Bei natürlichen Personen erfordert die ordnungsgemäße Klageerhebung regelmäßig die Bezeichnung des Klägers unter Angabe seiner ladungsfähigen Anschrift. Stellt das Gericht an die vom Kläger angegebene Adresse erfolgreich förmlich zu, kann es nicht ohne weitere Ermittlungen davon ausgehen, dass insoweit keine ladungsfähige Anschrift vorliegt.

Eine ordnungsgemäße Klageerhebung erfordert nach § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO regelmäßig die Bezeichnung des Klägers unter Angabe seiner ladungsfähigen Anschrift. Bei natürlichen Personen ist dabei im Hinblick auf ihre Erreichbarkeit die Angabe des tatsächlichen Wohnorts erforderlich1. Allerdings darf das ungeschriebene Erfordernis der Angabe der ladungsfähigen Anschrift nicht zu einer unzumutbaren Einschränkung des aus Art.19 Abs. 4 GG abgeleiteten Gebots führen, dem Rechtsuchenden den Zugang zu den Gerichten nicht unnötig zu erschweren oder zu versagen. § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO ist daher unter Berücksichtigung dieses Grundrechts und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit verfassungskonform auszulegen2. So ist das Fehlen einer ladungsfähigen Anschrift etwa dann unschädlich, wenn der Kläger glaubhaft macht, über eine solche Anschrift nicht zu verfügen. In einem solchen Ausnahmefall müssen dem Gericht aber die insoweit maßgebenden Gründe unterbreitet werden. Wird die Angabe dagegen ohne zureichenden Grund verweigert, liegt keine ordnungsgemäße Klage vor3.
Vorliegend stellt sich die Situation so dar, dass der Kläger innerhalb der vom Finanzgericht gesetzten Frist mitgeteilt hat, in B bestehe noch seine Privatadresse. Das Finanzgericht hat sowohl die Ladungen zur mündlichen Verhandlung wie auch die Urteile an diese Adresse zustellen lassen. Eine öffentliche Zustellung i.S. des § 185 ZPO hat es dagegen zu keinem Zeitpunkt erwogen. Vielmehr zeigen schon die Zustellungen der Gerichtsbescheide an die Adresse in Z wie auch die der Ladungen und der Urteile an die Adresse in B, dass das Finanzgericht durchaus von der Existenz einer zustellungsfähigen Anschrift des Klägers und damit entgegen seinen Ausführungen in den Entscheidungsgründen von ladungsfähigen Anschriften ausging.
Die erfolgreichen Zustellungen allein reichen allerdings für die Annahme nicht aus, dass der Kläger dem Finanzgericht tatsächlich eine ladungsfähige Anschrift genannt hat. Denn die Beweiskraft einer Zustellungsurkunde erstreckt sich gemäß § 182 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 418 Abs. 1 ZPO nicht auf die Frage, ob der Adressat unter der angegebenen Anschrift tatsächlich eine Wohnung unterhält, ihr kann lediglich eine gewisse Indizwirkung zukommen4. Trotz dieser Indizwirkung hat das Finanzgericht vorschnell und insbesondere ohne weitere aktuelle Ermittlungen in B ladungsfähige Anschriften des Klägers in Abrede gestellt. Mit seinem (widersprüchlichen) Handeln bringt das Finanzgericht vielmehr zum Ausdruck, dass es von wirksamen Zustellungen ausging und folglich dem Kläger glaubte, über eine zustellungsfähige Adresse zu verfügen. Folglich kann sich das Finanzgericht nicht einfach darauf berufen, dass es bereits nach der Klageerhebung Ermittlungen in B (wie in Z) vorgenommen hat. Aufgrund des Geschehensablaufs kann es vielmehr durchaus denkbar sein, dass der Kläger jedenfalls (nunmehr wieder) in B wohnhaft gewesen ist.
Da somit nicht zwingend davon auszugehen ist, dass der Kläger keine ladungsfähige Anschrift angegeben hat, durfte das Finanzgericht die Klage nicht ohne weitere Ermittlungen durch Prozessurteil entscheiden. Gründe, die Klage aus anderen Gründen als unzulässig zu verwerfen, sind nicht erkennbar. Das Finanzgericht hatte zwar in den Klageverfahren wiederholt den Kläger unter Ausschlussfristsetzung nach § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO zur Benennung der Klagegegenstände aufgefordert. Soweit der Kläger zunächst den Klagegegenstand nicht bezeichnet hatte, hat er dies innerhalb der insoweit gesetzten Fristen nachgeholt.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 25. August 2022 – X B 96/21
- BFH, Beschluss vom 10.02.2020 – XI B 43/19, BFH/NV 2020, 773, Rz 10[↩]
- vgl. BFH, Beschluss vom 18.08.2011 – V B 44/10, BFH/NV 2011, 2084, Rz 14[↩]
- vgl. BFH, Beschluss vom 29.01.2018 – X B 122/17, BFH/NV 2018, 630, Rz 23, m.w.N.[↩]
- vgl. BFH, Zwischenurteil vom 05.11.2019 – X R 15/18, BFH/NV 2020, 526, Rz 23, m.w.N.[↩]