Verdeckte Bareinlagen führen nicht allein deshalb zu Hinzuschätzungen von Betriebseinnahmen bei einer Kapitalgesellschaft, weil die Mittelherkunft beim Gesellschafter nicht aufklärbar ist.

In dem hier vom Finanzgericht Münster entschiedenen Fall betrieb eine GmbH einen Großhandel und tätigte hierbei auch Barumsätze. Im Rahmen einer Betriebsprüfung stellte das Finanzamt zum einen Aufzeichnungsmängel bei der Führung der offenen Ladenkasse der GmbH fest. Zum anderen hatte der Alleingesellschafter Bareinlagen in die Kasse getätigt. Diese stammten nach dessen eigenen Angaben aus ihm persönlich gewährten Darlehen von verschiedenen Darlehensgebern und aus im Privatvermögen vorhandenen Barrücklagen aus nicht versteuerten Silberverkäufen in den neunziger Jahren. Die Betriebsprüfung führte unter Auswertung der privaten Konten des Alleingesellschafters und seiner Ehefrau Bargeldverkehrsrechnungen durch, die auch die Finanzierung privater Reihenhäuser berücksichtigte. Diese führten zu Höchstfehlbeträgen, die das Finanzamt als Mehreinnahmen der GmbH und zugleich als verdeckte Gewinnausschüttungen an den Alleingesellschafter behandelte.
Die hiergegen von der GmbH erhobene Klage hatte vor dem Finanzgericht Münster teilweise Erfolg:
Die beim Gesellschafter durchgeführten Bargeldverkehrsrechnungen begründeten keine Schätzungsbefugnis auf Ebene der GmbH. Grundsätzlich sei eine Bargeldverkehrsrechnung zwar eine geeignete Verprobungsmethode. Hieraus könne aber nicht zwangsläufig die Schlussfolgerung gezogen werden, dass eine Kapitalgesellschaft bei ungeklärten Vermögenszuwächsen ihres Gesellschafters nicht erfasste Betriebseinnahmen erzielt habe. Selbst wenn man unterstelle, dass die ungeklärten Vermögenszuwächse durch betriebliche Aktivitäten erzielt worden waren, sei es ebenso gut möglich, dass der Gesellschafter die Einnahmen im Rahmen von Eigengeschäften erzielt habe und nicht im Namen und auf Rechnung der Gesellschaft. Aus dem Umstand, dass der Gesellschafter die Herkunft der bei ihm festgestellten ungeklärten Vermögenszuwächse nicht aufkläre, könnten keine nachteiligen Schlüsse für die Kapitalgesellschaft gezogen werden. Auch aus der durch die verdeckten Einlagen hergestellten Verbindung zur GmbH könne nicht gefolgert werden, dass diese selbst weitere Betriebseinnahmen erzielt habe. Nach Auffassung des Finanzgerichts Münster hat allerdings dem Grunde nach eine Schätzungsbefugnis wegen der nicht ordnungsgemäßen Kassenführung bestanden. Die Hinzuschätzungen seien allerdings auf einen (Un-)Sicherheitszuschlag in Höhe von 1, 5 % der von der GmbH getätigten Gesamtumsätze, nicht nur der Barumsätze, zu begrenzen. Die Ergebnisse der Bargeldverkehrsrechnungen seien nicht in die Berechnung der Hinzuschätzungen einzubeziehen.
Nach dem Urteil des Finanzgerichts war das Finanzamt berechtigt, Mehrerlöse bei dieser nach § 162 AO zu schätzen (Eröffnung der Schätzungsbefugnis).
Nach § 162 AO hat die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, soweit sie diese nicht ermitteln oder berechnen kann. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind. Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann, wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen der Besteuerung nicht nach § 158 AO zugrunde gelegt werden können, weil sie insbesondere den Vorschriften der §§ 140 bis 148 AO nicht entsprechen, oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der vom Steuerpflichtigen gemachten Angaben zu steuerpflichtigen Einnahmen oder Betriebsvermögensmehrungen bestehen, § 162 Abs. 2 AO.
Entgegen der Auffassung des Finanzamtes eröffnen die von der Betriebsprüfung durchgeführten Geldverkehrsrechnungen keine Schätzungsbefugnis. Zwar stellt die Bargeldverkehrsrechnung im Grundsatz eine geeignete Verprobungsmethode dar, um die sachliche Richtigkeit auch einer formell ordnungsgemäßen Buchführung zu prüfen und ggf. ungeklärte Einnahmen aufzudecken. Es handelt sich hierbei um eine Ausgaben-Deckungsrechnung, in der die Barausgaben des Steuerpflichtigen seinen bekannten Barmittel gegenübergestellt werden, die ihm zur Verfügung standen, um seine Lebenshaltungskosten (private Geldanlage, privater Konsum) zu bestreiten. Soweit der Steuerpflichtige höhere Barausgaben tätigt, als ihm aus den bekannten und vorhandenen Mitteln möglich ist, muss er den Unterdeckungsbetrag zwangsläufig aus anderen Quellen bezogen haben. Dem Steuerpflichtigen obliegt es dann im Rahmen seiner Mitwirkungspflichten, darzulegen und nachzuweisen, dass diese ungeklärten weiteren Geldmittel nicht aus bislang nicht erfassten Betriebseinnahmen, sondern aus anderen steuerlich nicht relevanten Quellen stammen. Andernfalls ist der Schluss auf solche bislang nicht erfassten Betriebseinnahmen gerechtfertigt1.
