Eine gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 96 Abs. 2 FGO) verstoßende Überraschungsentscheidung liegt nur vor, wenn das Finanzgericht sein Urteil auf einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt stützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Auffassungen nach dem bisherigen Verlauf der Verhandlung nicht rechnen musste1.

Eine unzulässige Überraschungsentscheidung ist dagegen nicht gegeben, wenn das Finanzgericht das angefochtene Urteil auf einen rechtlichen Gesichtspunkt gestützt hat, der im bisherigen Verfahren zumindest am Rande angesprochen worden ist2.
Dies gilt insbesondere, wenn die betreffende Rechtsfrage erkennbar von Anfang an ein maßgeblicher Streitpunkt des Verfahrens war, zu dem beide Beteiligten Stellung genommen hatten, und das Finanzgericht in der mündlichen Verhandlung lediglich eine mögliche rechtliche Würdigung dieser unstreitig zum Verfahrensstoff zählenden Frage vorgenommen hat. Dass die Klägerin ein anderes Ergebnis der rechtlichen Würdigung erwartet oder erhofft hatte, begründet keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 6. Dezember 2016 – IX R 17/15