Umstellung einer vorbeugenden Unterlassungsklage in eine Feststellungsklage

Eine vorbeugende Unterlassungsklage kann nach ihrer Erledigung als Feststellungsklage zulässig bleiben, wenn es prozessökonomisch sinnvoll ist, die maßgebliche Rechtsfrage in dem bereits anhängigen und aufwändig betriebenen Verfahren zu klären. Der Kläger ist trotz Schaffung vollendeter Tatsachen in dem noch nicht rechtskräftig entschiedenen Verfahren zu halten.

Umstellung einer vorbeugenden Unterlassungsklage in eine Feststellungsklage

Hat sich die zulässigerweise erhobene vorbeugende Unterlassungsklage während des Verfahrens (hier: durch das zwischenzeitlich tatsächlich umgesetzte Auskunftsersuchen an Dritte) erledigt, führt dies nicht zum Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses und damit zur Unzulässigkeit der Unterlassungsklage. Vielmehr ist die Klägerin berechtigt, ihr Klagebegehren, die Rechtswidrigkeit der Androhung des Auskunftsersuchens feststellen zu lassen, im Wege einer allgemeinen Feststellungsklage gemäß § 41 Abs. 1 FGO weiterzuverfolgen.

Aufgrund des zwischenzeitlich vollzogenen Auskunftsersuchens des Finanzamt hat sich die vorbeugende Unterlassungsklage der Klägerin zwar erledigt, sie kann ihr Begehren aber als Feststellungsklage weiterverfolgen.

Anders als eine Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage ist die Unterlassungsklage als Unterfall einer Leistungsklage nach ihrer Erledigung nicht in eine Fortsetzungsfeststellungsklage umstellbar. Denn die Fortsetzungsfeststellungsklage ist ein Unterfall der Anfechtungsklage1, der analog auf den Fall der Verpflichtungsklage ausgedehnt wird2. In beiden Fällen verlangt die Fortsetzungsfeststellungsklage somit das Vorliegen eines Verwaltungsakts, der bei der Androhung eines Auskunftsersuchens gerade (noch) nicht gegeben ist. Auch ist das zwischenzeitlich durchgeführte Auskunftsersuchen und damit der (nachfolgende) Verwaltungsakt3 in einem separaten Verwaltungsverfahren erlassen worden. Er kann schon deshalb nicht Gegenstand des streitgegenständlichen Klageverfahrens nach § 68 Satz 1 i.V.m. § 127 FGO werden.

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Vorliegend ist die vorbeugende Unterlassungsklage jedoch in eine Feststellungsklage gemäß § 41 Abs. 1 FGO übergegangen. Denn das Klageinteresse ist so zu verstehen, dass die Klägerin stets (auch) die Feststellung begehrte, die Rechtmäßigkeit eines vom Finanzamt geplanten Auskunftsersuchens im Hinblick auf ihr Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und ihr Recht auf Wahrung des Steuergeheimnisses nachträglich gerichtlich überprüfen zu lassen. Die Feststellungsklage scheitert nicht daran, dass die Klägerin ihr Prozessziel auf anderem Weg schneller, einfacher und billiger erreichen kann4. Eine solche Möglichkeit ist hier gerade nicht (mehr) gegeben. Weder muss sich die Klägerin auf eine neue Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO in Bezug auf das Auskunftsersuchen verweisen lassen noch kann es relevant sein, dass sie bereits im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Androhung des Auskunftsersuchens vorgegangen ist.

Der Übergang von einer Leistungsklage zur Feststellungsklage stellt keine nach § 123 Abs. 1 Satz 1 FGO im Revisionsverfahren unzulässige Klageänderung dar, da es sich lediglich um eine Einschränkung der allgemeinen Leistungsklage handelt5.

Die Feststellungsklage ist gemäß § 41 Abs. 1 FGO zulässig. Es besteht weiterhin ein Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin. Gerade mittels einer Feststellungsklage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Um die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses in diesem Sinn geht es auch, wenn -wie hier- die Rechtswidrigkeit von Verwaltungshandeln, das keinen Verwaltungsakt darstellt (§ 118 Satz 1 AO), gegenüber dem Betroffenen festgestellt werden soll6.

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Der Zulässigkeit der Feststellungsklage steht § 41 Abs. 2 Satz 1 FGO nicht entgegen.

