Die Festsetzung von Aussetzungszinsen kommt nicht in Betracht, solange ein Klageverfahren gegen einen Grundlagenbescheid nicht endgültig abgeschlossen ist, auch wenn der Steuerpflichtige selbst nicht Kläger, sondern Beigeladener ist.

Gemäß § 237 Abs. 1 Satz 1 AO entstehen Aussetzungszinsen, wenn der förmliche außergerichtliche Rechtsbehelf oder die Anfechtungsklage, deretwegen der angefochtene Bescheid ausgesetzt ist, endgültig keinen Erfolg gehabt hat. Der Wortlaut des § 237 Abs. 1 Satz 1 AO setzt voraus, dass ein Einspruch oder eine Anfechtungsklage gegen einen Steuerbescheid, eine Steueranmeldung oder einen Verwaltungsakt, der einen Steuervergütungsbescheid aufhebt oder ändert, oder gegen eine Einspruchsentscheidung über einen dieser Verwaltungsakte endgültig keinen Erfolg gehabt hat. Dies gilt entsprechend, wenn –wie im Streitfall– nach Einlegung eines förmlichen Rechtsbehelfs gegen einen Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10 AO) oder eine Rechtsbehelfsentscheidung über einen Grundlagenbescheid die Vollziehung eines Folgebescheids ausgesetzt wurde (§ 237 Abs. 1 Satz 2 AO).
Ob ein Rechtsbehelf Erfolg hatte oder nicht, bemisst sich nach dem Verfahrensgegenstand und dem konkretisierten Rechtsbehelfsbegehren und ist unabhängig von der verfahrenstechnischen Art der Erledigung. „Endgültig keinen Erfolg gehabt“ hat der Rechtsbehelf insbesondere dann, wenn er durch unanfechtbare Entscheidung abgewiesen, vom Rechtsbehelfsführer zurückgenommen oder eingeschränkt worden ist, wenn mithin das Finanzamt dem Begehren, den festgesetzten Steuerbetrag herabzusetzen, im Ergebnis nicht abhilft, gleich, aus welchem Grunde1.
Bei der Anfechtung eines Grundlagenbescheids ist es ausreichend, dass überhaupt ein (zulässiger) Rechtsbehelf gegen den Grundlagenbescheid geführt werde, sofern der Beigeladene im Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung über den Zinsbescheid notwendig zum Verfahren gegen den Grundlagenbescheid beigeladen worden ist.
Zum einen zwingt der Wortlaut des § 237 Abs. 1 AO nicht zu dem Schluss, die Vorschrift erfordere, dass gerade der Einspruch oder die Anfechtungsklage desjenigen Steuerpflichtigen, dem AdV bewilligt worden ist, endgültig keinen Erfolg gehabt hat. Die Regelung setzt lediglich voraus, dass überhaupt ein Einspruch oder eine Anfechtungsklage endgültig keinen Erfolg gehabt hat.
Zum andern sprechen für eine solche Auslegung des § 237 AO sowohl der Zweck der Norm als auch die Besonderheit der gesonderten und einheitlichen Gewinnfeststellung.
Nach herrschender Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum bildet § 237 AO das Gegenstück zu § 236 AO und soll verhindern, dass außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren und Steuerprozesse ohne ernsthafte Erfolgschancen geführt werden, nur um die Fälligkeit hinauszuschieben2. Dem Steuerpflichtigen sollen die Zinsvorteile aus der unberechtigt in Anspruch genommenen Aussetzung genommen werden. Für die Regelung des § 236 AO hat der BFH bereits entschieden, dass Prozesszinsen auch der Feststellungsbeteiligte erhält, dessen Einkommensteuerfestsetzung aufgrund der gerichtlichen Anfechtung eines Grundlagenbescheids durch einen früheren Mitgesellschafter einer Kommanditgesellschaft geändert wird, selbst wenn er nicht Beteiligter im Verfahren gegen den Grundlagenbescheid war3. Begründet hat der Bundesfinanzhbof diese Auffassung damit, die verfahrensrechtliche Symmetrie („Waffengleichheit“) gebiete es, Feststellungsbeteiligten Prozesszinsen zuzuerkennen, die von der gerichtlichen Anfechtung eines Grundlagenbescheids durch einen früheren Mitgesellschafter profitieren. Die AdV eines Grundlagenbescheids hemme dessen Vollziehbarkeit insgesamt. Bleibe ein gegen einen Grundlagenbescheid gerichtetes Rechtsbehelfs- oder Klageverfahren endgültig erfolglos, seien Aussetzungszinsen somit auch von den Steuerpflichtigen zu erheben, die den Grundlagenbescheid nicht angefochten hätten.
