Wird der Durchsuchungsbeschluss aufgehoben, wird eine bereits durchgeführte Durchsuchung mit allen dabei vorgenommenen Vollstreckungsmaßnahmen rechtswidrig. Dem Finanzgericht ist es verwehrt, die Entscheidung des ordentlichen Gerichts, mit dem dieses den Durchsuchungsbeschluss aufgehoben hat, auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen.

Damit stärkt der Bundesfinanzhof die Rechte der von Vollstreckungsmaßnahmen einer Finanzbehörde betroffenen Schuldner; wird eine Durchsuchungsanordnung aufgehoben, hat das Finanzgericht die Rechtswidrigkeit der im Rahmen der Durchsuchung durchgeführten Sachpfändung auf Antrag festzustellen.
In dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Streitfall ließen Vollziehungsbeamte des Finanzamts die Hintertüre zur Garage des Klägers in Gegenwart der Polizei durch einen Schlüsseldienst öffnen. Die leitende Vollziehungsbeamtin pfändete dort einen PKW durch Anbringung von je einem Pfandzeichen an Heckscheibe und Tür und Wegnahme der Kennzeichen sowie ein gleichfalls in der Garage geparktes Motorrad durch Anbringung eines Pfandzeichens auf dem Tacho. Dabei lag den Beamten ein Durchsuchungsbeschluss des zuständigen Amtsgerichts für die Wohnung und die Geschäftsräume des Klägers unter Auflistung von zehn Vollstreckungsersuchen, aber ohne Nennung der zu vollstreckenden Beträge vor. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers hob das Landgericht den Durchsuchungsbeschluss des AG auf, weil die beizutreibenden Beträge in der Durchsuchungsanordnung nicht bezeichnet worden seien.
Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs ist es dem Finanzgericht verwehrt, die Entscheidung des LG, mit dem dieses den Durchsuchungsbeschluss aufgehoben hat, auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen. Vielmehr wird aufgrund der bloßen Aufhebung des Durchsuchungsbeschlusses eine bereits durchgeführte Durchsuchung mit allen dabei vorgenommenen Vollstreckungsmaßnahmen rechtswidrig. Die Durchsuchungsanordnung ist Grundlage für die Rechtmäßigkeit der in der Wohnung des Vollstreckungsschuldners gegen dessen Willen durchgeführten Vollstreckungsmaßnahmen. Entfällt die Durchsuchungsanordnung, bleiben auf ihrer Grundlage getroffene Maßnahmen zwar wirksam, sind aber im finanzgerichtlichen Verfahren anfechtbar. Dies dient dem Schutz der Unverletzlichkeit der Wohnung gemäß Art. 13 GG und sichert die Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens. Andernfalls würde der nach der Zivilprozessordnung vorgesehene Rechtsschutz unterlaufen.
Gemäß § 249 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m § 250 Abs. 1 Satz 1 AO und den Grundsätzen der Amtshilfe (Art. 35 Abs. 1 GG, § 111 AO) kann das Finanzamt Verwaltungsakte, mit denen eine Geldleistung gefordert wird, auch auf Ersuchen einer anderen Behörde im Verwaltungsweg vollstrecken. Soweit nichts anderes bestimmt ist, darf die Vollstreckung gemäß § 254 Abs. 1 Satz 1 AO grundsätzlich (Ausnahme § 254 Abs. 2 Sätze 1 und 2 AO) erst beginnen, wenn die Leistung fällig, der Vollstreckungsschuldner zur Leistung aufgefordert worden, seit der Aufforderung mindestens eine Woche verstrichen und ‑bei Geldforderungen- gemäß § 259 Satz 1 AO eine Mahnung erfolgt ist. In dem Vollstreckungsauftrag oder in der Pfändungsverfügung ist der Schuldgrund anzugeben (§ 260 AO).
Diese allgemeinen Voraussetzungen für die Vollstreckung von Geldforderungen waren im Streitfall erfüllt; auch der Kläger erhebt insoweit keine Einwendungen mehr.
