Greifbare Gesetzeswidrigkeit?

Die Revision ist gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO auch dann zuzulassen, wenn ein Rechtsfehler des Finanzgerichts zu einer willkürlichen oder greifbar gesetzwidrigen Entscheidung geführt hat, die angefochtene Entscheidung mithin an einem qualifizierten Rechtsfehler leidet, der im allgemeinen Interesse einer Korrektur durch das Revisionsgericht bedarf.

Greifbare Gesetzeswidrigkeit?

Die Entscheidung des Finanzgericht muss dabei jedoch in einem solchen Maße fehlerhaft sein, dass das Vertrauen in die Rechtsprechung nur durch eine höchstrichterliche Korrektur der finanzgerichtlichen Entscheidung wiederhergestellt werden könnte1.

Greifbare Gesetzwidrigkeit ist anzunehmen, wenn das Finanzgericht eine offensichtlich einschlägige entscheidungserhebliche Vorschrift übersehen hat2 oder sein Urteil jeglicher gesetzlichen Grundlage entbehrt bzw. auf einer offensichtlich Wortlaut und Gesetzeszweck widersprechenden Gesetzesauslegung beruht3.

Eine Entscheidung ist dann (objektiv) willkürlich, wenn die fehlerhafte Rechtsanwendung bei verständiger Würdigung nicht mehr verständlich ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht4. Von Willkür kann dagegen nicht gesprochen werden, wenn das Gericht sich mit der Rechtslage eingehend auseinandergesetzt hat und seine Auffassung nicht jedes sachlichen Grundes entbehrt5.

Unterhalb dieser Schwelle liegende, auch erhebliche Rechtsfehler reichen nicht aus, um eine greifbare Gesetzwidrigkeit oder gar eine Willkürlichkeit der angefochtenen Entscheidung anzunehmen6. Als unzutreffend behauptete Würdigungen und Wertungen des Finanzgericht beinhalten keine greifbare Gesetzwidrigkeit oder Willkürlichkeit der angefochtenen Entscheidung.

Weiterlesen:
Die im ersten Rechtsgang ergangene Entscheidung des Bundesfinanzhofs - und ihre Bindungswirkung

Bundesfinanzhof, Beschluss vom 9. Februar 2017 – VI B 58/16

  1. ständige Rechtsprechung, z.B. BFH, Beschlüsse vom 14.05.2013 – X B 184/12, BFH/NV 2013, 1257; und vom 19.10.2012 – III B 40/12, BFH/NV 2013, 222[]
  2. vgl. BFH, Beschluss vom 28.07.2003 – V B 72/02, BFH/NV 2003, 1597[]
  3. z.B. BFH, Beschlüsse vom 08.02.2006 – III B 128/04, BFH/NV 2006, 1116; und vom 25.02.2009 – X B 121/08, BFH/NV 2009, 890[]
  4. z.B. BFH, Beschlüsse in BFH/NV 2006, 1116, und in BFH/NV 2009, 890[]
  5. z.B. BFH, Beschlüsse vom 30.08.2001 – IV B 79, 80/01, BFHE 196, 30, BStBl II 2001, 837; und vom 19.02.2009 – XI B 68/08, BFH/NV 2009, 975; vgl. auch Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts -BVerfG- vom 03.11.1992 1 BvR 1243/88, BVerfGE 87, 273, 278 f.; vom 26.05.1993 1 BvR 208/93, BVerfGE 89, 1, 13 f., und BVerfG, Urteil vom 08.07.1997 1 BvR 1934/93, BVerfGE 96, 189, 203[]
  6. vgl. zusammenfassend BFH, Beschluss vom 16.05.2012 – IV B 48/11, BFH/NV 2012, 1462, Rz 20, m.w.N.[]