Ein Unternehmen, dessen Leistungen in Konkurrenz zu Leistungen eines als gemeinnützig anerkannten Vereins stehen, kann unter bestimmten Voraussetzungen vom Finanzamt Auskunft darüber verlangen, mit welchem Steuersatz die von dem Verein aus entsprechenden Tätigkeiten erzielten Umsätze besteuert worden sind.

In einem jetzt vom Finanzgericht Münster entschiedenen Fall hatte die Klägerin, die gewerbsmäßig Blutkonserven, Blutproben und Organe transportiert, Anlass zu der Annahme, dass der als gemeinnützig anerkannte Verein, der Vergleichbares tut, seine Transportleistungen lediglich mit dem ermäßigten Umsatzsteuersatz abrechnet und versteuert. Darin sah die Klägerin eine Wettbewerbsverzerrung. Zur Vorbereitung einer Konkurrentenklage wegen dieser nach ihrer Ansicht unzutreffenden Besteuerung des Vereins verlangte die Klägerin vom Finanzamt Auskunft darüber, wie die Transportumsätze des Vereins in den Streitjahren 2004 und 2005 besteuert worden waren.
Das Finanzgericht Münster gab der Auskunftsklage statt: Ein Steuerpflichtiger habe einen Auskunftsanspruch hinsichtlich der Besteuerung des Konkurrenten, wenn er zweierlei substantiiert und glaubhaft darlegt:
- Zum einen, dass er durch eine aufgrund von Tatsachen zu vermutende oder zumindest nicht mit hinreichender Sicherheit auszuschließende unzutreffende Besteuerung eines Konkurrenten konkret belegbare Wettbewerbsnachteile erleidet;
- und zum anderen, dass er gegen die Steuerbehörde mit Aussicht auf Erfolg eine Konkurrentenklage erheben kann.
Das Steuergeheimnis steht diesem Auskunftsanspruch nach Ansicht des Finanzgerichts Münster nicht entgegen. Im Streitfall liege es nahe, dass die Transportleistungen des Vereins mit dem ermäßigten Steuersatz besteuert worden seien. Dies sei möglicherweise unzutreffend. Es könne jedenfalls nicht ausgeschlossen werden, dass der Verein seine Transportleistungen nicht im Rahmen eines begünstigten Zweckbetriebes (§ 65 AO, § 12 Abs. 2 Nr. 8a UStG) erbracht habe, da zwischen dem Verein und der Klägerin eine steuerschädliche Konkurrenzsituation bestanden habe. Es sei auch nachvollziehbar, dass die Klägerin durch eine Besteuerung des Vereins mit dem ermäßigten Steuersatz Wettbewerbsnachteile erleide. Nutzer der Transportleistungen seien im Wesentlichen nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Einrichtungen.
Zwar würden in der Regel die Rechte eines Steuerpflichtigen nicht dadurch verletzt, dass ein anderer Steuerpflichtiger zu niedrig besteuert werde. Anders sei dies allerdings, wenn die zu niedrige Besteuerung gegen eine Norm verstoße, die zumindest auch dem Schutz der Interessen Dritter dienen solle. Die im Streitfall möglicherweise einschlägige Regelung des § 65 Nr. 3 AO solle steuerlich nicht begünstigte Betriebe – wie die Klägerin – davor schützen, dass Mitbewerber, die aufgrund ihrer Zweckbestimmung grundsätzlich steuerlich begünstigt seien, auch bezüglich von ihnen getätigter Umsätze steuerlich begünstigt würden, die gerade nicht der Erfüllung ihrer die Steuerbegünstigung begründenden Zweckbestimmung dienten.
