Erteilt der Kontoinhaber einem Dritten, z.B. seinem Ehepartner, Kontovollmacht und lässt er es ohne Kontrollmaßnahmen zu, dass der Dritte das Konto für die Abwicklung eigener Geldgeschäfte nutzt, finden bei einer Duldungsinanspruchnahme des Kontoinhabers nach § 3 AnfG die Grundsätze für eine Wissenszurechnung nach dem Rechtsgedanken des § 166 BGB entsprechende Anwendung.

Eine Rechtshandlung im Sinne des § 1 AnfG ist jedes rechtliche oder tatsächliche Handeln oder Unterlassen, das rechtliche Folgen hat bzw. rechtliche Wirkungen auslöst1. Nach Sinn und Zweck des Gesetzes genügt es für die Annahme einer Rechtshandlung, dass das Gesetz an die konkrete Willensbetätigung eine Rechtswirkung knüpft.
Auch die Übertragung einer formellen Rechtsposition durch Einzahlung auf ein als Eigen, nicht als Anderkonto geführtes Bankkonto eines anderen sowie die Aufforderung an einen Drittschuldner, mit schuldbefreiender Wirkung auf ein derartiges Konto zu leisten, stellt eine Rechtshandlung i.S. des § 1 AnfG dar2.
Im Streitfall hat der Steuerschuldner nach diesen Grundsätzen Rechtshandlungen i.S. des § 1 Abs. 1 AnfG vorgenommen, indem er seine Geschäftspartner und Kunden (Drittschuldner) angewiesen hat, die ihm geschuldeten Beträge auf das Konto der Ehefrau zu überweisen, und damit dafür gesorgt hat, dass jedenfalls im Außenverhältnis Forderungen des Kontoinhabers -hier der Ehefrau- gegen die Bank entstanden sind.
Die für eine Anfechtung nach §§ 1 ff. AnfG erforderliche objektive Gläubigerbenachteiligung ist ebenfalls gegeben.
Ob eine objektive Gläubigerbenachteiligung vorliegt, ist isoliert mit Bezug auf die Minderung des Aktivvermögens oder die Vermehrung der Passiva des Schuldners zu beurteilen. Eine Vorteilsausgleichung findet dabei grundsätzlich nicht statt; zu berücksichtigen sind lediglich solche Folgen, die an die angefochtene Rechtshandlung selbst anknüpfen3. Eine dauerhafte Entreicherung des Schuldners oder dauerhafte Bereicherung des Anfechtungsgegners wird nicht vorausgesetzt (Umkehrschluss zu § 11 Abs. 2 AnfG)3.
Wird ein pfändbarer Auszahlungsanspruch gegen ein Kreditinstitut oder sonstige Drittschuldner in ein formal einem Dritten zustehendes Kontoguthaben überführt, liegt regelmäßig eine Gläubigerbenachteiligung vor. Ob die Drittschuldner Kenntnis davon haben, auf wessen Namen das Konto geführt wird, ist nicht von Belang. Auch eine etwaige Rechtsgrundlosigkeit der an den Kontoinhaber bewirkten Zahlungen steht einer Gläubigerbenachteiligung nicht entgegen. Durch die anschließende Auszahlung an den Schuldner, d.h. den Umtausch des auf den Namen eines Dritten lautenden Kontoguthabens in einen für die Gläubiger nur schwer ausfindig zu machenden Bargeldbetrag oder durch die Weiterüberweisung an einen anderen Gläubiger wird die Gläubigerbenachteiligung nicht rückgängig gemacht4.
Nach diesen Grundsätzen hatten die vom Steuerschuldner bewirkten Überweisungen der ihm zustehenden Geldbeträge auf das Konto der Ehefrau eine objektive Gläubigerbenachteiligung zur Folge, weil seine Gläubiger das Guthaben nicht mehr ohne Weiteres aufgrund eines gegen ihn gerichteten Vollstreckungstitels pfänden konnten5. Denn jedenfalls im Außenverhältnis bestanden nur noch Forderungen der Ehefrau gegen die Bank.
Auch stellten die Überweisungen der Kunden des Steuerschuldners auf das Konto der Ehefrau eine nach § 3 Abs. 1 AnfG anfechtbare Rechtshandlung dar.
