Sachverhaltsermittlung durch das Finanzgericht – und der Auslandsbezug

Nach § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen. Es erhebt Beweis in der mündlichen Verhandlung (§ 81 Abs. 1 Satz 1 FGO).

Sachverhaltsermittlung durch das Finanzgericht – und der Auslandsbezug

Bei der Verletzung der Sachaufklärungspflicht handelt es sich um einen verzichtbaren Verfahrensmangel (§ 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 295 ZPO), bei dem das Rügerecht nicht nur durch eine ausdrückliche oder konkludente Verzichtserklärung gegenüber dem Finanzgericht verloren geht, sondern auch durch das bloße Unterlassen einer rechtzeitigen Rüge1. Gleiches gilt für die angebliche Verletzung der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme2. Danach hat die unterlassene rechtzeitige Rüge den endgültigen Rügeverzicht zur Folge3. Deshalb muss vorgetragen werden, dass der angebliche Verstoß in der Vorinstanz gerügt wurde oder aus welchen entschuldbaren Gründen eine solche Rüge vor dem Finanzgericht nicht möglich war4.

Im hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Streitfall hat die Rüge der mangelnden Sachaufklärung und der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme schon deshalb keinen Erfolg, weil die Klägerin, die im Termin zur mündlichen Verhandlung durch einen sachkundigen Prozessbevollmächtigten vertreten war, ausweislich des Sitzungsprotokolls die angeblichen Verstöße nicht gerügt, sondern zur Sache verhandelt und einen Sachantrag gestellt hat. Dass und gegebenenfalls aus welchen Gründen ihr die Rüge nicht möglich gewesen sei, hat sie nicht vorgetragen.

Der Bundesfinanzhof weist bei dieser Gelegenheit darauf hin, dass auch dann, wenn der für die Anwendung der Steuerrechtsnorm maßgebliche Sachverhalt nur zum Teil Auslandsbezug hat, den Steuerpflichtigen insoweit die Verpflichtung aus § 90 Abs. 2 Satz 1 AO trifft, den behaupteten Sachverhalt aufzuklären und die erforderlichen Beweismittel zu beschaffen, insbesondere im Streitfall die benannten Zeugen in der mündlichen Verhandlung zu stellen5. Rechtsfragen des Unionsrechts stellen sich hierdurch zumindest insoweit nicht, wie die in Rede stehenden Sitzstaaten Drittlandsgebiet (§ 1 Abs. 2a Satz 3 UStG) sind.

Bundesfinanzhof, Beschluss vom 18. Oktober 2023 – XI R 22/20

  1. vgl. z.B. BFH, Beschlüsse vom 02.03.2017 – XI B 81/16, BFH/NV 2017, 748, Rz 31; vom 26.04.2018 – XI B 117/17, BFH/NV 2018, 953, Rz 34[]
  2. vgl. BFH, Beschlüsse vom 02.07.2019 – III B 125/18, BFH/NV 2019, 1115, Rz 8; vom 05.08.2022 – VI B 65/21, BFH/NV 2022, 1185, Rz 9[]
  3. vgl. z.B. BFH, Beschluss vom 12.05.2022 – V R 31/20, BFH/NV 2022, 1153, Rz 43, m.w.N.[]
  4. vgl. z.B. BFH, Beschluss vom 23.03.2021 – XI B 69/20, BFH/NV 2021, 1108, Rz 28, m.w.N.[]
  5. vgl. BFH, Beschlüsse vom 06.06.2006 – XI B 162/05, BFH/NV 2006, 1785, unter II.; vom 24.10.2006 – XI B 112/05, BFH/NV 2007, 201, unter a[]