Tatbestandsberichtigungsantrag – und die Rechtsmittelbelehrung

§ 55 FGO verlangt keine Rechtsmittelbelehrung in Bezug auf außerordentliche Rechtsbehelfe. Einer Belehrung über die Möglichkeit, einen Antrag auf Berichtigung des Tatbestands stellen zu können, bedarf es daher nicht.

Tatbestandsberichtigungsantrag – und die Rechtsmittelbelehrung

Auch ein Prozessbevollmächtigter, der die routinemäßige Berechnung und Kontrolle der in seinem Büro gängigen Fristen in zulässiger Weise einer zuverlässigen und sorgfältig ausgewählten sowie überwachten Bürokraft übertragen hat, ist zur eigenverantwortlichen Prüfung des Fristablaufs verpflichtet, wenn ihm die Sache zur Vorbereitung der fristgebundenen Prozesshandlung vorgelegt wird oder sich sonst die Notwendigkeit einer Überprüfung aufdrängt.

Gemäß § 108 Abs. 1 FGO kann die Berichtigung binnen zwei Wochen nach Zustellung des Urteils beantragt werden.

In dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall wurde das finanzgerichtliche Urteil dem Kläger am 30.08.2023 zugestellt. Die zweiwöchige Frist lief damit am 13.09.2023 (Mittwoch) ab. Der Antrag ging aber erst am 15.09.2023 beim Finanzgericht ein. Die Einlegungsfrist hat sich auch nicht in Anwendung des § 55 Abs. 2 FGO auf ein Jahr verlängert. Dies würde voraussetzen, dass die Rechtsbehelfsbelehrung im FG, Urteil unterblieben oder unrichtig erteilt worden wäre, was hier aber nicht der Fall ist.

§ 55 FGO wird in ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung dahingehend ausgelegt, dass keine Belehrungspflicht über außerordentliche Rechtsbehelfe besteht1. Dies gilt auch für den hier zu beurteilenden Tatbestandsberichtigungsantrag2.

Nach Ansicht des Bundesfinanzhofs zu Recht hat das Finanzgericht im vorliegenden Fall auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgelehnt:

Nach § 56 Abs. 1 FGO ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Dabei genügt jeder Grad des Verschuldens, also auch bereits einfache Fahrlässigkeit3. Ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten ist dem vertretenen Beteiligten zuzurechnen (§ 85 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 155 Satz 1 FGO).

Zutreffend hat das Finanzgericht hier bereits ein eigenes Verschulden des für die Prozessbevollmächtigten des Klägers tätigen Rechtsanwalts (R) bejaht. Auf die Frage, ob das vom Kläger vorgetragene Versäumnis einer Büroangestellten der Prozessbevollmächtigten entschuldbar war, kommt es danach nicht mehr an, sodass das Finanzgericht auf dieses Vorbringen zu Recht nicht eingegangen ist.

Der Kläger hat vorgetragen, R habe, nachdem er sich entschlossen habe, einen Antrag auf Tatbestandsberichtigung in Erwägung zu ziehen, eine Büroangestellte am 04.09.2023 telefonisch gebeten, den hierfür geltenden Fristablauf sowie die übliche Vorfrist in das elektronische Fristensystem der Kanzlei einzugeben. Dies habe die Angestellte jedoch aufgrund eines plötzlichen Migräneanfalls unterlassen. R habe den Tatbestandsberichtigungsantrag ab dem 11.09.2023 anhand der elektronischen Akten ausgearbeitet. Bei ihm habe sich aus Gründen, die er nicht mehr rekonstruieren könne, der 15.09.2023 als Tag des Fristablaufs „festgesetzt“. Er habe sich daher bis zu diesem Tag „gefühlt“ im sicheren Bereich befunden. Eine Veranlassung, die Frist selbst nachzuprüfen, habe er nicht mehr gesehen, da er sich auf die Fristenkontrolle der Kanzlei verlassen habe. Die Frist habe er als kontrolliert und gewahrt empfunden, was auch die Sicherheit eingeschlossen habe, dass die Frist ordnungsgemäß im elektronischen Fristensystem eingetragen worden sei.