Nach dieser Vorschrift ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor der Anfechtung mit dem Vorsatz vorgenommen hat, seine Gläubiger zu benachteiligen, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte.
Der Steuerschuldner hat mit Gläubigerbenachteiligungsabsicht gehandelt.
Die Gläubigerbenachteiligung muss nicht das Ziel des Schuldners sein. Falls das Handeln des Schuldners auf einen anderen Zweck gerichtet ist, genügt es für eine entsprechende Absicht, wenn der Schuldner eine Gläubigerbenachteiligung als mögliche Folge seines Vorgehens erkennt und billigend in Kauf nimmt6.
Das erstinstanzlich hiermit befasste Finanzgericht Münster7 hat die Gläubigerbenachteiligungsabsicht zutreffend bejaht, weil dem Steuerschuldner nach den bindenden Feststellungen des Finanzgericht bewusst war, dass er Steuerschulden hatte und dass seine Konten wegen dieser Steuerschulden gepfändet worden waren. Er nutzte das Konto der Ehefrau, weil er über andere Konten nicht mehr verfügen konnte. Damit hat er zumindest billigend in Kauf genommen, dass die auf das Konto eingezahlten Beträge dem Zugriff des Finanzamtes entzogen wurden.
Des Weiteren hatte die Ehefrau von der Gläubigerbenachteiligungsabsicht des Steuerschuldners Kenntnis i.S. des § 3 Abs. 1 Satz 1 AnfG.
Kenntnis vom Vorsatz des Schuldners hat der Anfechtungsgegner, wenn er hiervon sicher wusste, also sowohl die Gläubigerbenachteiligung als auch den darauf gerichteten Willen des Schuldners erkannt hat8. Grob fahrlässige Unkenntnis steht der Kenntnis nicht gleich9. Dabei finden die Grundsätze des § 166 BGB auch im Rahmen von § 3 Abs. 1 AnfG Anwendung.
Nach § 166 Abs. 1 BGB kommt nicht die Person des Vertretenen, sondern die des Vertreters in Betracht, soweit die rechtlichen Folgen einer Willenserklärung durch Willensmängel oder durch die Kenntnis oder das Kennenmüssen gewisser Umstände beeinflusst werden. Diese Regelung findet ihre Rechtfertigung in dem Gedanken der Zurechenbarkeit. Die Zurechnung des Wissens eines Vertreters setzt voraus, dass der Schuldner bei der anfechtbaren Rechtshandlung (auch) in Vertretung für den Anfechtungsgegner gehandelt hat10 oder zumindest allgemein mit der Erledigung bestimmter Angelegenheiten betraut war. Deshalb kommt der Rechtsgedanke des § 166 BGB insbesondere dann zum Tragen, wenn der Kontoinhaber dem Schuldner das Konto unter Erteilung einer Kontovollmacht für die Abwicklung von dessen Geldgeschäften überlassen hat11. In seinem Urteil in BFHE 270, 7, BStBl II 2021, 191 hat der Bundesfinanzhof unter der Rz 45 aber auch diejenigen Fälle aufgeführt, in denen der Kontoinhaber bewusst die Augen vor einer derartigen Nutzungsmöglichkeit verschlossen hat12.
Auch wenn die Vorsatzanfechtung nach § 3 AnfG eine positive Kenntnis des Anfechtungsgegners voraussetzt und ein Kennenmüssen, auch grob fahrlässige Unkenntnis, dafür nicht ausreicht, so schließt das nicht zwingend aus, im Rahmen des § 3 AnfG eine Wissenszurechnung nach § 166 Abs. 1 BGB vorzunehmen. Gegen eine Übertragung der in § 166 Abs. 1 BGB getroffenen Regelung auf § 3 AnfG ließe sich zwar einwenden, dass „Kenntnis“ ein tatsächlich vorhandenes Wissen voraussetzt, während „Kennenmüssen“ auf einer Wertung beruht, und dass ein Rückgriff auf § 166 Abs. 1 BGB die Grenze zwischen „Kenntnis“ und „Kennenmüssen“ verwische, weil eine Wissenszurechnung nach dieser Vorschrift ebenfalls eine normative Wertung voraussetzt. Doch ist zu berücksichtigen, dass die Besonderheit der in § 166 Abs. 1 BGB getroffenen Regelung darin besteht, dass das Wissen tatsächlich vorhanden und wegen des arbeitsteiligen Vorgehens lediglich „verlagert“ wird. Insofern liegt ein reales Wissen (an einer anderen Stelle) vor. Die Zuordnung des Wissens zum Geschäftsherrn erfolgt, weil er seine eigene Kenntnis durch mangelnde organisatorische Maßnahmen verhindert hat und sich darauf nicht berufen können soll. Für den Anwendungsbereich des § 166 Abs. 1 BGB ist die Differenzierung ohne Folgen, da die Zurechnung in beiden Fällen erfolgt. Wesentlich ist die Unterscheidung jedoch bei Regelungen, die nur bei Kenntnis, nicht aber bei fahrlässiger Unkenntnis des Vertretenen eingreifen. Bei diesen Regelungen kann es im Rahmen der Wissenszurechnung und unter Berücksichtigung der Durchsetzung eines rechtsethischen Minimalstandards und von evtl. entgegenstehenden Verkehrsschutzerwägungen erforderlich sein, nach Maßgabe des Normzwecks der anzuwendenden Norm, die Wissenszurechnung einzuschränken13.
