Nachträglich bekannt gewordene Zinseinnahmen

Ein Steuerbescheid kann bei nachträglich bekannt gewordenen Zinseinnahmen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geändert werden.

Nachträglich bekannt gewordene Zinseinnahmen

Nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Voraussetzung dafür ist, dass die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der Änderung noch nicht abgelaufen ist (§ 169 Abs. 1 Satz 1 AO); die Frist beträgt nach § 169 Abs. 2 Satz 2 AO zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen worden ist.

Tatsache i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ist alles, was Merkmal oder Teilstück eines gesetzlichen Steuertatbestandes sein kann1. Hilfstatsachen dürfen dabei nur herangezogen werden, wenn sie einen sicheren Schluss auf das Vorliegen der Haupttatsache zulassen; bloße Vermutungen oder Wahrscheinlichkeiten reichen hierfür nicht aus2.

Sind solche Tatsachen i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO -wie im Streitfall Zinseinnahmen als Entgelt aus einer Kapitalüberlassung i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes- betroffen, so liegt eine hinreichende Tatsachenfeststellung durch Finanzamt und Finanzgericht nur vor, wenn diese eine Zuordnung von Einnahmen zu einer bestimmten Einkunftsart sowie zu bestimmten Konten des Steuerpflichtigen umfasst und diese Zuordnung auch nachvollziehbar begründet.

Dabei dürfen Zinsen der Höhe nach bei fehlenden anderweitigen Anhaltspunkten auf der Grundlage nachvollziehbarer Zinssätze im Wege der Schätzung ausnahmsweise auch unter der Annahme bestimmt werden, dass der Steuerpflichtige sein erworbenes Vermögen über einen längeren Zeitraum hinweg nicht für eigene Zwecke verwendet hat. Voraussetzung dafür sind allerdings besondere Anhaltspunkte wie eine besonders ausgeprägte Sparneigung, Existenz umfangreicher anderweitiger liquider Mittel oder die Eigenschaft des Auslandskontos als Aufbewahrungsort für nur schwer in den legalen Wirtschaftskreislauf zurückzuspeisendes Steuerflucht- oder Schwarzgeld3.

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Eine Tatsache ist i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO nachträglich bekannt geworden, wenn sie das Finanzamt beim Erlass des zu ändernden Steuerbescheids noch nicht kannte4 und auch unter Berücksichtigung seiner amtlichen Ermittlungspflicht nicht hätte kennen können5.

Davon ist regelmäßig auszugehen, wenn das Finanzamt vom Steuerpflichtigen selbst über die änderungsrelevanten Tatsachen nicht in Kenntnis gesetzt worden ist und für eine anderweitige Kenntniserlangung keine Anhaltspunkte bestehen6.

Streiten die Beteiligten eines finanzgerichtlichen Verfahrens über entscheidungserhebliche Tatsachen -wie im Streitfall über nachträglich bekannt gewordene Zinseinnahmen-, so darf das Finanzgericht im Rahmen seiner Sachaufklärungspflicht nach § 76 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 5 FGO einen ordnungsgemäß gestellten Beweisantrag nur unberücksichtigt lassen, wenn das Beweismittel für die zu treffende Entscheidung unerheblich, das Beweismittel unerreichbar, unzulässig oder absolut untauglich ist oder wenn die in Frage stehende Tatsache zugunsten des Beweisführenden als wahr unterstellt werden kann7.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 19. November 2014 – VIII R 12/12

  1. ständige Rechtsprechung, z.B. BFH, Urteil vom 19.02.2013 – IX R 24/12, BFHE 240, 265, BStBl II 2013, 484, m.w.N.; BFH, Beschluss vom 26.06.2014 – VI R 94/13, BFHE 246, 182, BStBl II 2014, 864[]
  2. BFH, Urteil vom 06.12 1994 – IX R 11/91, BFHE 176, 221, BStBl II 1995, 192, unter 1.; BFH, Beschluss vom 19.10.2011 – X R 29/10, BFH/NV 2012, 227[]
  3. BFH, Urteil vom 19.10.2011 – X R 65/09, BFHE 235, 304, BStBl II 2012, 345; zur Schätzungsbefugnis dem Grunde nach bei Unsicherheit über die zutreffenden Kapitaleinkünfte aufgrund fehlender Mitwirkung des Steuerpflichtigen s. BFH, Beschluss vom 31.01.2014 – X B 52/13, BFH/NV 2014, 860[]
  4. BFH, Urteile vom 13.09.2001 – IV R 79/99, BFHE 196, 195, BStBl II 2002, 2; vom 13.01.2011 – VI R 61/09, BFHE 232, 5, BStBl II 2011, 479; – VI R 62/09, BFH/NV 2011, 751, und – VI R 63/09, BFH/NV 2011, 743[]
  5. BFH, Urteil vom 16.06.2004 – X R 56/01, BFH/NV 2004, 1502, unter II. 2.c aa der Gründe a.E.; BFH, Beschluss vom 28.02.2008 – IV B 53/07, – IV B 54/07, BFH/NV 2008, 924[]
  6. BFH, Urteil vom 13.05.1998 – II R 67/96, BFH/NV 1999, 1[]
  7. ständige Rechtsprechung, z.B. BFH, Beschlüsse vom 02.10.2013 – III B 56/13, BFH/NV 2014, 62; vom 05.11.2013 – VI B 86/13, BFH/NV 2014, 360; vom 29.06.2011 – X B 242/10, BFH/NV 2011, 1715; vom 24.07.2014 – V B 1/14, BFH/NV 2014, 1763[]
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