StraBEG-Erklärung bei fehlender Steuerhinterziehung

Eine strafbefreiende Erklärung nach dem Strafbefreiungserklärungsgesetz (StraBEG) ist unwirksam, wenn ihr keine Steuerhinterziehung oder Steuerordnungswidrigkeit zugrunde liegt. Die durch die Abgabe der Erklärung bewirkte Steuerfestsetzung ist in diesem Fall jedenfalls zur Beseitigung eines Rechtsscheins aufzuheben. Gleiches gilt, wenn das Vorliegen einer Steuerhinterziehung oder Steuerordnungswidrigkeit nicht festgestellt werden kann.

StraBEG-Erklärung bei fehlender Steuerhinterziehung

§ 10 Abs. 3 Satz 1 StraBEG ist auch dann anwendbar, wenn die in § 1 Abs. 1 Satz 1 StraBEG genannten Voraussetzungen für eine strafbefreiende Erklärung nicht erfüllt sind, weil es an einer Steuerhinterziehung oder Steuerordnungswidrigkeit (§ 6 StraBEG) des Steuerpflichtigen fehlt.

Die strafbefreiende Erklärung (§ 1 StraBEG) steht gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 StraBEG einer Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Dies schließt allerdings nach übereinstimmender Auffassung der Finanzverwaltung und der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht die Prüfung aus, ob der Steuerpflichtige eine der in § 1 Abs. 1 Satz 1 StraBEG bezeichneten Taten oder eine Steuerordnungswidrigkeit i.S. des § 6 StraBEG begangen hat. Ist dies nicht der Fall, ist die strafbefreiende Erklärung unwirksam und kann von der Finanzbehörde abgelehnt werden1. Eine versuchte Steuerhinterziehung genügt nicht als Voraussetzung für eine strafbefreiende Erklärung2.

Ob die unwirksame strafbefreiende Erklärung in einem solchen Fall zu einer wirksamen Steuerfestsetzung gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 StraBEG führt, wie das Finanzgericht angenommen hat, oder ob auch die Steuerfestsetzung unwirksam ist, hat der BFH noch nicht ausdrücklich entschieden und kann im Streitfall auf sich beruhen.

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Ist die Steuerfestsetzung wirksam, ist sie nach § 10 Abs. 3 Satz 1 StraBEG aufzuheben, soweit der Steuerpflichtige keine der in § 1 Abs. 1 Satz 1 StraBEG bezeichneten Taten und auch keine Steuerordnungswidrigkeit i.S. des § 6 StraBEG begangen hat.

Die mit der Abgabe der strafbefreienden Erklärung bewirkte Steuerfestsetzung ist nach § 10 Abs. 3 Satz 1 StraBEG aufzuheben oder zu ändern, soweit nach dem StraBEG keine Straf- oder Bußgeldfreiheit eintritt. Ob Straf- oder Bußgeldfreiheit im Sinne der Vorschrift eintritt, richtet sich nach dem ersten Abschnitt des Gesetzes (vgl. § 8 Abs. 1 StraBEG). Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 StraBEG wird u.a. nicht nach den §§ 370, 370a AO bestraft, wer die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen und dadurch Schenkungsteuer verkürzt hat, wenn auch die weiteren Voraussetzungen der Norm vorliegen. Entsprechendes gilt gemäß § 6 StraBEG für Steuerordnungswidrigkeiten.

Soweit es bei einer strafbefreienden Erklärung an einer vollendeten Steuerhinterziehung oder Steuerordnungswidrigkeit fehlt, ist die durch die Abgabe der Erklärung bewirkte Steuerfestsetzung gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 StraBEG aufzuheben oder zu ändern3. § 10 Abs. 3 Satz 1 StraBEG ist eine eigenständige Änderungsvorschrift, die nicht die Einlegung eines Einspruchs (§ 347 AO) gegen die ursprüngliche Steuerfestsetzung voraussetzt.

Ist die Steuerfestsetzung bei einer unwirksamen strafbefreienden Erklärung ebenfalls unwirksam, dient ihre Aufhebung gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 StraBEG der Beseitigung eines Rechtsscheins.

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§ 10 Abs. 3 Satz 1 StraBEG ist nicht nur anwendbar, soweit das Fehlen einer Steuerhinterziehung oder Steuerordnungswidrigkeit positiv festgestellt werden kann. Vielmehr ist § 10 Abs. 3 Satz 1 StraBEG bereits dann anwendbar, wenn das Vorliegen einer Steuerhinterziehung oder Steuerordnungswidrigkeit des Steuerpflichtigen nicht festgestellt werden kann. Wie der Bundesfinanzhof im Urteil in BFH/NV 2011, 1477 ausgeführt hat, ist der Grundsatz „in dubio pro reo“ auch bei Anwendung des StraBEG beachtlich mit der Folge, dass bei bestehenden Zweifeln über eine Tatbegehung die Unschuldsvermutung gilt und das StraBEG keine Anwendung findet, weil dann nicht von einer begangenen Straftat (oder Steuerordnungswidrigkeit) ausgegangen werden kann.

Die durch die strafbefreiende Erklärung bewirkte Steuerfestsetzung ist jedenfalls zur Beseitigung des Rechtsscheins ihrer vollständigen Wirksamkeit um den Betrag zu vermindern, der auf die in der Erklärung erfassten Zuwendungen in Bezug auf die Stiftungen entfällt, also um 965.489, 75 EUR; denn das Finanzgericht hat in diesem Zusammenhang das Entstehen von Schenkungsteuer teilweise verneint und im Übrigen nicht positiv festgestellt, sondern ausgeführt, wahrscheinlich sei insgesamt keine Schenkungsteuer entstanden. Die Verletzung von Mitwirkungspflichten kann dem Kläger in diesem Zusammenhang nicht zum Vorwurf gemacht werden. Dies gilt auch für die sog. erweiterten Mitwirkungspflichten bei Auslandssachverhalten nach § 90 Abs. 2 AO i.V.m. § 76 Abs. 1 Satz 4 FGO4.

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Festsetzungsverjährung steht der Änderung nicht entgegen, soweit die Festsetzungsfrist bei der Stellung des Änderungsantrags noch nicht abgelaufen war. Sie betrug nach § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO vier Jahre und begann mit Ablauf des Jahres 2004, in dem der Steuerpflichtige die strafbefreiende Erklärung abgegeben hat5.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 1. Oktober 2014 – II R 6/13

  1. BFH, Urteil vom 04.12 2012 – VIII R 50/10, BFHE 239, 495, BStBl II 2014, 222[]
  2. BFH, Urteil vom 17.05.2011 – VIII R 31/08, BFH/NV 2011, 1477, Rz 9 ff.[]
  3. BFH, Urteil in BFH/NV 2011, 1477, Rz 14[]
  4. BFH, Urteil vom 07.11.2006 – VIII R 81/04, BFHE 215, 66, BStBl II 2007, 364[]
  5. Levedag, Finanz-Rundschau 2006, 491, 493 f., m.w.N.[]