Sinn und Zweck des § 3 AnfG ist es, auf sozial inadäquates Verhalten des Schuldners zu reagieren, das den anfechtungsberechtigten Gläubiger durch Vereitelung von Zugriffschancen benachteiligt hat und dem bösgläubigen Anfechtungsgegner, der keinen Vertrauensschutz verdient, zugutegekommen ist. Ziel ist mithin die Rückabwicklung einer Gläubigerbenachteiligung, die aus Rechtshandlungen des Schuldners resultiert, die dieser im Zusammenwirken mit Dritten vornimmt. In solchen Fällen muss das Vertrauen des Empfängers auf den Erhalt der Vermögensverschiebung zurücktreten, da andere Gläubiger berechtigt auf die Redlichkeit des Geschäftsgebarens vertrauen können. Folglich verdient ein Rechtserwerb, der auf einer vorsätzlichen Gläubigerbenachteiligung durch den Schuldner beruht, gegenüber dem Interesse des anfechtenden Gläubigers an der vereitelten Zugriffsmöglichkeit auf das haftende Schuldnervermögen dann keinen Schutz, wenn der Erwerber den Vorsatz kannte14.
Basierend auf diesem Zweck überwiegen in einem Fall, in dem ein Ehegatte dem anderen Ehegatten Kontovollmacht über sein Konto erteilt und sich danach nicht weiter um das Konto kümmert bzw. den Gebrauch der Vollmacht durch den anderen Ehegatten nicht kontrolliert, die Verkehrsschutzerwägungen. Dieses Ergebnis der Wissenszurechnung bei § 3 Abs. 1 AnfG hält sich im Rahmen des allgemeinen Rechtsgedankens, dass derjenige, der sich bei der Erledigung bestimmter Angelegenheiten eines Vertreters bedient, die in diesem Rahmen vom Vertreter erlangte Kenntnis als eigene gegen sich gelten lassen muss, sich also nicht auf eigene Unkenntnis berufen kann15, und berücksichtigt auch das Näheverhältnis zwischen den Eheleuten.
Eine Verletzung des Schutzes der Ehe nach Art. 6 Abs. 1 GG liegt hierin nicht. Eine Wissenszurechnung erfolgt bei Ehegatten nicht per se, sondern es bedarf einer bewussten und willentlichen Einschaltung des anderen Ehepartners in der Rolle des Vertretenden. Die Wissenszurechnung knüpft an die Möglichkeit an, von bestimmten Umständen Kenntnis zu haben, und nicht an die familienrechtliche Beziehung16.
Die Gegenmeinung, nach der die Wissenszurechnung nicht über die Grenzen der Vertretungsmacht hinausgehen kann, weil die analoge Anwendung des § 166 BGB aus dem Regelungszusammenhang des Vertretungsrechts gerissen würde17, überzeugt nicht. Häsemeyer führt aus, die übertragene Tätigkeit sei ausschließlich arbeitsorganisatorisch, also im Verhältnis zum Auftraggeber begrenzt. Diese Begrenzung müsse auf das Verhältnis zu Dritten übertragen werden, wenn dem Wissensvertreter nicht -im Widerspruch zu der Vertretungsregelung- eine unbeschränkte Rechtsmacht zuwachsen solle.
