Die Abholung und Entsorgung von Speiseabfällen aus Restaurants und Großküchen stellt keine landwirtschaftliche Dienstleistung dar, die der Pauschalbesteuerung nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG unterliegt.

Durchschnittssatzbesteuerung für Landwirte
Für die im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs ausgeführten Umsätze wird die Steuer für Dienstleistungen i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 9 UStG gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG und die diesen Umsätzen zuzurechnenden Vorsteuerbeträge gemäß § 24 Abs. 1 Satz 3 UStG auf jeweils neun Prozent der Bemessungsgrundlage festgesetzt.
Als land- und forstwirtschaftlicher Betrieb gelten nach § 24 Abs. 2 Satz 1 UStG
- die Landwirtschaft, die Forstwirtschaft, der Wein‑, Garten-, Obst- und Gemüsebau, die Baumschulen, alle Betriebe, die Pflanzen und Pflanzenteile mit Hilfe der Naturkräfte gewinnen, die Binnenfischerei, die Teichwirtschaft, die Fischzucht für die Binnenfischerei und Teichwirtschaft, die Imkerei, die Wanderschäferei sowie die Saatzucht;
- Tierzucht- und Tierhaltungsbetriebe, soweit ihre Tierbestände nach den §§ 51 und 51a des Bewertungsgesetzes zur landwirtschaftlichen Nutzung gehören,
Zum land- und forstwirtschaftlichen Betrieb gehören nach § 24 Abs. 2 Satz 1 UStG auch die Nebenbetriebe, die dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zu dienen bestimmt sind.
§ 24 UStG ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs richtlinienkonform entsprechend dem geltenden Unionsrecht, in den Streitjahren Art. 25 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG, auszulegen1.
Nach Art. 25 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG können die Mitgliedstaaten auf landwirtschaftliche Erzeuger, bei denen die Anwendung der normalen Mehrwertsteuerregelung oder gegebenenfalls der vereinfachten Regelung nach Art. 24 der Richtlinie 77/388/EWG auf Schwierigkeiten stoßen würde, als Ausgleich für die Belastung durch die Mehrwertsteuer, die auf die von den Pauschallandwirten bezogenen Gegenstände und Dienstleistungen gezahlt wird, eine Pauschalregelung anwenden. Nach Art. 25 Abs. 2 fünfter Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG gelten als landwirtschaftliche Dienstleistungen die in Anhang B aufgeführten Dienstleistungen, die von einem landwirtschaftlichen Erzeuger mit Hilfe seiner Arbeitskräfte und/oder der normalen Ausrüstung seines landwirtschaftlichen, forstwirtschaftlichen oder Fischereibetriebs vorgenommen werden. Als landwirtschaftliche Dienstleistungen gelten nach Anhang B der Richtlinie 77/388/EWG Dienstleistungen, die normalerweise zur landwirtschaftlichen Produktion beitragen, wie z.B. „Hüten, Zucht und Mästen von Vieh“ (vierter Gedankenstrich).
Sonstige Umsätze der Pauschallandwirte
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union gilt Art. 25 der Richtlinie 77/388/EWG nur für die Lieferung landwirtschaftlicher Erzeugnisse und die Erbringung landwirtschaftlicher Dienstleistungen, wie sie in Abs. 2 dieser Bestimmung definiert sind; demgegenüber unterliegen die sonstigen Umsätze der Pauschallandwirte der allgemeinen Besteuerungsregelung2. Weiter sind die von Art. 25 der Richtlinie 77/388/EWG verwendeten Begriffe in der gesamten Gemeinschaft autonom und einheitlich auszulegen3. Dabei ist die Sonderregelung nach Art. 25 der Richtlinie 77/388/EWG eng auszulegen und darüber hinaus nur insoweit anzuwenden, als dies zur Erreichung ihres Zieles erforderlich ist4. Dieses Ziel besteht darin, die Belastung durch die Steuer auf die von den Landwirten bezogenen Gegenstände und Dienstleistungen dadurch auszugleichen, dass den landwirtschaftlichen Erzeugern, die ihre Tätigkeit im Rahmen eines landwirtschaftlichen, forstwirtschaftlichen oder Fischereibetriebs ausüben, ein Pauschalausgleich gezahlt wird, wenn sie landwirtschaftliche Erzeugnisse liefern oder landwirtschaftliche Dienstleistungen erbringen5. Keine „landwirtschaftlichen Dienstleistungen“ sind daher Leistungen, die keinen landwirtschaftlichen Zwecken dienen und sich nicht auf normalerweise in land‑, forst- und fischwirtschaftlichen Betrieben verwendete Mittel beziehen6.
Dieser Auslegung folgt die Rechtsprechung des BFH7. Die ertragsteuerrechtliche Beurteilung ist daher ohne Bedeutung8.