Diese Grundsätze sind aber auf Fälle, bei denen nicht bei der Kapitalgesellschaft selbst, sondern beim Gesellschafter-Geschäftsführer – etwa aufgrund einer bei diesem durchgeführten Bargeldverkehrsrechnung – ungeklärte Vermögenszuwächse festgestellt werden, nicht ohne weiteres übertragbar. Nach der Rechtsprechung des BFH kann in dieser Konstellation alleine aufgrund der beim Gesellschafter-Geschäftsführer festgestellten ungeklärten Vermögenszuwächse nicht die Schlussfolgerung gezogen werden, dass die Kapitalgesellschaft entsprechende bislang nicht erfasste Betriebseinnahmen erzielt hat2. Selbst wenn man unterstellt, dass die ungeklärten Vermögenszuwächse durch betriebliche Aktivitäten erzielt wurden, würde die vorgenannte Schlussfolgerung nämlich voraussetzen, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer die entsprechenden Beträge im Namen und auf Rechnung der Kapitalgesellschaft vereinnahmt hat. Das ist aber regelmäßig nicht die einzig denkbare Sachverhaltsverwirklichung. Vielmehr ist es regelmäßig ebenso gut möglich, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer die Einnahmen im Rahmen von Eigengeschäften erzielt hat, an denen er durch sein Amt als Geschäftsführer nicht gehindert ist. Insbesondere wenn er bereits zuvor in derselben Branche tätig war (etwa in einer Vorgängerfirma in Form eines Einzelunternehmens), ist es nicht von vornherein unwahrscheinlich, dass er auch in eigener Person über die erforderlichen einschlägigen Geschäftskontakte und Erfahrungen verfügt hat, um ihm persönlich angetragene Geschäfte in eigenem Namen und für eigene Rechnung zu ergreifen und durchzuführen. Hinzu kommt, dass daraus, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer die Herkunft der bei ihm festgestellten ungeklärten Vermögenszuwächse nicht aufklärt und dadurch seine steuerlichen Mitwirkungspflichten verletzt, regelmäßig keine nachteiligen Schlüsse zu Lasten der Kapitalgesellschaft gezogen werden können. Die Mitwirkungspflichtverletzung ist dem Gesellschafter-Geschäftsführer vielmehr regelmäßig (nur) in seiner Person anzulasten. Das ist nach der Rechtsprechung des BFH eine Folge der prinzipiellen Trennung der Besteuerung der Kapitalgesellschaft von jener ihrer Gesellschafter. Aus einer fehlenden Aufklärung bezüglich der Mittelherkunft kann daher regelmäßig (nur) die für ihn selbst nachteilige Schlussfolgerung gezogen werden, dass er persönlich entsprechende bislang steuerlich nicht erfasste Einnahmen aus Eigengeschäften erzielt hat3.
Dem folgend können die von der Betriebsprüfung vorgenommenen Bargeldverkehrsrechnungen bei der GmbH im Streitfall keinen eigenständigen Schätzungsgrund begründen. Daher kann dahinstehen, ob die Bargeldverkehrsrechnungen im Ergebnis Bestand haben und wie die von der GmbH gegen sie erhobenen Einwendungen bzw. ihre eigenen im Rahmen der Betriebsprüfung eingereichten Berechnungen zu beurteilen sind bzw. ob die GmbH durch ihren Geschäftsführer einer eventuell bestehenden Mitwirkungspflicht ausreichend nachgekommen ist.
Denn vorliegend handelt es sich um Bargeldverkehrsrechnungen, welche die Betriebsprüfung nicht bei der GmbH selbst, sondern beim Gesellschafter-Geschäftsführer der GmbH, dem A durchgeführt hat. Die Betriebsprüfung hat die Bargeldbewegungen auf den Bankkonten des A und seiner Ehefrau, die von ihnen verausgabten Barzahlungen und ihren geschätzten in bar verausgabten Lebensbedarf ausgewertet. Die hierbei von der Betriebsprüfung festgestellten Unterdeckungen könnten – soweit die Bargeldverkehrsrechnung bei einer Überprüfung und angesichts der Einwendungen der GmbH Bestand hat – möglicherweise die Schlussfolgerung zulassen, dass der A selbst durch eine gewerbliche Tätigkeit bislang nicht erfasste Betriebseinnahmen erzielt hat, soweit er die Unterdeckungen bzw. die Herkunft der ungeklärten entsprechenden Barmittel nicht hinreichend aufgeklärt hat. Sie rechtfertigen jedoch nicht den von dem Finanzamt gezogenen Schluss darauf, dass die GmbH durch ihre Tätigkeit bislang nicht erfasste Betriebseinnahmen erzielt hat. Eine fehlende Aufklärung der Unterdeckungen ist nach der o.g. Rechtsprechung des BFH allenfalls dem A selbst in seiner Person, nicht aber der GmbH anzulasten. Entgegen der Auffassung des Finanzamtes ist es auch nicht zwingend, dass möglicherweise nicht erfasste Betriebseinnahmen ausschließlich durch die GmbH erzielt worden sein können. Auch wenn der A gegenüber dem Finanzamt nicht offen mit einer eigenen gewerblichen Tätigkeit in Erscheinung getreten ist, erscheint es doch möglich, dass er neben seiner Tätigkeit für die GmbH selbst in eigener Person „schwarze“ Einkünfte aus von ihm getätigten ähnlichen oder auch anderweitigen Geschäften erzielt hat. Dies erscheint insbesondere auch angesichts des eigenen Vorbringens der GmbH zu früheren nicht versteuerten Geschäften des A mit sog. Kontaktsilber im Streitfall nicht als völlig ungewöhnlicher bzw. nicht als von vornherein unwahrscheinlicher Sachverhalt.
Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung des Finanzamtes auch nicht aus dem Umstand, dass A als Gesellschafter-Geschäftsführer der GmbH erhebliche Barbeträge in Form von verdeckten Einlagen zugewandt hat. In der Rechtsprechung ist noch nicht geklärt, ob die o.g. Grundsätze dann nicht gelten, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer eine Verbindung zwischen den Verantwortungssphären der Kapitalgesellschaft und ihm selbst dadurch hergestellt hat, dass er aus seinem Privatbereich herrührende Geldmittel im Wege von verdeckten Einlagen in die Kapitalgesellschaft geleistet hat und die Herkunft der Geldmittel bei ihm – dem Gesellschafter-Geschäftsführer – nicht aufklärbar ist. In der finanzgerichtlichen Rechtsprechung wurde diese Frage aufgeworfen und hierzu auf die Rechtsprechung des BFH zu ungeklärten Einlagen auf betrieblichen Bankkonten Bezug genommen. Im Ergebnis wurde die Frage dort dann offen gelassen4. Das Finanzgericht hält jedoch auch in dieser Frage die o.g. Grundsätze für anwendbar. Er ist der Auffassung, dass daraus, dass nicht aufgeklärt wird, woher der Gesellschafter-Geschäftsführer die von ihm aus seinem Privatbereich der Kapitalgesellschaft im Wege von verdeckten Einlagen zugewandten Mittel erhalten hat, regelmäßig nicht gefolgert werden kann, dass die Kapitalgesellschaft zusätzliche Betriebseinnahmen in Höhe der verdeckten Einlagen erzielt hat. Vielmehr erscheint regelmäßig auch hier möglich, dass statt der Kapitalgesellschaft der Gesellschafter-Geschäftsführer selbst bislang nicht erklärte Betriebseinnahmen erzielt hat. Des Weiteren würde andernfalls auch hier die Mitwirkungspflicht der Kapitalgesellschaft auf den Vermögensbereich des Gesellschafter-Geschäftsführers erstreckt. Die fehlende Aufklärung der Herkunft von beim Gesellschafter-Geschäftsführer festgestellter ungeklärter Vermögenszuwächse kann nach Auffassung des Finanzgerichts vielmehr regelmäßig nur diesem in seiner Person angelastet werden und bei ihm zu entsprechenden Schlussfolgerungen führen. Es ist daher nach der Auffassung des Finanzgerichts im Streitfall nicht möglich, aus den bei A vorhandenen ungeklärten Vermögenszuwächsen, welche er im Wege von verdeckten Einlagen der GmbH zugewandt hat, auf zusätzliche Betriebseinnahmen zu schließen, welche auf eine Tätigkeit des A“für“ die GmbH zurückzuführen sind.
Es bestand aber dem Grunde nach eine Schätzungsbefugnis nach § 162 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 AO. Denn die Gewinnermittlungen der GmbH sind nicht nach § 158 AO der Besteuerung zugrunde zu legen.
Grundsätzlich sind die Buchführung und die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen, die den Vorschriften der §§ 140 bis 148 AO entsprechen, der Besteuerung zugrunde zu legen, soweit nach den Umständen des Einzelfalls kein Anlass besteht, ihre sachliche Richtigkeit zu beanstanden. Für die Prüfung der formellen Ordnungsmäßigkeit der Buchführung ist das Gesamtbild aller Umstände des Einzelfalls maßgebend5. Formelle Buchführungsmängel berechtigen nur zur Schätzung, soweit sie Anlass geben, die sachliche Richtigkeit des Buchführungsergebnisses anzuzweifeln6. Ob im Einzelfall nur unwesentliche formelle Buchführungsmängel vorliegen, unterliegt den Regeln der freien Beweiswürdigung. Jedenfalls dann, wenn vorwiegend Bargeschäfte getätigt werden, können Mängel der Kassenführung der gesamten Buchführung die Ordnungsmäßigkeit nehmen7.
Ausgehend von diesen Maßstäben entspricht die Buchführung der GmbH nicht den Vorgaben der §§ 140 ff. AO.
Nach ständiger Rechtsprechung erfordert eine ordnungsgemäße Buchführung, dass sämtliche Geschäftsvorfälle nach der zeitlichen Reihenfolge und mit ihrem richtigen und erkennbaren Inhalt festgehalten werden. Kasseneinnahmen und Kassenausgaben sollen täglich festgehalten werden (§ 146 Abs. 1 Satz 2 AO in der für die Streitjahre geltenden Fassung). Für die Bargeschäfte werden dabei an den Begriff „zeitgerecht“ höhere Anforderungen gestellt als für die übrige Buchführung. Hierdurch wird versucht, im sensiblen Bereich der Abwicklung von Vorgängen, die Bewegungen von Bargeld einschließen, ein dichtes Kontrollgefüge einzurichten8.
Das danach täglich zu führende Kassenbuch gehört zu den wesentlichen Grundbüchern eines Unternehmens. Die Vorgänge im Zusammenhang mit der Bewegung von Bargeld bedürfen aufgrund der erheblichen Manipulationsgefahren eines dichten Kontrollgefüges. Die Anforderungen an ein solches Kontrollgefüge sind dabei an die Art und Weise der Kassenführung anzupassen9.
Werden die Bareinnahmen in einer sog. offenen Ladenkasse erfasst, erfordert dies einen täglichen Kassenbericht, über den die tatsächlich in bar getätigten Einnahmen und Ausgaben dokumentiert werden und der auf der Grundlage eines tatsächlichen Auszählens der Bareinnahmen erstellt worden ist. Durch den Kassenbericht werden danach die baren Tageseinnahmen (sog. Tageslosung) unter Rückrechnung des ausgezählten Kassenendbestandes ermittelt (sog. retrograde Berechnung). Dabei ist kein „Zählprotokoll“ erforderlich. Erforderlich aber auch ausreichend ist ein Kassenbericht, der auf der Grundlage eines tatsächlichen Auszählens erstellt worden ist10. Dieser muss im Fall einer offenen Ladenkasse so beschaffen sein, dass es einem Buchsachverständigen zumindest am Beginn und am Ende jedes Geschäftstages möglich ist, den durch Kassensturz festgestellten Ist-Bestand anhand der Kassenaufzeichnungen zu überprüfen11. Ermöglichen die Kassenaufzeichnungen einen solchen Vergleich des Soll-Bestands laut Aufzeichnungen mit dem Ist-Bestand der Kasse nicht, fehlt es jedenfalls insoweit an der formellen Ordnungsmäßigkeit der Buchführung12.