Das übersieht, dass die Zurechnung des Wissens eines Wissensvertreters anderen Grundsätzen als die Wissenszurechnung eines Vertreters bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts folgt18. Der analogen Anwendung von § 166 BGB ist immanent, dass die Vertretungsmacht fehlt; nach dem BGH ist dieser Vorschrift der allgemeine Rechtsgedanke zu entnehmen, dass sich -unabhängig von einem Vertretungsverhältnis- derjenige, der einen anderen mit der Erledigung bestimmter Angelegenheiten in eigener Verantwortung betraut, das in diesem Rahmen erlangte Wissen des anderen zurechnen lassen muss19; derjenige, dem das Wissen des Handelnden zuzurechnen ist, hat den Impuls für die Zurechnung gesetzt, indem er den Wissensvertreter in einer arbeitsteiligen Welt zu seiner Erleichterung für seine Angelegenheiten eingesetzt hat. Damit muss er auch das Risiko, das eine solche Aufgabendelegierung beinhaltet, tragen.
Ferner sprechen auch die Grundsätze der Anscheinsvollmacht nicht gegen, sondern im Gegenteil für eine solche Wissenszurechnung. Eine Anscheinsvollmacht ist gegeben, wenn der Vertretene das Handeln des Scheinvertreters nicht kennt, er es aber bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen und verhindern können, und wenn der Geschäftspartner annehmen durfte, der Vertretene kenne und billige das Handeln des Vertreters20. Hier ist folglich eine Sorgfaltspflichtverletzung Grund der Zurechnung. Das entspricht den Voraussetzungen der Wissenszurechnung einer tatsächlich vorhandenen Kenntnis. Zudem gilt auch bei der Vollmachtüberschreitung in besonderen Fällen, dass sich der Vertretene wegen mangelnder Überwachung nach § 242 BGB nicht auf die Vollmachtüberschreitung berufen darf21.
Auch die Berücksichtigung der Schutzbedürftigkeit von Minderjährigen bei der Zurechnung des Wissens der Eltern führt zu keinem anderen Ergebnis. Im Rahmen der Erörterung der „Anforderungen an den Nachweis der Kenntnis von der Gläubigerbenachteiligungsabsicht“ führt Haunhorst22) hierzu aus, wenig problematisch seien die Fälle, in denen Eltern das Konto ihres minderjährigen Kindes nutzten. Denn hier müsse sich der minderjährige Kontoinhaber die bei seinem Elternteil als seinem gesetzlichen Vertreter vorhandene Gläubigerbenachteiligungsabsicht zurechnen lassen (§ 166 Abs. 1 BGB, § 1629 Abs. 1 Satz 1 BGB)23. Den sich insoweit ergebenden Widerstreit zwischen den Regeln des Anfechtungsrechts und den Bestimmungen zum Schutz Geschäftsunfähiger bei der Teilnahme am Rechtsverkehr löse der Bundesfinanzhof nicht auf der Ebene des Primäranspruchs, sondern im Rahmen von § 11 AnfG. Deutlich schwieriger sei der Nachweis hingegen bei sonstigen Kontoinhabern. Eine Wissenszurechnung nach § 166 BGB analog unabhängig von einer gesetzlichen Vertretung genüge den strengen gesetzlichen Nachweisanforderungen nicht.
Nach dieser Auffassung würden bei der Vollmachterteilung, bei der sich der Vollmachtgeber aktiv den Vollmachtnehmer aussucht, strengere Zurechnungsregeln gelten als bei der gesetzlichen Vertretung Minderjähriger, obwohl das Schutzbedürfnis bei Letzteren als höher zu werten ist. Aus welchem Grund die „strengen gesetzlichen Nachweisanforderungen“ nur bei rechtsgeschäftlich erteilter Vertretung gelten sollen, bleibt ebenso unbeantwortet wie die Frage, weshalb bei gesetzlicher Vertretung § 11 AnfG den maßgeblichen Prüfungsrahmen zum Schutz des Wissensvertretenen bildet, bei rechtsgeschäftlich erteilter Vertretung hingegen nicht.
