Gerichtsentscheidung vor Ablauf einer gesetzten Äußerungsfrist

Ergeht eine Gerichtsentscheidung vor Ablauf einer gesetzten Äußerungsfrist, verletzt dies den Anspruch der Partei auf rechtliches Gehör.

Gerichtsentscheidung vor Ablauf einer gesetzten Äußerungsfrist

Die Gerichte müssen selbst gesetzte Äußerungsfristen beachten und mit der Entscheidung bis zum Ablauf der Äußerungsfrist warten, auch wenn sie die Sache für entscheidungsreif halten1 oder innerhalb der Frist ein Schriftsatz eingegangen ist, die Frist aber noch nicht abgelaufen ist.

Hieran fehlt es im Streitfall: Das Finanzgericht hat die selbst gesetzte Äußerungsfrist nicht beachtet und trotz der dem Kläger eingeräumten Frist zur Stellungnahme bis zum 30.07.2014 ein Urteil vom 05.06.2014 erlassen, das dem Kläger bereits am 17.07.2014 zuging.

Im vorliegenden Fall hatte der Kläger at den Verfahrensfehler in der Nichtzulassungsbeschwerde auch ordnungsgemäß gerügt (§§ 115 Abs. 2 Nr. 3, 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Ausdrückliche Ausführungen dazu, was er bei ausreichender Gewährung des rechtlichen Gehörs noch vorgetragen hätte und dass die Entscheidung bei Berücksichtigung dieses Vorbringens anders hätte ausfallen können, waren nicht erforderlich, da die in der mündlichen Verhandlung vom 26.06.2014 ausweislich des Sitzungsprotokolls dem Kläger eingeräumte Frist zur weiteren Stellungnahme bis zum 30.07.2014 nicht auf bestimmte Streitpunkte beschränkt war. In einem solchen Fall gilt die Kausalitätsvermutung des § 119 Nr. 3 FGO einschränkungslos2.

Bundesfinanzhof, Beschluss vom 3. Februar 2015 – V B 101/14

  1. vgl. BVerfG, Beschluss vom 27.08.2003 – 1 BvR 1646/02 sowie BFH, Beschluss vom 28.10.2004 – V B 244/03, BFH/NV 2005, 376[]
  2. vgl. BFH, Beschluss vom 03.09.2001 – GrS 3/98, BFHE 196, 39, BStBl II 2001, 802; BFH, Beschlüsse vom 04.04.2003 – V B 242/02, BFH/NV 2003, 940; vom 24.01.2005 – VIII B 116/03, BFH/NV 2005, 1108; und vom 15.05.2009 – III B 99/08[]
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