Diese Grundsätze galten trotz der Ausgestaltung des § 146 Abs. 1 Satz 2 AO als Soll-Vorschrift auch für die Streitjahre. Denn auch wenn hierdurch zum Ausdruck kommt, dass eine tägliche Aufzeichnung nicht in jedem Falle zwingend erforderlich ist13, muss die Entwicklung des Kassenbestandes zweifelsfrei rekonstruierbar sein14, um so die Kassensturzfähigkeit zu gewährleisten.
Darüber hinaus verlangt § 147 Abs. 1 AO (in der in den Streitjahren geltenden Fassung) die geordnete Aufbewahrung von Unterlagen. Diese Aufbewahrungspflicht ist akzessorisch und setzt eine Aufzeichnungspflicht voraus15. Die Aufbewahrung von Einnahmeursprungsaufzeichnungen ist nicht erforderlich, wenn deren Inhalt unmittelbar nach Auszählung der Tageskasse in das in Form aneinandergereihter Tageskassenberichte geführte Kassenbuch übertragen wird16. Das Fehlen täglicher Protokolle über das Auszählen einer offenen Ladenkasse steht in seinen Auswirkungen auf die Beurteilung der formellen Ordnungsmäßigkeit der Buchführung und der Eröffnung der Schätzungsbefugnis dem Fehlen von Tagesendsummenbons bei einer Registrierkasse bzw. dem Fehlen der Programmierprotokolle sowie weiterer Organisationsunterlagen der Registrierkasse gleich. In allen drei Fällen lässt der formelle Mangel zwar keinen sicheren Schluss auf die Verkürzung von Einnahmen zu. Gleichwohl gibt es systembedingt keine Gewähr mehr für die Vollständigkeit der Erfassung der Bareinnahmen, ohne dass eine nachträgliche Ergänzung der Dokumentation bzw. eine anderweitige Heilung des Mangels möglich wäre17. Maßgeblich für eine Hinzuschätzung ist somit, dass die Verletzung der formellen Ordnungsmäßigkeit der Kassenführung dazu führt, dass keine Gewähr mehr für die Vollständigkeit der Erfassung der Bareinnahmen geboten wird18. Eine zusätzliche Feststellung materieller Buchführungsmängel ist in solchen Fällen für die Begründung einer Schätzungsbefugnis nicht erforderlich17.
Unter Anwendung dieser Grundsätze weist die (Kassen-)Buchführung der GmbH so erhebliche Mängel aus, dass der Anschein der Richtigkeit und die Vollständigkeit der ermittelten Werte nach Ansicht des Finanzgerichts maßgeblich erschüttert ist und das Finanzamt zu einer Schätzung befugt war.
Die GmbH hat für die von ihr in den Streitjahren geführte offene Ladenkasse keine Kassenberichte vorlegen können.
Vom Finanzgericht kann insoweit unentschieden bleiben, ob die von der GmbH behaupteten Aufzeichnungen in den sog. Blöcken den Anforderungen an einen formellen Kassenbericht genügt hätten, denn diese Blöcke sind nach übereinstimmender Aussage der GmbH und der Zeugin B entsorgt worden und konnten bereits im Rahmen der Betriebsprüfung nicht mehr vorgelegt werden.
Soweit von der GmbH in der mündlichen Verhandlung auszugsweise sog. „Quittungsblöcke“ vorgelegt worden sind, handelt es sich hierbei ebenfalls nicht um Kassenberichte im formellen Sinne. Denn in diesen Quittungsblöcken sind zwar die einzelnen Barausgaben eines Geschäftstages dokumentiert worden. Allerdings enthielten diese keine Aufzeichnungen über die Bareinnahmen, Bareinlagen sowie die Barentnahmen des jeweiligen Geschäftstages. Auch ist darin nicht der tatsächlich ausgezählte Kassenendbestand bei Geschäftsschluss dokumentiert worden. Ein Abgleich des täglichen Kassenend- mit dem Anfangsbestand unter Abzug der in die Kasse geleisteten Bareinlagen und unter Hinzurechnung der aus der Kasse entnommenen Barmittel war auf der Grundlage dieser Aufzeichnungen nicht möglich.
Ebenso wenig erfüllt der von der GmbH im vorliegenden Verfahren auszugsweise vorgelegte Auszug des Datev-Kontos 1000 (Kasse) vom 27.01.2010 die Anforderungen an den täglichen Kassenbericht. Denn auch wenn sich aus diesem Auszug sowohl der tägliche Anfangs- und Endbestand des Kassenkontos sowie die Ein- und Ausgänge in bzw. aus der Kasse ergeben, handelt es sich insoweit lediglich um rein buchhalterische Bestandsermittlung des Kassenkontos, ohne dass der ausgewiesene Kassenendbestand aufgrund einer tatsächlichen Auszählung am Ende des Geschäftstages ermittelt worden ist.
Die GmbH hat für die Streitjahre auch kein ordnungsgemäßes Kassenbuch geführt.