Grundlage für den geltend gemachten Auskunftsanspruch ist nach Ansicht des Finanzgerichts Münster nicht die Abgabenordnung, weil diese einen diesbezüglichen Anspruch nicht regelt, sondern das Rechtsstaatsprinzip in Verbindung mit dem Grundrecht auf Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG1. Danach hat ein Steuerpflichtiger einen verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch hinsichtlich der Besteuerung des Konkurrenten, wenn er substantiiert und glaubhaft darlegt, durch eine aufgrund von Tatsachen zu vermutende oder zumindest nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auszuschließende unzutreffende Besteuerung eines Konkurrenten konkret feststellbare, durch Tatsachen belegte Wettbewerbsnachteile zu erleiden und gegen die Steuerbehörde mit Aussicht auf Erfolg ein subjektives öffentliches Recht auf steuerlichen Drittschutz geltend machen zu können. Dann darf die Auskunft erteilt werden, wenn die Konkurrentenklage nicht offensichtlich unzulässig wäre. Die Auskunftserteilung setzt nicht die Feststellung voraus, dass dem die Auskunft begehrenden Antragsteller die von ihm behaupteten Rechte tatsächlich zustehen, die er auf der Grundlage der ihm erteilten Auskunft verfolgen möchte. Diese Frage ist erst im nachfolgenden Verfahren zu klären. § 30 Abs. 4 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 a AO verlangt lediglich, dass die Auskunft der Durchführung eines solchen Verfahrens „dient“, also geeignet ist, in einem solchen nachfolgenden Verfahren im Rahmen einer rechtlichen Argumentation mit Aussicht auf Erfolg verwendet zu werden. Das ist allerdings nicht der Fall ist, wenn feststeht, dass die behaupteten Rechte dem Antragsteller unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zustehen können, d.h. wenn das angestrebte Konkurrentenschutzverfahren von vorneherein keine Aussicht auf Erfolg verspricht2. Besteht ein Anspruch auf Auskunftserteilung, muss der Anspruch des Konkurrenten auf Wahrung seines Steuergeheimnisses zurücktreten. Bei der Beurteilung der Frage, ob einem Auskunftsbegehren zu entsprechen ist, hat gemäß dem Anwendungserlass zur Abgabenordnung3 auch die Finanzverwaltung diese Grundsätze anzuwenden.
Nach diesen Grundsätze besteht nach Überzeugung des Finanzgerichts Münster ein Anspruch auf Erteilung der begehrten Auskunft gegen das Finanzamt, weil die die Erfüllung der Voraussetzungen schlüssig dargelegt hat, die ihren Anspruch auf Erteilung einer Auskunft über die durchgeführte Besteuerung der von dem gemeinnützigen Verein in 2004 und 2005 erbrachten Transportleistungen begründen. Laut dem durch die Rechnungsvorlagen belegten Vortrag der Klägerin. hat der Verein die streitigen Transportleistungen zum ermäßigten Steuersatz abgerechnet; mangels entgegenstehender Anhaltspunkte hat der Verein diese Leistungen gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 a Satz 1 UStG in Verbindung mit den §§ 51 AO mit dem ermäßigten Steuersatz versteuert. Gesichtspunkte dafür, dass das Finanzamt die Transportumsätze des Vereins mit dem Regelsteuersatz besteuert hat, konnten nicht festgestellt werden. Eine unter Berücksichtigung des § 3 Abs. 1 der Satzung des Vereins, wonach dieser ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige und mildtätige Zwecke im Sinne des Abschnittes „Steuerbegünstigte Zwecke“ der AO verfolgt, selbstlos tätig ist und nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgt, durchgeführte Besteuerung der Transportleistungen des Vereins mit dem ermäßigten USt-Satz nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 a Satz 1 UStG in Verbindung mit den §§ 51 ff AO ist möglicherweise materiell unrichtig, was das Finanzgericht im vorliegenden Verfahren aber nicht zu klären hat. Unter Erfüllung der in § 65 Nr. 1 und Nr. 2 AO normierten Voraussetzungen ist für die Annahme eines Zweckbetriebs zusätzlich nach § 65 Nr. 3 AO erforderlich, dass der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb zu nicht begünstigten Betrieben derselben oder ähnlichen Art nicht in größerem Umfang in Wettbewerb tritt, als es bei der Erfüllung seiner steuerbegünstigten Zwecke unvermeidbar ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs4 liegt der Sinn und der Zweck des § 65 Nr. 3 AO in einem umfänglichen Schutz des Wettbewerbs, der auch den potentiellen Wettbewerb umfasst. Durch die steuerliche Begünstigung eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs sollen weder Wettbewerber verdrängt noch zu Lasten potentieller Konkurrenten Marktzutrittsschranken errichtet werden. Wettbewerb im Sinne des § 65 Nr. 3 AO setzt nicht voraus, dass die Körperschaft auf einem Gebiet tätig wird, in der sie tatsächlich in Konkurrenz zu steuerpflichtigen Betrieben derselben oder ähnlichen Art tritt. Sind die von einer Körperschaft verfolgten gemeinnützigen Zwecke auch ohne steuerlich begünstigte entgeltliche Tätigkeit zu erreichen, so ist aus der Sicht des Gemeinnützigkeitsrechts eine Beeinträchtigung des Wettbewerbs vermeidbar5. Werden die von der gemeinnützigen Körperschaft ausgeführten Leistungen auch von nicht steuerbegünstigten Unternehmen erbracht, wird die Körperschaft nicht im Rahmen eines Zweckbetriebs im Sinne des § 65 AO tätig. Aufgrund des unwiderlegt gebliebenen Vortrags der Klin. kann nicht definitiv ausgeschlossen werden, dass der X seine Transportumsätze schon deshalb nicht im Rahmen eines Zweckbetriebs im Sinne des § 65 AO ausgeführt hat, weil die Kläügerin als Konkurrentin des Vereins in den Streitjahren 2004 und 2005 dieselben Transport- und Beförderungsleistungen wie der Verein mit der Folge ausgeführt hat, dass zwischen der Klägerin und dem Verein ein steuerschädliches Wettbewerbsverhältnis im Sinne des § 65 Nr. 3 AO bestand. Jedenfalls traten die Klägerin und der Verein auf demselben räumlich beschränkten Markt, nämlich dem Transportmarkt in P-M, wie jeder anderer einnahmeorientierter, Transportleistungen anbietender Wettbewerber auf. Schlüssig hat die Klägerin dargelegt, dass sie durch eine im Vergleich zur Besteuerung ihrer Transportleistungen unterschiedliche – niedrigere – Besteuerung der Transportleistungen des Vereins Wettbewerbsnachteile erleidet. Es liegt auf der Hand, dass die im Wesentlichen nicht zum Vorsteuerabzug berechtigten Nachfrager nach Transportleistungen der streitigen Art den Unternehmer beauftragen, der im Vergleich zur Konkurrenz einen niedrigeren Steuersatz berechnet, weil die Auftraggeber die USt-Belastung ihrerseits nicht auf die Bezieher ihrer Leistungen abwälzen können. Das Finanzgericht hat keine Gesichtspunkte festgestellt, wonach Zweifel an der Richtigkeit des Sachvortrags der Klägerin zur Höhe ihres Wettbewerbsnachteils aufgrund unterschiedlicher Besteuerung der Transportleistungen berechtigt sein könnten.
