Nichtzulassungsbeschwerde – und die vollständige Berücksichtigung des Streitstoffs

Nach § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 FGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Das Gesamtergebnis des Verfahrens umfasst den gesamten durch das Klagebegehren begrenzten und durch die Sachaufklärung des Gerichts und die Mitverantwortung der Beteiligten konkretisierten Prozessstoff1.

Nichtzulassungsbeschwerde – und die vollständige Berücksichtigung des Streitstoffs

Das Gesamtergebnis des Verfahrens wird insbesondere konkretisiert durch

  • die Schriftsätze der Beteiligten,
  • ihr Vorbringen in der mündlichen Verhandlung sowie in einem etwaigen Erörterungstermin,
  • ihr Verhalten,
  • die den Streitfall betreffenden Steuerakten,
  • beigezogene Akten eines anderen Verfahrens,
  • vom Gericht eingeholte Auskünfte, Urkunden und
  • die aufgrund einer gegebenenfalls durchgeführten Beweisaufnahme gewonnenen Beweisergebnisse.
  • Auch offenkundige und gerichtsbekannte Tatsachen sind zu berücksichtigen2.

Für eine einwandfreie Berücksichtigung des Gesamtergebnisses des Verfahrens darf das Gericht weder Umstände, die zum Gegenstand des Verfahrens gehören, ohne zureichenden Grund ausblenden noch seine Überzeugung auf Umstände gründen, die nicht zum Gegenstand des Verfahrens zählen. Ebenso wenig darf das Gericht Umstände, auf deren Vorliegen es nach seiner Rechtsauffassung für die Entscheidung ankommt, ungeprüft behaupten. Es darf auch nicht von einem entscheidungserheblichen Sachverhalt ausgehen, der in den Akten keine Stütze findet oder der nicht durch ausreichende tatsächliche Feststellungen getragen wird3.

Nach diesem Maßstab hat das Finanzgericht im vorliegenden Fall das Gesamtergebnis des Verfahrens im Streitfall hinreichend berücksichtigt. Das Finanzgericht hat die Ausführungen der Klägerin zu den Mängeln an der Heizungsanlage, sowie dass bis zum Einzug in die streitgegenständliche Immobilie keine Absicht zur Kündigung des ehemaligen Mietverhältnisses bestand, gewürdigt. Es hat diese im Tatbestand der angefochtenen Entscheidung erwähnt und in den Entscheidungsgründen gewürdigt.

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Dass das Finanzgericht den Tatbestand und die Entscheidungsgründe nicht als solche überschrieben, sondern unter den Gründen unter I. und II. aufgeführt hat, kann ebenso wenig einen Verfahrensfehler begründen wie dass das Finanzgericht im Ergebnis nicht der Würdigung der Klägerin gefolgt ist und die von Klägerin angeführten Umstände anders gewürdigt hat.

Bundesfinanzhof, Beschluss vom 6. September 2023 – IX B 84/22

  1. BFH, Beschlüsse vom 04.02.2021 – VIII B 38/20, BFH/NV 2021, 641, Rz 3; und vom 20.09.2022 – VIII B 135/21, BFH/NV 2022, 1301, Rz 4[]
  2. BFH, Beschlüsse vom 23.04.2020 – X B 156/19, BFH/NV 2020, 1077, Rz 10 und in BFH/NV 2022, 1301, Rz 4[]
  3. BFH, Beschlüsse in BFH/NV 2020, 1077, Rz 11 und in BFH/NV 2022, 1301, Rz 5[]