Haftungsbescheid, andauernde strafrechtliche Ermittlungen – und die Untätigkeitsklage

Ist über einen Einspruch ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage ausnahmsweise auch ohne vorherigen Abschluss des Vorverfahrens zulässig, § 46 FGO. Eine solche Untätigkeitsklage kann nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit Einlegung des Einspruchs erhoben werden, es sei denn, dass wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Dies gilt auch dann, wenn das Finanzamt wegen der noch nicht abgeschlossenen strafrechtlichen Ermittlungen noch keine Einspruchsentscheidung erlassen hat.

Haftungsbescheid, andauernde strafrechtliche Ermittlungen – und die Untätigkeitsklage

Der Hinweis des Finanzamtes auf die noch nicht abgeschlossenen strafrechtlichen Ermittlungen kann die Verzögerung nicht rechtfertigen. Denn von einem zureichenden Grund für eine Verzögerung –dem im Streitfall einzig streitigen Tatbestandsmerkmal der Regelung– kann nur dann die Rede sein, wenn die (Sach-)Entscheidung von dem die Erledigung verzögernden (noch ausstehenden) Umstand abhängt bzw. dieser Umstand tatsächlich eine wesentliche (Mit-)Ursache für die ausbleibende Entscheidung ist1. Daran fehlt es hier. Die Frage, ob der Haftungsbescheid formell rechtswirksam ergangen ist, wird durch das Ergebnis strafrechtlicher Ermittlungen nicht beeinflusst. Das Finanzamt kann insoweit nicht mit Erfolg darauf verweisen, dass es je nach dem Ergebnis dieser Ermittlungen auch zu einer Aufhebung des Haftungsbescheids aus „materiellen Gründen“ kommen könne und es dann unerheblich sei, auf die formellen Einwendungen einzugehen. Dem Anspruch des Steuerpflichtigen auf möglichst zeitnahen Rechtsschutz2 ist im Streitfall nur entsprochen, wenn über seinen Einwand der formellen Unwirksamkeit des Haftungsbescheids ohne Verzögerung entschieden wird, was wiederum ein (weiteres) Zuwarten auf neue Erkenntnisse zum Haftungsgrund entbehrlich macht.

Weiterlesen:
Teil-Einspruchsentscheidung - und ihre gerichtliche Überprüfung

Bundesfinanzhof, Urteil vom 25. Juli 2012 – I R 74/11

  1. siehe VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 26.11.2010 – 4 S 2071/10, NVwZ-RR 2011, 224[]
  2. s. Steinhauff in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 46 FGO Rz 136[]