Aus § 78 Abs. 1 FGO lässt sich grundsätzlich weder ein Anspruch auf Überlassung von Fotokopien der gesamten Akten noch ein Anspruch darauf, den gesamten Akteninhalt selbst -ggf. unter Nutzung eines eigenen Kopiergerätes- zu kopieren, herleiten. Dies gilt nicht, wenn der Beteiligte substantiiert und nachvollziehbar darlegt, dass ihm hierdurch erst eine sachgerechte Prozessführung ermöglicht wird. Diese Grundsätze gelten entsprechend für den Fall, dass ein Beteiligter den Akteninhalt mit Hilfe eines eigenen Gerätes scannen will.

In dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall beantragte der Kläger in einem beim Finanzgericht Münster geführten Verfahren, in dem das Finanzamt acht Bände Steuerakten in Papierform an das Finanzgericht übermittelt hat, zunächst Akteneinsicht durch Zusendung der Akten an seine Privatanschrift. Nach einem Hinweis des Finanzgericht über die Möglichkeiten einer Akteneinsicht teilte der Kläger mit, er wünsche unverändert Akteneinsicht, allerdings nicht im Finanzgericht. Er wünsche eine Akteneinsicht im Amtsgericht X, jedoch zwingend mit der Zusage des Finanzgerichts, dass er -der Kläger- bei der Akteneinsicht die gesamte Akte scannen dürfe. Das Finanzgericht Münster lehnte es ab, dem Kläger Akteneinsicht verbunden mit der Erlaubnis zum Scannen der gesamten Akte zu gewähren1. Zwar lägen die Voraussetzungen für die Gewährung einer Einsicht in die (überwiegend) in Papierform geführten Akten vor. Der Antrag, die Akteneinsicht mit der Erlaubnis zum Scannen der gesamten Akte zu erteilen, sei jedoch unbegründet. Der Kläger habe weder einen Anspruch darauf, die Akten unter Nutzung gerichtseigener Kopiergeräte zu kopieren, noch habe er Anspruch auf die Verwendung eines eigenen Kopiergerätes bzw. eines eigenen Gerätes mit Scanfunktion. Ein Sonderfall, in dem ausnahmsweise die Verwendung eines eigenen Kopiergerätes bzw. Gerätes mit Scanfunktion gestattet sei, liege nicht vor. Auch bestehe kein Anspruch auf die Anfertigung von Fotokopien der gesamten Akte bzw. auf Scannen der gesamten Akte durch das Gericht. Weder aus dem Akteninhalt noch dem Vorbringen des Klägers sei zu entnehmen, dass die Vervielfältigung bzw. das Scannen des gesamten Akteninhalts mit einem Umfang von acht Akten zur Erleichterung einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich sei. Das Verlangen nach Ablichtungen einer gesamten, umfänglichen Akte „ins Blaue“ oder „auf Verdacht“ sei von § 78 Abs. 1 FGO nicht vorgesehen.
Der Bundesfinanzhof wies die hiergegen gerichtete Beschwerde als unbegründet zurück:
Der Beschluss ist formell ordnungsgemäß zustande gekommen, denn jedenfalls auch der Vollsenat ist für die Ablehnung eines entsprechenden Antrags zuständig2.
Der Beschluss ist auch im Übrigen rechtmäßig, denn der Kläger hat keinen Anspruch auf das Scannen der gesamten Akten während der Akteneinsicht.
Gemäß § 78 Abs. 1 Satz 1 FGO können die Beteiligten die Gerichtsakte und die dem Gericht vorgelegten Akten einsehen. Sie können sich gemäß § 78 Abs. 1 Satz 2 FGO auf ihre Kosten durch die Geschäftsstelle Ausfertigungen, Auszüge, Ausdrucke und Abschriften erteilen lassen. Das Recht auf Abschriften besteht nur insoweit, als diese erforderlich sind, die Prozessführung zu erleichtern3. Ein Anspruch auf Überlassung von Fotokopien der gesamten Akten (d.h. der Gerichtsakte und der dem Gericht vorgelegten Akten) besteht grundsätzlich nicht, es sei denn, diese ermöglichten überhaupt erst eine sachgerechte Prozessführung. Dies ist substantiiert und nachvollziehbar darzulegen4. Diese Grundsätze gelten auch für den Fall, dass ein Beteiligter mit einem eigenen Kopiergerät den gesamten Akteninhalt erfassen möchte5 und ebenso, wenn der Beteiligte -wie im Streitfall der Kläger- den Akteninhalt mit Hilfe eines eigenen Gerätes scannen will.
An entsprechenden Darlegungen zur Erforderlichkeit des Scannens des gesamten Akteninhalts fehlt es im Streitfall. Weder aus dem Vorbringen des Klägers noch aus dem Akteninhalt ergeben sich Gründe, die ein Recht des Klägers auf ein Scannen der gesamten Akten begründen könnten. Der Kläger hat derlei Gründe weder im Finanzgericht-Verfahren dargetan, noch hat er dies -entgegen seiner Ankündigung- im Beschwerdeverfahren nachgeholt.
Im Rahmen des auf das Scannen des gesamten Akteninhalts gerichteten Antrags des Klägers war weder vom Finanzgericht noch vom BFH zu prüfen, ob ein Anspruch auf das Scannen bestimmter Aktenteile bestehen könnte. Denn hierbei handelte es sich nicht um einen in dem umfassenden Begehren des Klägers enthaltenen Teilanspruch, sondern um einen anderen Anspruch, ein „aliud“6.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 9. August 2021 – VIII B 70/21
- FG Münster, Beschluss vom 27.04.2021 – 2 K 1685/20 E[↩]
- vgl. z.B. BFH, Beschlüsse in BFH/NV 2018, 635; und vom 05.05.2017 – X B 36/17, BFH/NV 2017, 1183, Rz 12[↩]
- BFH, Beschluss in BFH/NV 2008, 1169[↩]
- vgl. BFH, Beschlüsse in BFH/NV 2018, 635; in BFH/NV 2008, 1169, und in BFH/NV 2017, 1183[↩]
- vgl. BFH, Beschluss in BFH/NV 2008, 1169[↩]
- z.B. BFH, Beschluss in BFH/NV 2018, 635, m.w.N.[↩]
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