Die Verjährung eines Anspruchs kann nur dann nach § 231 AO unterbrochen werden, wenn die Verjährungsfrist bereits in Gang gesetzt worden ist und noch läuft. Daher unterbricht eine Pfändung, die vor Beginn der Verjährung (§ 229 Abs. 1 Satz 1 AO) vorgenommen worden ist, die Verjährung nicht.

Der Haftungsanspruch gehört gemäß § 37 Abs. 1 AO zu den Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis und verjährt gemäß § 228 Satz 2 AO nach fünf Jahren. Die Zahlungsverjährung beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Anspruch erstmals fällig geworden ist (§ 229 Abs. 1 Satz 1 AO). Ist ein Haftungsbescheid ohne Zahlungsaufforderung ergangen, so beginnt die Verjährung mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Haftungsbescheid wirksam geworden ist (§ 229 Abs. 2 AO). Durch die Verjährung erlöschen der Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis und die von ihm abhängenden Zinsen (§ 232 AO).
Die Verjährung eines Anspruchs wird gemäß § 231 Abs. 1 AO durch die dort genannten Maßnahmen unterbrochen, entweder punktuell oder aber gemäß § 231 Abs. 2 AO für die dort bestimmte Dauer.
„Unterbrochen“ i.S. von § 231 Abs. 1 AO bedeutet, dass der nach § 229 Abs. 1 Satz 1 AO in Gang gesetzte Fristenlauf abgebrochen wird und mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Unterbrechung endet, eine neue Verjährungsfrist beginnt (§ 231 Abs. 3 AO, Prinzip der Kalenderverjährung). Die bereits verstrichene Zeit bleibt somit unberücksichtigt1.
Zu unterscheiden ist die Unterbrechung einer Frist von ihrer Hemmung. Letztere bewirkt nur ein Ruhen oder einen Stillstand des Fristlaufs. Im Fall der Anlaufhemmung wird der Beginn der Verjährungsfrist auf einen späteren Zeitpunkt hinausgeschoben; im Fall der Ablaufhemmung wird der planmäßige Eintritt der Verjährung hinausgeschoben2.
Für die Zahlungsverjährung ist eine Anlaufhemmung in § 229 Abs. 1 Satz 2 AO geregelt, demzufolge der Beginn der Verjährungsfrist in den dort genannten Fällen hinausgeschoben wird3.
Eine Ablaufhemmung enthält § 230 AO, nach dem die Zahlungsverjährung gehemmt ist, solange der Anspruch wegen höherer Gewalt innerhalb der letzten sechs Monate der Verjährungsfrist nicht verfolgt werden kann. Hemmung bedeutet hier, dass der Zeitraum, währenddessen die Hemmung besteht, in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet wird, dass aber nach dem Wegfall der Hemmung die bereits begonnene „alte“ Verjährungsfrist weiterläuft4.
Schon aus dem Begriff der Unterbrechung und der Systematik der §§ 228 ff. AO folgt somit, dass eine Verjährungsfrist nur dann unterbrochen werden kann, wenn sie bereits in Gang gesetzt worden ist und noch läuft. Mithin kann die Verjährung eines Anspruchs auch nur durch ein Ereignis unterbrochen werden, das nach dem Beginn der Verjährungsfrist eingetreten ist.
Dies hat der Bundesfinanzhof in Bezug auf § 147 RAO bereits entschieden5. Das gilt aber aufgrund der dargelegten Systematik der §§ 228 ff. AO und der rechtssystematischen Unterscheidung zwischen der Unterbrechung und der Hemmung einer Frist ebenso für § 231 AO6.
Dies entspricht im Übrigen auch der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Begriff der Unterbrechung der Verjährung im § 217 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) in der Fassung vom 01.01.1964 bzw. dem diesen ersetzenden Begriff des Neubeginns der Verjährung in § 212 BGB. Danach setzt ein Neubeginn der Verjährung „denknotwendig voraus, dass die Verjährung schon in Gang gesetzt worden ist, und kann damit frühestens ab dem eigentlichen Verjährungsbeginn einsetzen“7.
Das schließt eine extensive Auslegung des § 231 AO zur Erfassung einer Sachpfändung, die im Rahmen eines Arrestverfahrens bereits vor Fälligkeit der Haftungsschuld vorgenommen worden ist, aus; denn eine solche Erweiterung des Anwendungsbereichs der Regelungen zur Verjährungsunterbrechung würde den gesetzlich vorgesehenen Ausgleich zwischen Fiskalinteresse und Rechtssicherheit durchbrechen.
Dass das Arrestverfahren mit dem Ergehen des Haftungsbescheids in das Vollstreckungsverfahren übergeleitet und als solches fortgesetzt wird, rechtfertigt kein anderes Ergebnis.