Abholung und Entsorgung der Speiseabfälle
Bei Anwendung dieser Grundsätze handelt es sich bei den streitbefangenen Leistungen nicht um landwirtschaftliche Dienstleistungen, die der Pauschalbesteuerung nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG unterliegen.
Eine Ausweitung des Anwendungsbereiches des § 24 UStG auf die von Landwirten durchgeführte Entsorgung von in Restaurants und Großküchen anfallenden Speiseabfällen ist mit Art. 25 der Richtlinie 77/388/EWG nicht vereinbar. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Entsorgung von Speiseresten in der Liste der landwirtschaftlichen Dienstleistungen gemäß Anhang B der Richtlinie 77/388/EWG nicht ausdrücklich aufgeführt ist. Bei der gebotenen engen Auslegung9 handelt es sich nicht um das Mästen von Vieh im Sinne von Anhang B vierter Gedankenstrich i.V.m. Art. 25 Abs. 2 fünfter Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG.
Dabei kann es dahinstehen, ob die Speiseresteentsorgung innerhalb eines landwirtschaftlichen Nebenbetriebs erfolgt ist. Die Zuordnung zu einem landwirtschaftlichen Nebenbetrieb ändert nichts daran, dass nur landwirtschaftliche Dienstleistungen der Durchschnittssatzbesteuerung unterliegen. Eine solche liegt hier nicht vor.
Vertrauensschutz
Eine abweichende Beurteilung ergibt sich auch nicht aufgrund schutzwürdigen Vertrauens.
Soweit der Vortrag des Klägers dahin zu verstehen ist, dass er aufgrund Abschn. 264 Abs. 1 Satz 2 der Umsatzsteuer-Richtlinien 2000 bzw.2005 i.V.m. R 135 Abs. 3 und 4 bzw. R 15.5 der in den Streitjahren gültigen Fassung der Einkommensteuer-Richtlinien darauf vertraut habe, dass auch die Entsorgungsleistungen der Durchschnittssatzbesteuerung unterliegen, ist dieses Vertrauen im Streitfall nicht nach § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO geschützt. Die Vorschrift ist bei Erstbescheiden nicht anwendbar10. Da der Kläger weder Umsatzsteuervoranmeldungen noch Jahressteuererklärungen für die Streitjahre eingereicht hat, die gemäß § 168 Satz 1 AO als Festsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gelten könnten, handelt es sich bei den angegriffenen Bescheiden um Erstbescheide.
Ob eine Billigkeitsmaßnahme nach § 163 AO diesen Aspekt ggf. berücksichtigen könnte, kann im vorliegenden Verfahren nicht entschieden werden11.
Soweit sich der Kläger darauf beruft, dass der streitige Sachverhalt durch das Finanzamt bei vorangegangenen Betriebsprüfungen nicht beanstandet wurde, begründet dies nach ständiger Rechtsprechung keinen Vertrauensschutz. Eine Bindung des Finanzamt an eine früher erfolgte rechtliche Beurteilung kann sich nur aufgrund einer verbindlichen Zusage gemäß § 204 AO oder einer nach Treu und Glauben verbindlichen Auskunft ergeben12. Dafür ist nichts ersichtlich.
In einer dem UStG und der Richtlinie 77/388/EWG entsprechenden, d.h. gesetzmäßigen Besteuerung vermag der BFH weder eine Verletzung der in Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG verbürgten Grundrechte, noch einen Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art.20 Abs. 3 GG) zu sehen. Unbillige Härten, die aufgrund eines schutzwürdigen Vertrauens in eine fehlerhafte rechtliche Beurteilung entstehen, sind im Wege des § 163 AO geltend zu machen. Dieses Verfahren bietet den Betroffenen ausreichenden Rechtsschutz13.
Gleichbehandlungsgrundsatz: Biogasanlage oder Fertigfutter
Einen vom Kläger behaupteten Verstoß des Finanzgericht, Urteils gegen Art. 3 Abs. 1 GG im Hinblick auf die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung der Speiseresteabholung zur Verwertung in einer Biogasanlage vermag der Bundesfinanzhof nicht zu erkennen. Die Speiseresteentsorgung gegen Entgelt stellt unabhängig davon, ob der leistende Unternehmer eine Biogasanlage oder eine Schweinemast betreibt, keine landwirtschaftliche Dienstleistung i.S. von § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG dar.
Eine möglicherweise unzutreffende Besteuerung eines Konkurrenten ist im Wege der Konkurrentenklage geltend zu machen14, in deren Rahmen zu klären ist, ob dem Kläger insoweit ein subjektives Recht auf Schutz gegenüber der Konkurrenz zusteht. Der Gleichheitssatz vermittelt jedenfalls keinen Anspruch auf Anwendung einer rechtswidrigen Verwaltungspraxis und damit auf „Gleichheit im Unrecht„15.