Zwar werden in der Regel Rechte eines an dem betreffenden Steuerschuldverhältnis nicht beteiligten Dritten nicht verletzt, wenn ein Unternehmer – rechtswidrig – zu niedrig besteuert wird. Anderes gilt jedoch dann, wenn die zu niedrige Besteuerung gegen eine Norm verstößt, die nicht ausschließlich im Interesse der Allgemeinheit, insbesondere im öffentlichen Interesse an der gesetzmäßigen Steuererhebung und Sicherung des Steueraufkommens erlassen wurde, sondern zumindest auch dem Schutz der Interessen einzelner an dem betreffenden Steuerverhältnis nicht beteiligter Dritter zu dienen bestimmt ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs wie nach der Auffassung der Finanzverwaltung6 sind z.B. § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 KStG in Verbindung mit §§ 64 bis 68 AO drittschützende Normen. Die Vorschriften schließen Steuervergünstigen wegen Verfolgung steuerbegünstigter Zwecke insoweit aus, als die Körperschaften wirtschaftliche Geschäftsbetriebe unterhalten, die keine Zweckbetriebe gemäß den §§ 65 bis 68 AO sind. Der Ausschluss dient nicht ausschließlich dem Interesse der Allgemeinheit an der Erhöhung des Steueraufkommens. Wie die Vorschrift des § 65 Nr. 3 AO zeigt, dienen die Vorschriften vielmehr dem Schutz der mit den Nichtzweckbetrieben konkurrierenden und steuerlich nicht begünstigten Betrieben7. Gleiches gilt nach Auffassung des Finanzgerichts Münster auch hinsichtlich der in § 12 Abs. 2 Nr. 8 a UStG in Verbindung mit §§ 65 bis 68 AO getroffenen Regelungen. Entscheidend ist, dass die hier möglicherweise einschlägige Vorschrift des § 65 Nr. 3 AO belegt, dass auch für Zwecke der Umsatzbesteuerung steuerlich nicht begünstigte Betriebe davor geschützt werden sollen, dass Mitbewerber, die aufgrund ihrer Zweckbestimmung grundsätzlich steuerlich begünstigt werden und damit steuerliche und in deren Folge Wettbewerbsvorteile für die Tätigkeiten erhalten, nicht hinsichtlich der Umsätze steuerbegünstigt werden sollen, die gerade nicht der Erfüllung ihrer die Steuerbegünstigung begründenden Zweckbestimmung dienen8.
Das Finanzamt ist gehalten, der Klägerin insoweit Auskunft über die steuerlichen Verhältnisses des Vereins zu erteilen, weil zur Erhebung einer Konkurrentenklage durch die Klägerin es in diesem Umfang der Offenlegung der steuerlichen Verhältnisse des Vereins bedarf. Das dem verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch entgegenstehende, ebenfalls verfassungsrechtlich verbürgte Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Konkurrenten beschränkt den Anspruch auf Auskunft auf die Informationen, die für die Durchführung des Steuerverfahrens der Konkurrentenklage notwendig sind9. Für den Streitfall folgt daraus, dass die Klägerin zur Durchsetzung ihrer Rechte im Rahmen einer eventuell nachfolgenden Konkurrentenklage (nur) wissen muss, ob das Finanzamt die vom Verein in 2004 und 2005 erzielten streitigen Umsätze mit dem Regelsteuersatz oder mit dem ermäßigten Steuersatz umsatzbesteuert hat, um gegen die nach ihrer Meinung unzutreffende Besteuerung des Vereins vorgehen zu können.
Finanzgericht Münster, Urteil vom 7. Dezember 2010 – 15 K 3614/07 U
- BFH, Urteil vom 05.12.2006 -VII R 24/03[↩]
- BFH, Urteil vom 05.06.2006 – VII R 24/03, a.a.O.[↩]
- BMF, Schreiben vom 02.01.2008, BStBl I 2008, 26, geändert durch BMF, Schreiben vom 22.12.2009, BStBl I 2010, 9, § 30 AO Tz. 4.7.[↩]
- BFH, Urteile vom 30.03.2000 – V R 30/99, BFHE 191, 434, BStBl II 2000, 705; und vom 29.01.2009 – V R 46/06, BStBl II 2009, 560, BFH/NV 2009, 867[↩]
- BFH, Urteil vom 29.01.2009 -V R 46/06[↩]
- AEAO: BMF, Schreiben vom 02.01.2008, a.a.O., geändert durch BMF-Schreiben vom 22.12.2009, a.a.O., § 30 AO Tz. 4.7.[↩]
- BFH, Urteil vom 15.10.1997 – I R 10/92, BFHE 184, 212, BStBl II 1998, 63, BFH, Beschluss vom 18.09.2007 – I R 30/06, BFHE 219, 184, BStBl II 2008, 126; ferner BFH, Urteil vom 29.01.2009 – V R 46/06, a.a.O.[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 29.01.2009 – V R 46/06, a.a.O.[↩]
- Tipke-Kruse, Kommentar zur FGO, § 40 Rdn. 86; AEAO: BMF, Schreiben vom 22.12.2009, a.a.O., § 30 AO Tz. 4.7.[↩]