Hiernach kann zwar die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. § 41 Abs. 2 Satz 1 FGO ist aber ebenso wie die vergleichbare Regelung des § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO ihrem Zweck entsprechend einschränkend auszulegen und anzuwenden7. Droht keine Umgehung der für Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen geltenden Bestimmungen über Fristen und Vorverfahren, steht § 41 Abs. 2 Satz 1 FGO der Feststellungsklage ebenso wenig entgegen wie in Fällen, in denen diese den effektiveren Rechtsschutz bietet. Kann die zwischen den Beteiligten streitige Frage sachgerecht und dem Rechtsschutzinteresse des Rechtsmittelführers voll Rechnung tragend durch das Feststellungsurteil geklärt werden, verbietet es sich, diesen auf eine (neue) Fortsetzungsfeststellungsklage zu verweisen.

Vorliegend werden die besonderen Sachentscheidungsvoraussetzungen, die für Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen gelten, durch die Umstellung der als allgemeine Leistungsklage (in Form der vorbeugenden Unterlassungsklage) erhobenen Klage in eine allgemeine Feststellungsklage nicht unterlaufen. Denn auch die Zulässigkeit der allgemeinen Leistungsklage ist weder von einer Klagefrist noch von der Durchführung eines Vorverfahrens abhängig.

Die materiell-rechtliche Rechtsfrage -die Rechtswidrigkeit des (angedrohten) Auskunftsersuchens- ist zudem dieselbe, welche die Klägerin sowohl mit ihrer vorbeugenden Unterlassungsklage als auch mit der daraus erwachsenen Feststellungsklage klären will.

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Ebenso ist das erforderliche Feststellungsinteresse und damit ein Rechtsschutzinteresse der Klägerin vorliegend gegeben. Zum einen besteht neben der Wiederholungsgefahr ein Rehabilitationsinteresse. Darüber hinaus ist es prozessökonomisch wenig verständlich, warum die maßgebliche Rechtsfrage nicht im bereits anhängigen und aufwändig betriebenen Verfahren geklärt werden soll. Wie im Fall einer Fortsetzungsfeststellungsklage gilt, dass „eine Partei nicht ohne Not um die Früchte des bisherigen Prozesses gebracht werden darf, insbesondere dann nicht, wenn das Verfahren unter entsprechendem Aufwand einen bestimmten Stand erreicht hat und sich mit der Erledigung des ursprünglichen Antrages die Frage stellt, ob dieser Aufwand nutzlos gewesen sein soll und der Kläger der (häufig nicht auf sein Verhalten zurückgehenden) Erledigung wegen in diesem Verfahren leer ausgehen muss“.8

Gerade im vorliegenden Fall, in dem allein das Finanzamt durch Schaffung vollendeter Tatsachen trotz einer noch nicht rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung die nachträgliche Unzulässigkeit der Klage und damit das Hinausdrängen der Klägerin aus dem schon seit längerer Zeit betriebenen Verfahren bewirken würde, muss sichergestellt sein, dass das Verfahren beendet werden kann. Dies ist aufgrund des Feststellungsantrags als „Minus“ zum Leistungsantrag möglich.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 14. April 2021 – X R 25/19

  1. BFH, Urteil vom 02.06.1987 – VIII R 192/83, BFH/NV 1988, 104, unter I. 2.a, m.w.N.[]
  2. BFH, Urteil vom 12.06.1996 – II R 71/94, BFH/NV 1996, 873, unter II. 1., m.w.N.[]
  3. vgl. hierzu nur BFH, Urteil in BFHE 251, 112, BStBl II 2016, 135, Rz 26[]
  4. vgl. hierzu BFH, Urteil vom 10.02.1987 – VII R 77/84, BFHE 149, 387, BStBl II 1987, 545, unter B.I. 2., m.w.N.[]
  5. vgl. BFH, Urteil vom 18.01.2012 – II R 49/10, BFHE 235, 151, BStBl II 2012, 168, Rz 16, m.w.N.[]
  6. vgl. nur BFH, Urteil vom 29.04.2008 – I R 79/07, BFH/NV 2008, 1807, unter II. 1.[]
  7. BVerwG, Urteil vom 29.04.1997 – 1 C 2/95, NJW 1997, 2534, unter 4., m.w.N., zu § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO[]
  8. so schon BVerwG, Urteil vom 18.04.1986 – 8 C 84/84 – Buchholz 310 § 161 VwGO Nr. 69 S. 9, 13 f. unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 28.04.1967 – IV C 163.65 – Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 36 S. 64, 66[]
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