Überzahlung des Drittschuldners gegenüber dem Finanzamt

Das Finanzamt darf über das Erstattungsbegehren des Drittschuldners, der zuviel gezahlt hat, nicht durch Abrechnungsbescheid entscheiden.

Überzahlung des Drittschuldners gegenüber dem Finanzamt

Nach § 218 Abs. 2 Satz 2 AO entscheidet die Finanzbehörde über Streitigkeiten, die die Verwirklichung der Ansprüche im Sinne des Abs. 1 betreffen, durch Verwaltungsakt. Dies gilt auch, wenn die Streitigkeit einen Erstattungsanspruch (§ 37 Abs. 2 AO) betrifft. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt, da es sich nicht um eine Streitigkeit über einen Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO handelt. § 37 Abs. 2 AO betrifft den Fall, dass eine Steuer ohne rechtlichen Grund gezahlt oder zurückgezahlt worden ist. Im Streitfall geht es nicht darum, ob auf eine Steuerschuld gezahlt worden ist. Die Steuerschuld existiert unstreitig in der gepfändeten Höhe. Die Klägerin hat vielmehr auf eine nicht existierende Forderung der Vollstreckungsschuldnerin ihr gegenüber geleistet. Zur Geltendmachung der gepfändeten Forderung des Vollstreckungsschuldners wäre der Zivilrechtsweg gegeben. Dieser ist damit auch für den Vollstreckungsgläubiger gegeben1. Der Drittschuldner hat gegenüber dem Finanzamt aufgrund der Überzahlung einen Bereicherungsanspruch nach § 812 BGB.

Der Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 28. September 19992 ist im Streitfall nicht einschlägig, da es in diesem Fall um ein Einkommensteuererstattungsguthaben des Vollstreckungsschuldners ging und damit um die Zahlung einer Steuer ohne rechtlichen Grund. Aus demselben Grund ist auch das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 22. November 20113 nicht einschlägig.

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Der vom Finanzgericht übergangene Sachantrag

Auch für den Zahlungsanspruch ist der Rechtsweg zu den Finanzgerichten eröffnet. Nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO ist der Finanzrechtsstreit gegeben in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten über Abgabenangelegenheiten. Nach Abs. 2 der vorgenannten Vorschrift sind Abgabenangelegenheiten alle mit der Verwaltung der Abgaben einschließlich der Abgabenvergütungen oder sonst mit der Anwendung der abgabenrechtlichen Vorschriften durch die Finanzbehörden zusammenhängenden Angelegenheiten. Wie das Finanzgericht Köln ausgeführt hat, ist im Streitfall zwar das Schuldverhältnis zwischen dem Drittschuldner und dem Vollstreckungsschuldner maßgeblich. Dies gilt nicht nur für die Frage, welche Möglichkeiten das Finanzamt hat, sondern auch für die Frage in welchem Verfahren und vor welchem Gericht der Drittschuldner seine Ansprüche geltend machen muss.

Die Zulässigkeit des Finanzrechtsweges folgt aber aus § 17 Abs. 2 GVG. Nach dieser Vorschrift entscheidet das Gericht des zulässigen Rechtswegs den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten. § 17 Abs. 2 GVG eröffnet dem Gericht des zulässigen Rechtswegs eine rechtswegüberschreitende Sachkompetenz, wenn es sich um einen einheitlichen prozessualen Anspruch handelt. Werden im Wege der Klagehäufung mehrere selbständige Ansprüche gemeinsam geltend gemacht, so muss die Voraussetzung der Zulässigkeit des Rechtswegs grundsätzlich für jeden Anspruch getrennt geprüft werden4. Dies gilt nach Auffassung des Finanzgerichts Köln jedoch nicht für den Fall, dass der Beklagte den Streit durch Erlass eines Abrechnungsbescheids vor das Finanzgericht gebracht hat. In diesem Fall handelt es sich in Bezug auf die Anfechtung des Abrechnungsbescheids und den Zahlungsanspruch, über dessen Bestehen bzw. Nichtbestehen durch den Abrechnungsbescheid entschieden werden sollte, nicht um selbständige, sondern zusammenhängende Ansprüche. Dann entspricht es Sinn und Zweck des § 17 GVG, hierüber einheitlich zu entscheiden. Dies kann nur das Finanzgericht, da für die Anfechtung des Abrechnungsbescheids nur der Finanzrechtsweg eröffnet ist.

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Die aufrechenbare Gegenforderung in der Drittschuldnererklärung

Der Drittschuldner hat gegen das Finanzamt einen Anspruch auf Rückzahlung des irrtümlich gezahlten Betrags aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB. Besteht die gepfändete Forderung nicht, steht dem Drittschuldner, der an den Gläubiger geleistet hat, der Anspruch gegen den Gläubiger unmittelbar zu5.

Finanzgericht Köln, Urteile vom 15. Februar 2012 – 10 K 3397/09 und 10 K 1942/10

  1. vgl. Kruse in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 315 AO, Tz. 3 [Stand Januar 2010][]
  2. BFH, Beschluss vom 28.09.1999 – VII B 35/99, BFH/NV 2000, 305[]
  3. BFH, Urteil vom 22.11.2011 – VII R 27/11[]
  4. vgl. Lückemann in Zöller, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 17 GVG, Rn. 6[]
  5. BGH, Urteil vom 13.6.2002 – IX ZR 242/01, BGHZ 151, 127 = NJW 2002, 2871; Stöber in Zöller, a.a.O., § 836 ZPO, Rn 7[]