Grundsätzlich ist es dem Buchführungspflichtigen frei gestellt, ob er ein Kassenbuch manuell oder mit Hilfe eines PCs erstellt. In beiden Fällen hat er die Grundsätze der zeitgerechten und geordneten Erfassung von Bareinnahmen zu beachten. Auch bei der Kassenführung mit Hilfe des PCs müssen daher die notwendigen Eingaben zeitgerecht i.S.d. § 146 Abs. 1 S. 2 AO erfolgen. Zudem ist bei der Erfassung mittels EDV-Systems eine tägliche Festschreibung der eingegebenen Daten erforderlich, d.h., eine Buchung oder Aufzeichnung darf nicht so verändert werden, dass der ursprüngliche Inhalt nicht mehr feststellbar ist (§ 146 Abs. 4 AO).
Entgegen der Auffassung der GmbH erfüllt im Streitfall die Buchführung der GmbH in Form des Datev-Kontos 1000 (Kasse) nicht die Anforderungen an ein (elektronisch geführtes) Kassenbuch. Die vorgenannte Buchführung der GmbH ist bereits nicht hinreichend zeitgerecht geführt worden. Die Auswertung der dem Gericht übersandten Buchführungsunterlagen haben insoweit die Feststellungen der Betriebsprüfung bestätigt. Danach stimmen das Beleg-/Buchungsdatum der einzelnen Geschäftsvorfälle und das Erfassungsdatum in der Buchführung überwiegend nicht überein, sondern die Buchungen auf dem Kassenkonto sind von der GmbH mit zum Teil erheblichen Verzögerungen vorgenommen worden. Dass die Buchungen der Barbewegungen auf das o.g. Datev-Konto 1000 (Kasse) nicht täglich erfolgten, ergibt sich zudem aus der Aussage der Zeugin B. Diese hat bekundet, sie habe die Buchungen in der Regel dreimal in der Woche anhand der im Kassenbüro befindlichen Unterlagen vorgenommen. Das Finanzgericht hält die Aussage der Zeugin für glaubhaft und legt sie so zugrunde.
Des Weiteren geht das Finanzgericht davon aus, dass es an der Unveränderbarkeit der auf dem o.g. Datev-Konto 1000 (Kasse) vorgenommenen Buchungen gefehlt hat, welche aber für ein elektronisch geführtes Kassenbuch erforderlich gewesen wären. Bei einer elektronischen Buchführung muss diese bzw. müssen die Datenträger gegen nachträgliche Einschiebungen, Veränderungen oder Löschungen gesichert werden und das Buchführungsprogramm Sicherungen und Sperren enthalten, die verhindern, dass einmal eingegebene Daten unsichtbar geändert werden können (sog. Festschreibung). Eine solche Festschreibung wäre auch die Voraussetzung, dass das Datev-Konto 1000 (Kasse) überhaupt als etwaiges elektronisches Kassenbuch in Frage kommen könnte. Auf der Grundlage der eingereichten Buchführungsunterlagen kann das Finanzgericht jedoch nicht feststellen, dass die von der B in der Buchführung eingegebenen Werte zu irgendeinem Zeitpunkt tatsächlich festgeschrieben worden sind. So enthält die Spalte „Festschreibung“ in den vorliegenden Unterlagen über die Buchführung der GmbH keine (Datums-)Angaben. Auch die Zeugin B hat bekundet, sie kenne zwar den Begriff der Festschreibung nicht. Jedoch sei es so gewesen, dass sie im laufenden Monat und bis zur Übergabe der Daten an den Steuerberater die von ihr eingegebenen Buchungen noch habe verändern oder löschen können. Das Finanzgericht hält auch diese Aussage der Zeugin für glaubhaft und legt sie so zugrunde. Er geht angesichts dessen davon aus, dass es jedenfalls im laufenden Monat nicht zu einer Festschreibung der auf dem Datev-Konto 1000 (Kasse) vorgenommenen Buchungen gekommen ist.
Auch die GmbH selbst hat in ihrem Schriftsatz vom 27.04.2022 ausgeführt, dass aus den vorhandenen Buchführungsdaten hervorgeht, dass das dort für die Buchungen auf dem Datev-Konto 1000 (Kasse) gespeicherte bzw. angezeigte Erfassungsdatum nur zu einem Teil innerhalb der ersten drei Tage nach dem jeweiligen Bargeldgeschäft und zu erheblichen Teilen innerhalb eines Zeitraums von vier bis zehn Tagen bzw. mehr als zehn Tagen nach dem Bargeldgeschäft lag. Zwar hat die GmbH zugleich ausgeführt, sie habe Zweifel an der korrekten Erfassung der Beleg- und Erfassungsdaten durch das verwendete Buchführungsprogramm. Diese Zweifel hat sie in ihrem vorgenannten Schriftsatz auch näher ausgeführt. Hierzu hat sie Beweis angeboten durch Einholung eines durch das Gericht zu benennenden Sachverständigen. Das Finanzgericht sieht jedoch keine Veranlassung, diesem Beweisangebot bzw. Beweisantrag nachzukommen. Es kommt nämlich für die Entscheidung des vorliegenden Verfahrens nicht auf die von der GmbH unter Beweis gestellte Tatsache an. Auch wenn das von der GmbH verwendete Buchführungsprogramm die Beleg- und Erfassungsdaten tatsächlich – wie die GmbH unter Anführung der vorgenannten Zweifel geltend macht – nicht korrekt erfasst hat, liegt weiterhin kein ordnungsgemäßes Kassenbuch vor. Die Buchführungsdaten des Datev-Kontos 1000 (Kasse) könnten gerade auch bzw. erst recht in dem Fall, dass das Buchführungsprogramm die Beleg- und Erfassungsdaten nicht korrekt erfasst hat, kein solches Kassenbuch darstellen. Ein ordnungsgemäßes Kassenbuch kann allenfalls eine solche Buchführung eines Kassenkontos darstellen, auf dem die Bargeldbewegungen hinreichend zeitgerecht erfasst und jeweils ebenfalls hinreichend zeitgerecht festgeschrieben worden sind und bei dem das Buchführungsprogramm die Beleg- und Erfassungsdaten korrekt erfasst hat. Ein Buchführungsprogramm, welches die Beleg- und Erfassungsdaten nicht korrekt erfasst, kann demgegenüber von vornherein nicht zu einem ordnungsgemäßen Kassenbuch führen.