Inzwischen lässt der Bundesgerichtshof bei Minderjährigen, die auf die von ihren Eltern veranlassten Kontobewegungen nicht den geringsten Einfluss nehmen können, die Vorsatzanfechtung selbst ausscheiden24. Selbst wenn danach bei Minderjährigen bereits eine Wissenszurechnung der Eltern im Rahmen der Vorsatzanfechtung ausscheiden sollte, führte das dennoch nicht dazu, auch bei rechtsgeschäftlich erteilter Vollmacht ebenso eine Anwendung des § 166 BGB analog abzulehnen. Denn die neue BGH-Rechtsprechung dient ausschließlich dem Schutz von Minderjährigen und beruht nur auf der Tatsache, dass ein Minderjähriger der Nutzung seines Kontos als Zahlstelle durch die Eltern nicht entgegentreten kann.
Unter Anwendung dieser Grundsätze ist das Finanzgericht Münster7 zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Ehefrau Kenntnis i.S. des § 3 Abs. 1 Satz 1 AnfG von der Gläubigerbenachteiligungsabsicht des Steuerschuldners hatte.
So hat das Finanzgericht Münster die Kenntnis der Ehefrau von der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Steuerschuldners im Rahmen seiner tatrichterlichen Würdigung aus deren Wissen um die seit 1999 bestehenden Steuerschulden ihres Ehemannes und die daraus resultierenden finanziellen Schwierigkeiten der Familie, insbesondere der Pfändung ihres eigenen Lohnanspruchs im Jahr 2012, der Notwendigkeit, sich bei Verwandten Geld zu leihen, und der Auflösung ihres Riester-Vertrags, abgeleitet.
Zutreffend hat das Finanzgericht Münster ferner ausgeführt, dass der Ehefrau die Kenntnis ihres Ehemannes nach § 166 Abs. 1 BGB zuzurechnen ist. In Bezug auf das Vorliegen einer eigenen, positiven Kenntnis ließ das Finanzgericht nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme und Anhörung der Ehefrau zwar offen, ob die Ehefrau selbst positive Kenntnis von der Nutzung des Kontos für die eigenen Geschäfte des Steuerschuldners hatte; jedoch ist der Ehefrau das Wissen des Steuerschuldners entsprechend dem Rechtsgedanken des § 166 Abs. 1 BGB zuzurechnen. Denn indem sie, aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit nach ihren eigenen Aussagen in der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht in Finanzangelegenheiten erfahren war, ihrem Ehemann ca. ein halbes Jahr nach Eröffnung ihres Kontos bei der R-Bank Kontovollmacht erteilt hatte und sich nach Eröffnung eines weiteren Kontos bei der T-Bank über viele Jahre um das Konto bei der R-Bank nicht mehr kümmerte, hat sie ihren Ehemann mit der Erledigung ihrer eigenen Angelegenheiten in seiner Verantwortung betraut, ohne das Konto bei der R-Bank weiter im Blick zu haben. Dabei gab es zahlreiche Hinweise beispielsweise aufgrund der vom Steuerschuldner über das streitgegenständliche Konto geleisteten Zahlungen (wie z.B. für die Aufenthalte in den Niederlanden oder für den Erwerb eines Fahrrads), dass die finanzielle Situation des Steuerschuldners deutlich besser war, als von der Ehefrau (angeblich) angenommen; aufgrund des Näheverhältnisses zwischen Steuerschuldner und Ehefrau hat sie von den Einnahmen in großem Maße profitiert (sei es direkt oder indirekt). Der Ehefrau als Vollmachtgeberin wird mit der Obliegenheit, dass sie die Verwendung der dem Ehemann erteilten Kontovollmacht in irgendeiner Form kontrollieren muss, um eine Wissenszurechnung nach § 166 BGB zu umgehen, auch nichts Unzumutbares abverlangt25. Denn im Streitfall lagen in der Wohnung einzelne, an sie adressierte Kontoauszüge herum. Zudem hätte sie die Kontoauszüge auch direkt bei der Bank anfordern können.