Jedoch führte die Aufhebung der Durchsuchungsanordnung zur Rechtswidrigkeit der von den Vollziehungsbeamten gemäß § 286 Abs. 2 Satz 2 AO durch das Anlegen von Siegeln vorgenommenen Sachpfändungen.
Für das Durchsuchen der Garage des Klägers mit dem Ziel, pfändbare Gegenstände aufzufinden, war eine richterliche Anordnung erforderlich, da weder eine Einwilligung des Klägers (vgl. § 287 Abs. 4 Satz 1 AO) noch Gefahr im Verzug vorlagen (§ 287 Abs. 4 Satz 2 AO); die vorherige Einholung der Anordnung war möglich, ohne den Durchsuchungserfolg zu gefährden.
Auch eine in unmittelbarer Nähe zur eigentlichen Wohnung gelegene, privat genutzte Garage fällt unter den Begriff der „Wohnung“ i.S. des § 287 Abs. 4 Satz 1 AO1.
Die somit für die Durchsuchung der verschlossenen Garage notwendige richterliche Anordnung ist im vorliegenden Fall durch das im Beschwerdeverfahren zuständige Landgericht als rechtswidrig aufgehoben worden.
Hieran sind die Beteiligten gebunden. Das Finanzgericht ist nicht befugt, die Entscheidung des LG auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen, da die ordentlichen Gerichte gemäß §§ 793, 572 ZPO i.V.m. § 72 des Gerichtsverfassungsgesetzes für Beschwerden gegen die von ihnen erlassenen Durchsuchungsanordnungen sachlich zuständig sind2. Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein fehlerhafter Durchsuchungsbeschluss einem fehlenden Durchsuchungsbeschluss gleichsteht, stellt sich somit im Streitfall nicht, da aufgrund der Aufhebung feststeht, dass es keinen rechtmäßigen Durchsuchungsbeschluss gegeben hat.
Wird die Durchsuchungsanordnung im Rechtsmittelverfahren aufgehoben, wird eine bereits durchgeführte Durchsuchung mit allen dabei vorgenommenen Vollstreckungsmaßnahmen rechtswidrig. Die Durchsuchungsanordnung ist Grundlage für die Rechtmäßigkeit der in der Wohnung des Vollstreckungsschuldners gegen dessen Willen durchgeführten Vollstreckungsmaßnahmen; entfällt sie, bleiben auf ihrer Grundlage getroffene Maßnahmen zwar wirksam, werden aber anfechtbar. Dies dient dem Schutz der Unverletzlichkeit der Wohnung gemäß Art. 13 GG und sichert die Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art.20 Abs. 3 GG). Andernfalls würde auch der nach der ZPO vorgesehene Rechtsschutz unterlaufen3.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 15. Oktober 2019 – VII R 6/18
- BVerfG, Urteil vom 13.10.1971 – 1 BvR 280/66, BVerfGE 32, 54, Rz 45, zum Begriff „räumliche Privatsphäre“; BGH, Urteil vom 17.07.2009 – V ZR 95/08, Wohnungswirtschaft und Mietrecht 2009, 539, zu § 144 Abs. 1 Satz 3 ZPO in Bezug auf als „Nebengebäude“ anzusehende Garagen; Seiler in Thomas/Putzo, Zivilprozessordnung, 40. Aufl., § 758a Rz 7; Zöller/Seibel, ZPO, 32. Aufl., § 758a Rz 4[↩]
- vgl. BFH, Beschlüsse vom 17.07.2003 – X B 19/03, BFH/NV 2003, 1594, m.w.N.; und vom 29.01.2002 – VIII B 91/01, BFH/NV 2002, 749, m.w.N.[↩]
- vgl. Dißars in Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 287 Rz 19; Koenig/Fritsch, Abgabenordnung, 3. Aufl., § 287 Rz 34; Klein/Werth, AO, 14. Aufl., § 287 AO Rz 13; Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 287 AO Rz 36; Müller-Eiselt in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 287 AO Rz 62; FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15.12.2011 – 7 K 7007/08, EFG 2012, 1008[↩]