Angesichts der Ausführungen der Zeugin B zur Frage der Festschreibung der von ihr vorgenommenen Buchungen kommt in Frage, dass es möglicherweise weder durch sie im Buchführungsprogramm noch später beim Steuerberater zu einer Festschreibung der gesamten Buchführung der GmbH gekommen ist.
Das würde dazu passen, dass in den vom Gerichtsprüfer ausgewerteten Unterlagen über die Buchführung der GmbH die Spalte „Festschreibung“ keine (Datums-)Angaben enthält. Die EDV-gestützte Buchführung der GmbH würde dann insgesamt nicht die Anforderungen des § 146 Abs. 4 AO erfüllen. Letztlich kann das Finanzgericht das jedoch nach dem ihm vorliegenden Erkenntnissen nicht mit der hinreichenden Sicherheit feststellen. Angesichts der im Streitfall jedenfalls nicht ordnungsgemäßen Kassenführung kann dies nach seiner Auffassung auch dahinstehen.
Entgegen der Auffassung der GmbH kann diese für sich im Hinblick auf die Handhabung ihrer Buchführung keinen Vertrauensschutz beanspruchen. Insbesondere kann sie sich nicht nach dem Grundsatz von Treu und Glauben darauf berufen, dass in der vorhergehenden Betriebsprüfung die Handhabung der Buchführung, insbesondere die Entsorgung der sog. Blöcke durch die Zeugin B, nicht beanstandet worden sei.
Die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben setzt eine besondere Vertrauenssituation zwischen dem Steuerpflichtigen und dem Finanzamt voraus. Ein solcher Vertrauenstatbestand besteht in einem bestimmten Verhalten des einen Teils, aufgrund dessen der andere bei objektiver Beurteilung annehmen kann, jener werde an seiner Position oder seinem Verhalten konsequent und auf Dauer festhalten. Diese Vertrauenssituation kann grundsätzlich nur durch die Erteilung einer verbindlichen Zusage oder Auskunft geschaffen werden19. Allein aus einer früheren, aufgrund von Außenprüfungen vorgenommenen (irrigen) Beurteilung bzw. rechtswidrigen Sachbehandlung, die in mehreren Betriebsprüfungs nicht beanstandet worden ist, kann unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Abschnittsbesteuerung daher keine Bindung des Finanzamtes für die Zukunft hergeleitet werden20.
Im Streitfall sieht das Finanzgericht keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass zu Gunsten der GmbH ein entsprechender Vertrauenstatbestand seitens des Finanzamtes gesetzt worden ist. Insbesondere lässt sich hierfür aus dem in der Betriebsprüfung-Akte befindlichen Prüfungsbericht für die Jahre 2005 bis 2007 nichts herleiten. Zwar ist im Rahmen der vorhergehenden Betriebsprüfung die Ordnungsmäßigkeit der Kassenführung ausdrücklich festgestellt worden. Allein diese Feststellung für die Jahre 2005 bis 2007 vermochte aber nach dem o.g. Grundsatz des Abschnittsbesteuerung zugunsten der GmbH keinen Vertrauenstatbestand auch für die Streitjahre zu begründen. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass es sich hierbei um mehr als um eine bloße Nichtbeanstandung der seinerzeitigen Kassenführung durch die seinerzeitige Betriebsprüfung handelte. Auch wenn diese möglicherweise rechtsirrig gewesen ist, begründete dies keinen Vertrauenstatbestand für eine etwaige zukünftige Sachbehandlung des Sachverhalts. Zudem sind aus dem Prüfungsbericht die vorliegend für die Streitjahre in Rede stehenden Einzelheiten der Kassenführung durch die GmbH nicht ersichtlich. Insbesondere kommt es für die vorliegend zu treffende Beurteilung für die Streitjahre nach den o.g. Ausführungen nicht darauf an, dass die sog. Blöcke bei der GmbH weggeworfen wurden, sondern vielmehr darauf, dass diese für ihre offene Ladenkasse kein ordnungsgemäßes Kassenbuch und keine ordnungsgemäßen Kassenberichte geführt bzw. vorgelegt hat.
Die Schätzungen des Finanzamtes für die Streitjahre 2009, 2010 und 2012 sind der Höhe nach rechtswidrig. Dagegen ist das Ergebnis der Schätzung des Finanzamtes für das Streitjahr 2011 nicht zu beanstanden.
Ziel einer jeden Schätzung gem. § 162 AO ist der Ansatz derjenigen Besteuerungsgrundlagen, die die größtmögliche Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit für sich haben21. Daher sind im Rahmen einer Schätzung gem. § 162 Abs. 1 Satz 2 AO alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind. Schätzungsergebnisse müssen insgesamt schlüssig, wirtschaftlich möglich und vernünftig sein22. Das Schätzungsergebnis muss insgesamt plausibel sein23. Deshalb sind alle möglichen Anhaltspunkte, u.a. auch das Vorbringen des Steuerpflichtigen oder eine an sich fehlerhafte Buchführung, zu beachten und alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um im Rahmen des der Finanzbehörde (bzw. dem Gericht) Zumutbaren die Besteuerungsgrundlagen wenigstens teilweise zu ermitteln. Auf der anderen Seite ist aber auch das Maß der Verletzung der dem Steuerpflichtigen obliegenden Mitwirkungspflichten zu berücksichtigen. Deshalb ist es gerechtfertigt, bei einer Pflichtverletzung des Steuerpflichtigen, insbesondere bei einer nicht ordnungsgemäßen Buchführung, einen Sicherheitszuschlag vorzunehmen. Der Sicherheitszuschlag lässt sich dabei als eine griffweise Schätzung, die in einem vernünftigen Verhältnis zu den erklärten oder nicht erklärten Einnahmen stehen muss, charakterisieren24.
