Mündliche Verhandlung per Videokonferenz – und die Urteilsverkündung

Das Finanzgericht ist nicht verpflichtet, nach einer im Wege der Videokonferenz durchgeführten mündlichen Verhandlung auch für die Urteilsverkündung eine Videokonferenz anzuberaumen.

Mündliche Verhandlung per Videokonferenz – und die Urteilsverkündung

Das Finanzgericht hat mithin in einem solchen Fall bei der Urteilsverkündung weder gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit verstoßen (§ 52 Abs. 1 FGO i.V.m. § 173 Abs. 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes -GVG-, § 119 Nr. 5 FGO) noch liegt ein Mangel der Vertretung vor (§ 119 Nr. 4 FGO).

Im vorliegenden Fall hat das Finanzgericht ausweislich des Sitzungsprotokolls, dem nach § 94 FGO i.V.m. § 165 Satz 1 ZPO Beweiskraft für die Förmlichkeiten des Verfahrens einschließlich der Einhaltung des Grundsatzes der Öffentlichkeit zukommt, sein Urteil erst verkündet, nachdem es die Sache nach der mündlichen Verhandlung erneut aufgerufen hatte und die Öffentlichkeit wiederhergestellt war. Dass eine Fälschung des Protokolls vorliegt (§ 94 FGO i.V.m. § 165 Satz 2 ZPO), ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

Das Finanzgericht hatte der Klägerin und ihrem Prozessbevollmächtigten auf deren Antrag hin gemäß § 91a FGO gestattet, sich während der mündlichen Verhandlung im Finanzamt – X aufzuhalten, dort Verfahrenshandlungen vorzunehmen und an der mündlichen Verhandlung durch Videoübertragung teilzunehmen. Die Verkündung des Urteils, die ausweislich des Sitzungsprotokolls nach Schließung der mündlichen Verhandlung erfolgte, musste das Finanzgericht nicht (ebenfalls) per Video übertragen.

Der Bundesfinanzhof kann offenlassen, ob das Gericht den Beteiligten und ihren Bevollmächtigten analog § 91a FGO gestatten kann, auch an der Urteilsverkündung durch Videoübertragung teilzunehmen1. Denn im Streitfall wurde dies weder beantragt noch vom Finanzgericht gestattet. Bei dieser Sachlage war das Finanzgericht nicht verpflichtet, nach der im Wege der Videokonferenz durchgeführten mündlichen Verhandlung auch für die Urteilsverkündung eine Videokonferenz anzuberaumen. Die Verkündung der aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergehenden Entscheidung ist zwar öffentlich (§ 52 Abs. 1 FGO i.V.m. § 173 Abs. 1 GVG). Sie ist aber -anders als die Klägerin meint- nicht Teil der mündlichen Verhandlung, sondern sie erfolgt vielmehr -wie es das Finanzgericht nach dem Sitzungsprotokoll im Streitfall zutreffend gehandhabt hat- erst nach Schließung der mündlichen Verhandlung (§ 93 Abs. 3 FGO). Die Urteilsverkündung ist im Übrigen auch wirksam, wenn keine Beteiligten anwesend sind (§ 155 Abs. 1 FGO i.V.m. § 312 Abs. 1 ZPO). Eine Vertretung der Beteiligten bei der Urteilsverkündung ist daher nicht erforderlich, so dass auch die fehlende Vertretung keinen Verfahrensmangel darstellt.

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Anschlussrevision

Bundesfinanzhof, Beschluss vom 2. September 2022 – VI B 5/22

  1. bejahend z.B. Gräber/Herbert, a.a.O., § 91a Rz 15; Brandis in Tipke/Kruse, § 91a FGO Rz 10; Schmieszek in Gosch, FGO § 91a Rz 7[]

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