass der Inhalt des Protokolls sachlich zutrifft1. Ist ein wesentlicher Vorgang nicht in das Protokoll aufgenommen, ist der negative Beweis erbracht, dass er nicht stattgefunden hat2.

Im hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall enthält das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht zum Gegenstand der Erörterungen nur den folgenden Satz: „Die Sach- und Rechtslage wird mit den Erschienenen, auch unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme erörtert.“ Sollte die seitens der Klägerin behauptete Verweigerung der Diskussion ein wesentlicher Vorgang der Verhandlung i.S. des § 160 Abs. 2 ZPO sein, weil in ihm nämlich die Verweigerung rechtlichen Gehörs liegt, hätte er zusätzlich protokolliert werden müssen. Wurde er nicht protokolliert, erbringt dies den negativen Beweis, dass der Vorgang nicht stattgefunden hat. Sollte hingegen die behauptete Verhaltensweise des Vorsitzenden und des Berichterstatters kein wesentlicher Vorgang und deshalb, obwohl stattgefunden, zutreffend nicht protokolliert worden sein, dann kann dies nur deswegen gelten, weil die Erörterung in der ersten mündlichen Verhandlung eine ausreichende Gewährung rechtlichen Gehörs dargestellt hätte. Unter allen Annahmen ist die Gehörsrüge unbegründet.

Weiterlesen:
AdV vor dem Finanzgericht

Bundesfinanzhof, Beschluss vom 22. März 2023 – II B 26/22

  1. BFH, Beschluss vom 21.09.2011 – XI B 24/11, BFH/NV 2012, 277, Rz 8[]
  2. BFH, Beschluss vom 11.10.2016 – III B 21/16, BFH/NV 2017, 315, Rz 13[]

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