Der Schätzungsrahmen ist umso größer, je ungesicherter das Tatsachenmaterial ist, auf dem die Schätzung beruht. Die Vernachlässigung der Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen bei der Sachaufklärung darf – wie die Rechtsprechung wiederholt betont hat – nicht dazu führen, dass der Nachlässige einen Vorteil gegenüber demjenigen erzielt, der seine steuerlichen Pflichten ordnungsgemäß erfüllt. Es gilt das Verbot der Prämierung von Mitwirkungspflichtverletzungen. Die Schätzungsungewissheit darf nicht dazu führen, nur den Betrag anzunehmen, der auch im ungünstigsten Fall als sicher vereinnahmt angesehen werden kann. Im Interesse der Gleichmäßigkeit der Besteuerung muss ein Steuerpflichtiger, der Anlass zur Schätzung gibt, es vielmehr hinnehmen, dass die im Wesen jeder Schätzung liegende Unsicherheit oder Fehlertoleranz gegen ihn ausschlägt und das Finanzamt bzw. das Finanzgericht im Rahmen seines Schätzungsspielraums je nach Einzelfall bei steuererhöhenden Besteuerungsgrundlagen an der oberen, bei steuermindernden Besteuerungsgrundlagen an der unteren Grenze bleibt25. Anders als bei der Überprüfung von Ermessensentscheidungen (§ 102 FGO) ist die Schätzung des Finanzamts im Klageverfahren in vollem Umfang nachprüfbar26.
Im Streitfall sieht das Finanzgericht den (Un-)Sicherheitszuschlag als geeignete Hinzuschätzungsmethode an. Eine Möglichkeit der Hinzuschätzung mittels anderer Hinzuschätzungsmethoden als der des griffweisen/pauschalen (Un-)Sicherheitszuschlags ist nicht ersichtlich. Insbesondere scheidet im Streitfall eine Hinzuschätzung mittels Richtsatzsammlung mangels geeigneter Vergleichsdaten für das Gewerbe der GmbH aus. In Wahrnehmung seiner eigenen Schätzungsbefugnis (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) sieht das Finanzgericht bei der gebotenen Berücksichtigung der Gesamtumstände des Einzelfalls im Streitfall grundsätzlich einen (Un-)Sicherheitszuschlag in Höhe von 1,5 % (abgerundet auf volle tausend Euro) der von der GmbH getätigten Gesamtumsätze in den Jahren 2009 bis 2012 für gerechtfertigt an.
Das Finanzgericht verkennt im Rahmen seiner Schätzungskompetenz nicht, dass es, im Gegensatz zu den bisher – soweit ersichtlich – von der Rechtsprechung in Zusammenhang mit (Un-)Sicherheitszuschlägen entschiedenen Fällen, im vorliegenden Verfahren insoweit um einen abweichenden Sachverhalt handelt, als die GmbH ausweislich der vorliegenden Gewinnermittlungen in allen vier Streitjahren nur in geringfügigem Umfang Bareinnahmen erzielt hat und die Ladenkasse überwiegend dazu diente, die Ankaufspreise für den von Privatkunden abgegebenen „Waren“ in bar zu bezahlen. Dennoch sieht das Finanzgericht es gerade auch im Hinblick darauf, dass die vorliegende Art der Kassenführung als anfällig für Schwarzeinnahmen anzusehen ist, als gerechtfertigt an, als Bemessungsgrundlage für den Sicherheitszuschlag die gesamten (baren und unbaren) von der GmbH in ihren Gewinnermittlungen erklärten Betriebseinnahmen heranzuziehen. Dabei hat das Finanzgericht auch die erheblichen Mängel in der Kassenbuchführung miteinbezogen. Ebenfalls hat das Finanzgericht auch berücksichtigt, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer A im erheblichen Umfang Bareinlagen in die Gesellschaft geleistet hat. Auch wenn diese im Zusammenhang mit der Bargeldverkehrsrechnung beim Gesellschafter-Geschäftsführer im vorliegenden Fall keine Bedeutung haben, stellen diese Bareinlagen im Zusammenhang mit der Bemessung der vorliegenden (Un-)Sicherheitszuschläge nach Ansicht des Finanzgerichts einen Anhaltspunkt dafür dar, dass eine Einnahmeverkürzung bei der GmbH durchaus möglich erscheint.
Die Hinzuschätzungen von (Un-)Sicherheitszuschlägen in der vorgenannten Höhe sieht das Finanzgericht auch der Höhe nach als angemessen an. Dabei ist zwar einerseits zu berücksichtigen, dass die GmbH in den Streitjahren ursprünglich deutlich niedrigere Gewinne als die nach der Betriebsprüfung ermittelten Beträge erklärt hat. Jedoch ist im Rahmen der Bestimmung eines angemessenen und zutreffenden Sicherheitszuschlags nach Auffassung des Finanzgerichts zu Lasten der GmbH zu berücksichtigen, dass im Streitfall wegen der gravierenden formellen Mängeln, insbesondere im Hinblick auf die fehlenden Kassenberichte in allen Streitjahren bzw. des nicht ordnungsgemäß geführten Kassenbuchs, keine Feststellung dahingehend möglich ist, dass die ursprünglich erklärten niedrigeren Gewinne der GmbH tatsächlich richtig sind. Weiterhin hat das Finanzgericht miteinbezogen, dass die in den ursprünglichen Gewinnermittlungen erklärten Betriebsausgaben im wesentlichen sog. Fixkosten sind, die im Veranlassungszusammenhang mit den durch die GmbH bereits erklärten Umsatzerlösen entstanden sein dürften und die sich deshalb durch die tatsächliche Erzielung weiterer, bisher nicht erklärter Umsatzerlöse nicht exponentiell erhöht haben dürften.