Auch ein Prozessbevollmächtigter, der die routinemäßige Berechnung und Kontrolle der in seinem Büro gängigen Fristen in zulässiger Weise einer zuverlässigen und sorgfältig ausgewählten sowie überwachten Bürokraft übertragen hat, ist zur eigenverantwortlichen Prüfung des Fristablaufs verpflichtet. Er hat deshalb den Ablauf einer Rechtsmittelbegründungsfrist eigenverantwortlich zu prüfen, wenn ihm die Akten im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung, insbesondere zu deren Bearbeitung, vorgelegt werden oder sich sonst die Notwendigkeit einer Überprüfung aufdrängt. Ihm obliegt deshalb bei Bearbeitung der fristgebundenen Handlung eigenverantwortlich auch die Prüfung, ob die jeweilige Frist notiert ist4.

Vorliegend ergibt sich schon aus dem eigenen Vorbringen des Klägers, dass R eine solche eigenverantwortliche Prüfung des Fristablaufs bei Bearbeitung der Sache unterlassen hat. Eine gefühlte und damit nur vermeintliche Sicherheit, dass Dritte die Frist kontrolliert haben würden, ersetzt die eigenverantwortliche Prüfung gerade nicht. Das Finanzgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass bei Beginn der Bearbeitung der Sache durch R am 11.09.2023 die Zwei-Wochen-Frist für die Stellung eines Tatbestandsberichtigungsantrags noch lief und daher das Unterlassen einer Fristprüfung durch R kausal für die Versäumung der Frist geworden ist.

Ob es sich -wie vorgetragen- um ein einmaliges Ereignis in der 47-jährigen Berufstätigkeit des R gehandelt hat und wie eine solche Behauptung glaubhaft zu machen sein könnte, kann dahinstehen, da es darauf nicht ankommt. Das Verschulden des R mag im Streitfall leicht sein; für die Versagung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand genügt aber -wie oben unter 3.a dargelegt- jeder Grad von Fahrlässigkeit.

Ebenso ist für die Entscheidung über die Beschwerde unerheblich, ob die Frist für einen Tatbestandsberichtigungsantrag von der eingesetzten Kanzleisoftware abgefragt wird oder nicht. Denn der Kläger hat nicht vorgetragen, dass R selbst die Software bedient und die Fristeinträge vornimmt. Gleichwohl wäre es die eigene Aufgabe des R gewesen, die Frist bei Bearbeitung der Sache zu kontrollieren, insbesondere aber zu prüfen, ob -was hier von vornherein nicht geschehen war- überhaupt eine Frist eingetragen worden ist.

Bundesfinanzhof, Beschluss vom 2. August 2024 – X B 9/24

  1. BFH, Beschluss vom 26.06.2003 – III K 1/03, BFH/NV 2003, 1436, unter II. 2.: Wiederaufnahmeklage; BFH, Beschluss vom 30.06.2005 – III B 63/05, BFH/NV 2005, 2019, unter II. 2.; ebenso zur Auslegung der Parallelvorschrift des § 58 der Verwaltungsgerichtsordnung von Albedyll in Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, Verwaltungsgerichtsordnung, 8. Aufl.2021, § 58 Rz 6, m.w.N.[]
  2. Leipold in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 55 FGO Rz 7, 20; Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 55 Rz 5; ebenso zur Parallelvorschrift des § 66 des Sozialgerichtsgesetzes Senger in Schlegel/Voelzke, juris Praxiskommentar Sozialgerichtsgesetz, 2. Aufl., § 66 SGG Rz 15[]
  3. BFH, Beschluss vom 24.06.2008 – X R 38/07, BFH/NV 2008, 1517, unter II. 2. vor a[]
  4. vgl. BFH, Urteil vom 29.04.2008 – I R 67/06, BFHE 221, 201, BStBl II 2011, 55; BFH, Beschlüsse vom 27.07.2010 – IX B 174/09, BFH/NV 2010, 2097, Rz 5, m.w.N.; vom 29.12.2010 – IV B 50/10, BFH/NV 2011, 627, Rz 13; vom 28.08.2014 – VII B 12/14, BFH/NV 2015, 43, Rz 9 f.; vom 20.07.2016 – I R 6/16, BFH/NV 2016, 1733, Rz 12; und vom 23.08.2016 – IX R 15/16, BFH/NV 2017, 47, Rz 15[]