Ist aufgrund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der aufgrund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, so können nach § 174 Abs. 4 Satz 1 AO aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden.

Gegenüber Dritten gilt Abs. 4, wenn sie an dem Verfahren, das zur Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids geführt hat, beteiligt waren (§ 174 Abs. 5 Satz 1 AO). § 174 AO gilt gemäß § 181 Abs. 1 Satz 1 AO sinngemäß für Feststellungsbescheide.
Das Merkmal „bestimmter Sachverhalt“ ist zentrales Element aller Tatbestände des § 174 AO und deshalb einheitlich auszulegen1. Darunter ist der einzelne Lebensvorgang zu verstehen, an den das Gesetz steuerliche Folgen knüpft.
Es fällt nicht nur die einzelne steuererhebliche Tatsache oder das einzelne Tatbestandsmerkmal hierunter, sondern auch der einheitliche, für die Besteuerung maßgebliche Sachverhaltskomplex. Nach dem Wortlaut aller Tatbestände des § 174 AO ist es dieser „bestimmte Sachverhalt“, der verschiedene einander widerstreitende Steuerfestsetzungen verklammert und die Auflösung des Widerstreits verlangt und erlaubt.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 29. Juni 2016 – II R 14/12
- BFH, Urteil vom 19.08.2015 – X R 50/13, BFHE 251, 389, Rz 20 ff.[↩]