Auch der Hinweis des Klägers auf eine vermeintliche „Ungleichbehandlung“ zu einem Betrieb, der Fertigfutter erwirbt, führt zu keiner anderen Beurteilung. Es fehlt bereits an einem vergleichbaren Sachverhalt, da der Erwerb von Fertigfutter keine Ausgangsleistung ist, die mit den streitigen Leistungen des Klägers verglichen werden könnte.
Schätzung des Entsorgungsentgelts
Die Schätzung des Finanzgericht zur Höhe des für die Entsorgungsleistungen gezahlten Entgelts ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Die Schätzung gehört zu den tatsächlichen Feststellungen i.S. des § 118 Abs. 2 FGO. Der BFH kann sie nur darauf überprüfen, ob sie zulässig war, ob sie verfahrensrechtlich einwandfrei zustande gekommen ist, und ob das Finanzgericht anerkannte Schätzungsgrundsätze, Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze beachtet hat, d.h. ob das Ergebnis der Schätzung schlüssig und plausibel ist16.
Die Schätzungsbefugnis ergibt sich aus § 96 Abs. 1 Satz 1 zweiter Halbsatz FGO i.V.m. § 162 Abs. 2 Satz 1 AO, da der Kläger keine ausreichende Aufklärung über die im jeweiligen Kalenderjahr ausgeführten Umsätze zu geben vermag. Bei der Schätzung der Höhe nach orientiert sich das Finanzgericht an den in den Jahresabschlüssen der abweichenden Wirtschaftsjahre ausgewiesenen Erlösen. Dies lässt weder Verfahrensfehler erkennen noch ist dies unschlüssig oder unplausibel. Im Übrigen besteht hierüber zwischen den Parteien auch kein Streit.
Ob darüber hinaus der Wert der Speiseabfälle gemäß § 10 Abs. 2 Satz 2 UStG Bestandteil der Bemessungsgrundlage ist, braucht der Bundesfinanzhof im vorliegenden Verfahren nicht entscheiden, da die Revision bereits aus den oben ausgeführten Gründen keinen Erfolg hat.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 24. Januar 2013 – V R 34/11
- vgl. BFH, Urteil vom 13.01.2011 – V R 65/09, BFHE 233, 72, BStBl II 2011, 465, m.w.N.[↩]
- EuGH, Urteile vom 15.07.2004 – C‑321/02, Harbs, Slg. 2004, I‑7101 Rdnrn. 31 und 36, sowie vom 26.05.2005 – C‑43/04, Stadt Sundern, Slg. 2005, I‑4491 Rdnr. 21[↩]
- EuGH, Urteil Stadt Sundern in Slg. 2005, I‑4491 Rdnr. 24[↩]
- EuGH, Urteile Harbs in Slg. 2004, I‑7101 Rdnr. 27, und Stadt Sundern in Slg. 2005, I‑4491 Rdnr. 27; vom 08.03.2012 C‑524/10, Umsatzsteuer-Rundschau 2012, 685 Rdnr. 49[↩]
- EuGH, Urteile Harbs in Slg. 2004, I‑7101 Rdnr. 29, und Stadt Sundern in Slg. 2005, I‑4491 Rdnr. 28[↩]
- EuGH, Urteile Harbs in Slg. 2004, I‑7101 Rdnr. 31, und Stadt Sundern in Slg. 2005, I‑4491 Rdnr. 29[↩]
- vgl. BFH, Urteil in BFHE 233, 72, BStBl II 2011, 465, m.w.N.[↩]
- BFH, Urteil vom 13.08.2008 – XI R 8/08, BFHE 221, 569, BStBl II 2009, 216, unter II.3.[↩]
- vgl. EuGH, Urteile Harbs in Slg. 2004, I‑7101 Rdnr. 27; Stadt Sundern in Slg. 2005, I‑4491 Rdnr. 27; BFH, Urteil in BFHE 233, 72, BStBl II 2011, 465[↩]
- vgl. BFH, Beschluss vom 04.06.2007 – IV B 88/06, BFH/NV 2007, 2088; BFH, Urteil vom 19.03.2002 – VIII R 57/99, BFHE 198, 137, BStBl II 2002, 662, m.w.N.[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 12.12.1995 – VIII R 59/92, BFHE 179, 335, BStBl II 1996, 219[↩]
- z.B. BFH, Urteile vom 31.05.2007 – V R 5/05, BFHE 217, 290, BStBl II 2011, 289, m.w.N.; vom 30.04.2009 – V R 3/08, BFHE 226, 144[↩]
- vgl. Klein/Rüsken, AO, 11. Aufl., § 176 Rz 3, m.w.N.[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 26.01.2012 – VII R 4/11, BFHE 236, 481, BStBl II 2012, 541[↩]
- BFH, Beschluss vom 01.07.2010 – V B 62/09, BFH/NV 2010, 2136, m.w.N.[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 17.10.2001 – I R 103/00, BFHE 197, 68, BStBl II 2004, 171[↩]