Angefochtene Gewinnfeststellungsbescheide, Besteuerung von Optionsgeschäften, Fragen der Betriebspacht und der Betriebsveräußerung, Golfturniere, nicht erlassene Säumniszuschläge und hochbegabte Kinder als außergewöhnliche Belastung.

Die Anwendbarkeit von § 174 Abs. 4 Satz 1 AO ist nicht dadurch eingeschränkt, dass bereits ein rechtskräftiges Urteil betreffend die Einkommensteuer 2001 existiert. Dieses bindet nach § 110 Abs. 1 FGO nur, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist. Das für das Finanzgericht geltende und von diesem angewandte Verböserungsverbot hinderte das Finanzamt aber nicht, einen Änderungsbescheid zu erlassen, da nach § 110 Abs. 2 FGO die Rechtskraftwirkung des Urteils die Vorschriften der AO u.a. über die Änderung von Verwaltungsakten unberührt lässt. Zwar erlaubt § 174 Abs. 4 Satz 1 AO nicht eine nochmalige Änderung eines bereits durch Gerichtsentscheidung modifizierten Steuerbescheids mit dem Ziel, aus dieser Gerichtsentscheidung Folgerungen zu ziehen, die das Gericht aus Gründen des Verböserungsverbots nicht ziehen durfte1. Diese Aussage bezieht sich jedoch nur auf Korrekturen innerhalb desselben Besteuerungsverfahrens. Der BFH hat in der genannten Entscheidung im Einzelnen ausgeführt, dass sich im Rahmen des § 174 Abs. 4 AO schon begrifflich zwei oder mehrere verschiedene Besteuerungsverfahren gegenüberstehen müssen, in denen der „bestimmte Sachverhalt“ möglicherweise geregelt werden könnte. Deswegen werde zutreffend allgemein von dem Erlass oder der Änderung einer „anderen“ Steuerfestsetzung gesprochen. Mit seinem Urteil vom 08.06.20002 hat der Bundesfinanzhof unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Entscheidung in BFHE 168, 231, BStBl II 1992, 867 erläutert, dass nach § 174 Abs. 4 Satz 1 AO der nämliche Bescheid, der Gegenstand der gerichtlichen Nachprüfung war, grundsätzlich nochmals geändert werden könne, dass es nur nicht zulässig sei, einen durch das Gericht geänderten Bescheid zu Lasten des Steuerpflichtigen erneut zu ändern, wenn die Rechtsfolgen vom Gericht bereits in Betracht gezogen, aber aufgrund der Teilbestandskraft des angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheids bewusst nicht berücksichtigt wurden. Ein allgemeines „Änderungsverbot“ im Hinblick auf § 174 Abs. 4 AO begründet das finanzgerichtliche Verböserungsverbot nicht3.
Mithin schränken das für die Gerichte geltende Verböserungsverbot und die Rechtskraftwirkung des § 110 FGO die Änderbarkeit eines Bescheids nach § 174 Abs. 4 AO nur ein, wenn der zu ändernde Bescheid seinerseits den auf den Rechtsbehelf des Steuerpflichtigen geänderten Bescheid ändern soll. Allein dies ist nicht zulässig4.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 19. August 2015 – X R 50/13
- BFH, Urteil vom 08.07.1992 – XI R 54/89, BFHE 168, 231, BStBl II 1992, 867[↩]
- BFH, Urteil vom 08.06.2000 – IV R 65/99, BFHE 192, 207, BStBl II 2001, 89[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 13.06.2012 – VI R 92/10, BFHE 237, 302, BStBl II 2013, 139; Klein/Rüsken, AO, 12. Aufl., § 174 Rz 51[↩]
- ebenso BFH, Beschluss vom 13.06.2012 – I B 137/11, BFH/NV 2012, 1574[↩]