Der Formularzwang nach § 758a Abs. 6 ZPO i.V.m. §§ 1, 3 ZVFV gilt nicht für Anträge auf Erlass einer richterlichen Durchsuchungsanordnung im Verwaltungsvollstreckungsverfahren des Finanzamtes nach § 287 Abs. 4 AO.

In dem hier vom Bundesgerichtsohf entschiedenen Fall betreibt das Finanzamt M. wegen Steuerrückständen die Verwaltungsvollstreckung gegen die Schuldnerin.
Nachdem diese von dem Vollziehungsbeamten trotz Terminsetzung wiederholt nicht angetroffen worden war, hat das Finanzamt bei dem Amtsgericht als Vollstreckungsgericht den Erlass einer richterlichen Durchsuchungsanordnung für deren Wohnung beantragt. Dabei hat er sich nicht des Antragsformulars gemäß Anlage 1 zu § 1 ZVFV [1] bedient.
Das Amtsgericht Riesa hat den Antrag deswegen als formwidrig zurückgewiesen [2]. Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde blieb vor dem Landgericht Dresden ebenfalls ohne Erfolg [3]. Das Landgericht Dresden ist der Auffassung, das Amtsgericht habe von dem Gläubiger zu Recht die Verwendung der in § 1 ZVFV vorgesehenen Formulare verlangt. Nach § 287 Abs. 4 AO richte sich der Erlass der Durchsuchungsanordnung nach den Vorschriften der ZPO. Mithin müssten auch die Voraussetzungen des § 758a ZPO eingehalten werden. Nach § 758a Abs. 6 ZPO müsse der Antragsteller sich der nach § 758a Abs. 6 Satz 1 ZPO eingeführten Formulare bedienen. Nach §§ 1, 3 ZVFV seien Formulare für den Antrag nach § 758a Abs. 1 ZPO eingeführt und deren Nutzung für verbindlich erklärt worden. Aus dem Formular sei nicht zu ersehen, dass Behörden oder Finanzämter sich dieses Formulars nicht bedienen sollen.
Auf die Rechtsbeschwerde des Finanzamtes hob nun der Bundesgerichtshofdiese die Durchsuchungsanordnungen ablehnenden Entscheidungen auf:
Der Antrag auf Erlass der richterlichen Durchsuchungsanordnung kann nicht mit der vom Beschwerdegericht gegebenen Begründung, er sei nicht formgerecht eingereicht worden, als unzulässig zurückgewiesen werden.
Ein Antrag der Finanzverwaltung ist – wie der Bundesgerichtshof bereits mit Beschluss vom 06.02.2014 – VII ZB 37/13 entschieden hat , nicht bereits deshalb unzulässig, weil diese sich nicht des Formulars gemäß Anlage 1 zu § 1 der ZVFV bedient hat. Der Formularzwang nach § 758a Abs. 6 ZPO i.V.m. §§ 1, 3 ZVFV gilt nicht für Anträge auf Erlass einer richterlichen Durchsuchungsanordnung nach § 287 Abs. 4 AO [4].
§ 287 AO in der mit der Zweiten Zwangsvollstreckungsnovelle eingeführten Fassung sollte der Anpassung an den neu eingeführten § 758a ZPO dienen [5]. Er beinhaltet eine eigenständige, neben § 758a ZPO stehende Regelung der Wohnungsdurchsuchung im Rahmen der Verwaltungsvollstreckung nach der Abgabenordnung. Einen Verweis auf § 758a ZPO enthält § 287 AO, anders als beispielsweise § 6 JBeitrO, nicht. Während der Gesetzgeber in anderen vollstreckungsrechtlichen Regelungen der Abgabenordnung Verweise auf zivilprozessuale Vorschriften aufgenommen hat, z.B. §§ 262 bis 266 AO, §§ 295, 308, 309, 314, 316 AO sowie §§ 319 bis 322 AO, hat er im Rahmen des § 287 AO davon abgesehen. § 287 Abs. 4 Satz 3 AO regelt lediglich die Zuständigkeit der Amtsgerichte für den Erlass einer Durchsuchungsanordnung. Dies hat zur Folge, dass das Amtsgericht das Verfahrensrecht der Zivilprozessordnung, nicht hingegen das der Finanzgerichtsordnung anzuwenden hat [6]. Daraus ist jedoch mangels eines ausdrücklichen Verweises in § 287 AO nicht abzuleiten, dass die strenge Formvorschrift des § 758a Abs. 6 ZPO auch auf einen Antrag auf richterliche Anordnung einer Wohnungsdurchsuchung im Rahmen der Verwaltungsvollstreckung nach der Abgabenordnung anzuwenden ist.
Gegen eine Anwendbarkeit der §§ 1, 3 ZVFV auf Finanzbehörden spricht auch der in der Gesetzesbegründung zur Zwangsvollstreckungsformular-Verordnung zum Ausdruck kommende Wille des Verordnungsgebers sowie die äußere Gestaltung des Antragsformulars selbst. Die Gesetzesbegründung benennt die Durchsuchungsanordnung nach § 758a ZPO, nicht hingegen diejenige nach § 287 AO [7]. Das Antragsformular nach Anlage 1 zu § 1 ZVFV ist nicht auf einen Antrag der Finanzbehörden zugeschnitten. Auf Seite 1 des Formulars ist lediglich der Durchsuchungsbeschluss nach § 758a ZPO aufgeführt. Auf Seite 2 sind als Antragsteller nur „Herrn/Frau/Firma“, nicht hingegen Behörden genannt. Zudem enthält das Formular auf Seite 2 den vorgegebenen Textbaustein: „(…) der zuständige Gerichtsvollzieher (…)“. Eine Möglichkeit, stattdessen den Vollziehungsbeamten einzutragen, sieht das Formular nicht vor.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20. März 2014 – VII ZB 64/13
- Verordnung über Formulare für die Zwangsvollstreckung, Zwangsvollstreckungsformular-Verordnung – ZVFV, BGBl.2012 I S. 1822, 18241826[↩]
- AG Riesa, Beschluss vom 10.09.2013 – 6 M 293/13[↩]
- LG Dresden, Beschluss vom 11.11.2013 – 2 T 717/13[↩]
- so auch LG Köln, Beschluss vom 11.06.2013 – 34 T 134/13 6; LG Bochum, BeckRS 2013, 21840; a.A.: AG Leipzig, BeckRS 2013, 09671; AG Leipzig, Beschluss vom 28.08.2013 – 431 M 12863/13 9 ff.; Büttner, DGVZ 2013, 150 ff.[↩]
- BT-Drs. 13/9088, S. 25[↩]
- Zöller/Stöber, ZPO, 30. Aufl., § 758a Rn. 44[↩]
- BR-Drs. 326/12, S. 1[↩]
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