Der Anspruch ist nicht davon abhängig, ob der Anfechtungsgegner (auf Dauer) bereichert ist26.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 23. August 2022 – VII R 21/21
- vgl. BFH, Urteile vom 02.11.2010 – VII R 6/10, BFHE 231, 488, BStBl II 2011, 374, Rz 25, m.w.N.; und vom 25.04.2017 – VII R 31/15, BFH/NV 2017, 1297, Rz 11; Huber, AnfG, 12. Aufl., § 1 Rz 5; Jatzke in Gosch, AO § 191 Rz 15[↩]
- vgl. BFH, Urteil in BFH/NV 2017, 1297[↩]
- BFH, Urteil in BFH/NV 2017, 1297, Rz 12, m.w.N.[↩][↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 26.04.2012 – IX ZR 74/11, BGHZ 193, 129, Rz 12; vom 10.09.2015 – IX ZR 215/13, DB 2015, 2439, Rz 15 f.; und vom 07.09.2017 – IX ZR 224/16, DB 2017, 2279, Rz 11[↩]
- ebenso BFH, Urteil in BFH/NV 2017, 1297, m.w.N.[↩]
- BGH, Urteil vom 17.12.1998 – IX ZR 196/97, NJW 1999, 1395, unter Entscheidungsgründe III. 2., m.w.N.[↩]
- FG Münster, Urteil vom 19.05.2021 – 7 K 2714/18 AO[↩][↩]
- MünchKomm-AnfG/Weinland, AnfG § 3 Rz 29, (2. Aufl.2022) [↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 10.07.2014 – IX ZR 50/12, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht -ZIP- 2014, 1639, Rz 20; Uhlenbruck/Borries/Hirte, Insolvenzordnung, 15. Aufl., § 133 Rz 51; Huber, a.a.O., § 3 Rz 27[↩]
- vgl. BGH, Urteil in BGHZ 83, 293, und BFH, Urteil vom 22.06.2004 – VII R 16/02, BFHE 206, 217, BStBl II 2004, 923[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 270, 7, BStBl II 2021, 191, Rz 45[↩]
- unter Verweis auf OLG Köln, Urteil vom 12.01.1998 – 16 U 72/97, NJW 1998, 2909[↩]
- vgl. hierzu MünchKomm-BGB/Schubert, 9. Aufl., § 166 Rz 58 ff., 66[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 23.10.2008 – IX ZR 202/07, ZIP 2008, 2272, unter II. 2.c bb (1); Lutz/Haertlein in Kindl/Meller-Hannich, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, AnfG § 3 Rz 1; ähnlich MünchKomm-AnfG/Weinland, AnfG § 3 Rz 1, (2. Aufl.2022); ferner Bork in Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 133 Rz 2, m.w.N.; Schäfer in Kummer/Schäfer/Wagner, Insolvenzanfechtung, 3. Aufl.2017, § 133 InsO Rz F7[↩]
- BGH, Urteil vom 01.03.1984 – IX ZR 34/83, NJW 1984, 1953, unter 3.b, m.w.N.[↩]
- vgl. MünchKomm-BGB/Schubert, a.a.O., § 166 Rz 119; vgl. ferner § 3 Abs. 4 AnfG, der ausdrücklich an ein Näheverhältnis der beteiligten Personen anknüpft, da diese regelmäßig die wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Schuldners leichter erkennen und seine Pläne besser durchschauen können und ihre Verbundenheit ein Anreiz ist, sie zulasten anderer Gläubiger zu begünstigen, MünchKomm-AnfG/Weinland, AnfG § 3 Rz 1, (2. Aufl.2022).[↩]
- vgl. Häsemeyer, JuS 1984, 176, 179 f.[↩]
- vgl. Erman/Maier-Reimer/Finkenauer, BGB, 16. Aufl., § 166 Rz 24[↩]
- BGH, Urteil in BGHZ 83, 293, unter III. 3.a[↩]
- BGH, Urteil vom 11.05.2011 – VIII ZR 289/09, BGHZ 189, 346, Rz 16, m.w.N.[↩]
- vgl. Grüneberg/Ellenberger, Bürgerliches Gesetzbuch, 81. Aufl., § 167 Rz 10, m.w.N.[↩]
- Haunhorst, DStR 2014, 1451, 1454[↩]
- vgl. ferner BFH, Urteil in BFHE 206, 217, BStBl II 2004, 923, unter Entscheidungsgründe 2.a[↩]
- vgl. BGH, Urteil in DB 2017, 2279, Rz 28 f.[↩]
- vgl. insoweit MünchKomm-BGB/Schubert, a.a.O., § 166 Rz 67[↩]
- BFH, Urteil in BFH/NV 2017, 1297, Rz 19[↩]