Überträgt man diesen Gedanken auf den hier zu beurteilenden Fall, so kommt die Festsetzung von Aussetzungszinsen nicht in Betracht, solange ein Rechtsbehelfsverfahren gegen den Grundlagenbescheid –auch wenn ein solches nicht vom Beigeladene selbst betrieben wird– nicht endgültig abgeschlossen ist. Denn erst danach kann beurteilt werden, ob der Rechtsbehelf endgültig erfolglos geblieben ist.
Diese Auslegung gebietet auch der Zweck der gesonderten und einheitlichen Feststellung. Nach ständiger Rechtsprechung enthält der einheitliche Feststellungsbescheid lediglich einen Verwaltungsakt, nicht aber –wie zusammengefasste Steuerbescheide– ein Bündel von Bescheiden; es handelt sich daher um eine notwendig einheitliche Feststellung gegenüber allen Feststellungsbeteiligten4. Über die Rechtmäßigkeit des Bescheids kann deshalb nur einheitlich und gleichzeitig entschieden werden, weshalb klagebefugte, jedoch nicht selbst klagende Feststellungsbeteiligte notwendig zu einem Rechtsbehelfsverfahren hinzuzuziehen oder im Klageverfahren beizuladen sind5. Dieses Gebot der Einheitlichkeit (§ 179 Abs. 2 AO) hat zur Folge, dass sich das Ergebnis eines derartigen Klageverfahrens auch auf Feststellungsbeteiligte auswirken muss, die das Klageverfahren selbst nicht betrieben haben. Für den Streitfall weist das Finanzgericht daher zutreffend darauf hin, dass der Beigeladene aufgrund seiner Stellung als notwendig Beigeladener unmittelbar profitieren würde, sollte das Klageverfahren der GbR Erfolg haben. Die wegen der Änderung der Feststellungsbescheide nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO vorzunehmende Korrektur der für die Beigeladenen ergangenen Einkommensteuerbescheide wäre insoweit ein unmittelbarer Ausfluss des Klageverfahrens und steht einer Anwendung des § 237 Abs. 1 AO entgegen.
Die Stellung als notwendig Beigeladener zu dem von den verbliebenen Gesellschaftern der GbR betriebenen Verfahren widerstreitet dem nicht. Zwar kann der notwendig Beigeladene über den Streitgegenstand selbst nicht verfügen und demgemäß weder eine Rücknahme der Klage noch eine Erledigung der Hauptsache verhindern6. Jedoch hat der (einfach oder notwendig) Beigeladene im Übrigen alle Rechte eines Verfahrensbeteiligten und kann innerhalb der Anträge der Beteiligten selbständig Angriffs- und Verteidigungsmittel geltend machen, wobei der notwendig Beigeladene sogar abweichende Sachanträge stellen kann7. Entscheidend ist aber, dass das rechtskräftige Urteil gegenüber dem notwendig Beigeladenen unmittelbare Wirkung entfaltet8.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 10. Oktober 2012 – VIII R 56/10
- ständige Rechtsprechung, vgl. BFH, Urteil vom 31.08.2011 – X R 49/09, BFHE 235, 107, BStBl II 2012, 219, m.w.N.[↩]
- vgl. statt aller Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 237 AO Rz 6, m.w.N.[↩]
- BFH, Urteil vom 17.01.2007 – X R 19/06, BFHE 216, 396, BStBl II 2007, 506[↩]
- BFH, Urteil vom 27.04.1993 – VIII R 27/92, BFHE 171, 392, BStBl II 1994, 3, m.w.N.[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 171, 392, BStBl II 1994, 3[↩]
- vgl. Gräber/Levedag, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 60 Rz 143, m.w.N.; Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 60 FGO Rz 100 ff., m.w.N.[↩]
- vgl. Gräber/Levedag, a.a.O., § 60 Rz 141 f.[↩]
- vgl. Brandis in Tipke/Kruse, a.a.O., § 60 FGO Rz 106 f.[↩]