Sobald über den Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis, zu dessen Sicherung der Arrest angeordnet worden ist, ein Steuerbescheid oder -wie im Streitfall- ein Haftungsbescheid ergangen ist, der die Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen des § 254 AO erfüllt, bedarf es der Arrestanordnung nicht mehr. Das Arrestverfahren wird in das normale Vollstreckungsverfahren übergeleitet und als solches fortgesetzt; die durch den Arrestvollzug erlangten Sicherheiten bleiben bestehen und behalten ihren Rang8. Damit stellt aber die Überleitung des Arrestverfahrens in das Vollstreckungsverfahren keine eigenständige Vollstreckungsmaßnahme dar, die den Tatbestand des § 231 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO erfüllen würde.
Die für die Begründung der gegenläufigen Rechtsauffassung herangezogenen Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen9, nach denen ein auf Dauer angelegter Unterbrechungstatbestand, solange er andauere, die Unterbrechung jeder in dieser Zeit laufenden Verjährungsfrist bewirke, auch einer solchen, die erst in dieser Zeit „für eine logische Sekunde bis zum Eintritt der Unterbrechungswirkung“ zu laufen beginne, widersprechen nicht nur dem Begriff des Unterbrechens, sondern heben auch die systematische Unterscheidung zwischen der Unterbrechung und der Hemmung einer Verjährungsfrist auf und stehen damit im Widerspruch zur teleologischen Bedeutung der Verjährungsunterbrechung. Denn im Ergebnis liefe dies darauf hinaus, dass man entweder den auf Dauer angelegten Unterbrechungstatbeständen -auch- die Wirkung einer Anlaufhemmung zusprechen oder aber für den Fall einer Überleitung des Arrestverfahrens in das Vollstreckungsverfahren § 231 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 oder Nr. 3 AO analog anwenden würde. Aus den dargelegten Gründen kommt eine solche Rechtsanwendung nicht in Betracht.
Auch auf § 231 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 AO lässt sich ein solches Ergebnis nicht stützen. Das OVG NRW legt hierzu dar10, aus § 231 Abs. 2 Satz 1 AO ergebe sich, dass die Unterbrechung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt fortdauere, etwa bis zum Ablauf der Aussetzung der Vollziehung oder Stundung oder bis zum Erlöschen der Sicherheit. Diese Argumentation verkennt, dass § 231 Abs. 2 AO die Dauer der Unterbrechung regelt und nur dann von Bedeutung ist, wenn bereits einer der in § 231 Abs. 1 AO genannten Unterbrechungstatbestände verwirklicht worden ist.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 23. August 2022 – VII R 46/20
- vgl. auch Loose in Tipke/Kruse, § 231 AO Tz 1; Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler -HHSp-, § 231 AO Rz 2[↩]
- s. Banniza in HHSp, Vorbemerkung zu §§ 169 bis 171 AO Rz 31; Loose in Tipke/Kruse, § 231 AO Tz 1[↩]
- vgl. Loose in Tipke/Kruse, § 229 AO Tz 6; Kögel in Gosch, AO § 229 Rz 9[↩]
- vgl. Loose in Tipke/Kruse, § 230 AO Tz 1; Heuermann in HHSp, § 230 AO Rz 3; Kögel in Gosch, AO § 230 Rz 2[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 129, 534, BStBl II 1980, 306[↩]
- gleicher Ansicht: FG Hamburg, Urteil vom 24.10.1989 – II 117/86, EFG 1990, 458, unter 3.c bb der Entscheidungsgründe; Heuermann in HHSp, § 231 AO Rz 3; Loose in Tipke/Kruse, § 231 AO Tz 2 und 21; Koenig/Klüger, Abgabenordnung, 4. Aufl., § 231 Rz 2; Kögel in Gosch, AO § 231 Rz 1 und 19; Kordt in Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 231 AO Rz 43; BeckOK AO/Oosterkamp, 21. Ed. 01.07.2022, AO § 231 Rz 1 und 15; Baum in eKomm Ab 29.12.2020, § 231 AO, Rz 1 und 18 (Aktualisierung vom 06.04.2022); offengelassen im BFH, Urteil in BFH/NV 2003, 143, unter II. 2.b; anderer Ansicht: Klein/Rüsken, AO, 15. Aufl., § 231 Rz 15[↩]
- s. BGH, Beschluss vom 08.01.2013 – VIII ZR 344/12, NJW 2013, 1430, Rz 6, m.w.N.; ebenso: Staudinger/Peters/Jacoby (2019) BGB § 212 Rz 32; MünchKomm-BGB/Grothe, 9. Aufl., § 212 Rz 1; BeckOK BGB/Henrich, 63. Ed. 01.08.2022, BGB § 212 Rz 15[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 07.07.1987 – VII R 167/84, BFH/NV 1987, 702, unter 2.a, m.w.N.; BFH, Beschluss vom 20.09.2000 – VII B 33/00, BFH/NV 2001, 458, unter 1.; s.a. Loose in Tipke/Kruse, § 324 AO Tz 85, und Hohrmann in HHSp, § 324 AO Rz 83f.[↩]
- OVG NRW, KStZ 2015, 90, Rz 51[↩]
- OVG NRW, KStZ 2015, 90, Rz 49[↩]