Anhaltspunkte dafür, dass die vom Gericht zugrunde gelegten Einnahmen von der GmbH wirtschaftlich nicht erzielbar gewesen sein könnten, kann das Finanzgericht nicht erkennen.
Im Übrigen konnte das Finanzgericht es dahinstehen lassen, ob die die als (Un-)Sicherheitszuschläge zu beurteilenden Hinzuschätzungen für die Körperschaftsteuer möglicherweise nicht zu einer vGA, sondern (lediglich) zu nicht abziehbaren Betriebsausgaben i.S.v. § 160 AO führen27. Denn diese rechtliche Einordnung ist für das vorliegende Klageverfahren unerheblich. Für die Ebene der GmbH ist es ohne Bedeutung, ob eine entsprechende Gewinnerhöhung auf vGA oder nicht abziehbaren Betriebsausgaben beruht.
Finanzgericht Münster, Urteil vom 18. Mai 2022 – 10 K 261/17 K – U
- vgl. etwa BFH, Urteile vom 28.01.2009 – X R 20/05, BFH/N 2009, 912; vom 25.07.1991 – XI R 27/89, BFH/NV 1991, 796; Brinkmann, Schätzungen um Steuerrecht, 4. Aufl.2017, unter 3.09.8[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 26.02.2003 I R 52/02, BFH/NV 2003, 1221; Beschluss vom 18.06.2003 – I B 178/02, BFH/NV 2003, 1450[↩]
- vgl. zum Vorstehenden BFH, Urteil in BFH/NV 2013, 1221; BFH, Beschluss in BFH/NV 2003, 1450; Gosch, 4. Aufl.2020, § 8 FinanzgerichttG Rz 509[↩]
- vgl. FG Köln, Urteil vom 26.07.2002 – 13 K 2889/02, EFG 2003, 6, mit Verweis auf BFH, Urteil vom 15.02.1989 – X R 16/86, BStBl II 1989, 462; BFH, Beschluss vom 04.12.2001 – III B 76/01, BFH/NV 2002, 476; siehe hierzu auch Neu, EFG 2003, 6 ff.[↩]
- BFH, Urteil vom 14.12.2011, – XI R 5/10, BFH/NV 2012, 1921[↩]
- vgl. BFH, Urteile vom 17.11.1981, – VIII R 174/77, BStBl II 1982, 430; vom 26.10.1994, – X R 114/92, BFH/NV 1995, 373; vom 07.06.2000, – III R 82/97, BFH/NV 2000, 1462; vom 14.12.2011, – XI R 5/10, BFH/NV 2012, 1921; BFH, Beschluss vom 14.08.2018, – XI B 2/18, BFH/NV 2019, 1[↩]
- BFH, Urteile vom 25.03.2015, – X R 20/13, BStBl II 2015, 743; vom 14.12.2011, – XI R 5/10, BFH/NV 2012, 1921; BFH, Beschluss vom 12.07.2017, – X B 16/17, BFH/NV 2017, 1204[↩]
- vgl. Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 146 AO Rz 27, m.w.N.[↩]
- BFH, Urteil vom 20.03.2017, – X R 11/16, BStBl II 2017, 992, Rz. 37[↩]
- BFH, Beschluss vom 16.12.2016, – X B 41/16, BFH/NV 2017, 310, Rz. 25 f., m. w. N.[↩]
- BFH, Urteil vom 31.07.1974, – I R 216/72, BStBl II 1975, 96, unter 1.[↩]
- BFH, Urteil vom 20.03.2017, – X R 11/16, BStBl II 2017, 992, Rz. 41[↩]
- BT-Drs. 7/4292, 30[↩]
- so auch Görke in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 146 AO Rz 29[↩]
- vgl. Tipke/Kruse § 147 AO Tz. 1[↩]
- BFH, Urteile vom 26.02.2004 – XI R 25/02, BStBl II 2004, 599; vom 13.07.1971 – VIII R 1/65, BStBl II 1971, 729; Beschluss vom 23.12.2004 – III B 14/04, BFH/NV 2005, 667[↩]
- BFH, Urteil vom 25.03.2015, – X R 20/13, BStBl II 2015, 743[↩][↩]
- BFH, Beschluss vom 14.08.2018, – XI B 2/18, BFH/NV 2019, 1[↩]
- st. Rspr. vgl. u. a. BFH, Urteil vom 11.10.1988 – VIII R 419/83, BStBl II 1989, 284[↩]
- vgl. u.a. BFH, Urteil vom 07.10.2010 V R 17/09, zitiert in juris[↩]
- vgl. BFH, Urteile vom 31.08.1967 – V 241/64, BStBl III 1967, 686: vom 18.12.1984 – VIII R 195/82, BStBl II 1986, 226[↩]
- BFH, Urteil vom 19.01.1993 – VIII R 128/84, BStBl II 1993, 594[↩]
- BFH, Beschluss vom 26.10.199 – I B 20/95, BFH/NV 1996, 378[↩]
- BFH, Urteil vom 15.04.2015 – VIII R 49/12, StuB 2015, 604 m.w.N.[↩]
- Seer, in Tipke/Kruse AO/FGO Kommentar, § 162 AO Rz. 44, 45 mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl II 2004, 171[↩]
- vgl. hierzu BFH, Urteil vom 09.08.2000 – I R 82/99, GmbHR 2001, 208; Beschluss vom 02.06.2006 – I B 41/05, BFH/NV 2006, 1687, jeweils zu (Un-)Sicherheitszuschlägen aufgrund von Mängeln der Kassenführung[↩]
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