Anscheinsbeweis und 1 %-Regelung beim Dienstwagen

Der Beweis des ersten Anscheins, der für eine private Nutzung betrieblicher PKW spricht, ist entkräftet, wenn für private Fahrten andere Fahrzeuge zur Verfügung stehen, die dem betrieblichen Fahrzeug in Status und Gebrauchswert vergleichbar sind.

Anscheinsbeweis und 1 %-Regelung beim Dienstwagen

Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG ist die private Nutzung eines Kfz, das zu mehr als 50 % betrieblich genutzt wird, für jeden Kalendermonat mit 1 % des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattung einschließlich Umsatzsteuer anzusetzen. Diese Bewertungsregel kommt nicht zum Tragen, wenn eine private Nutzung nicht stattgefunden hat1. Das Finanzgericht muss sich deshalb grundsätzlich die volle Überzeugung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) davon bilden, dass eine private Nutzung tatsächlich stattgefunden hat, wenn es § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG anwenden will2.

Nach allgemeiner Lebenserfahrung werden dienstliche oder betriebliche Fahrzeuge, die zu privaten Zwecken zur Verfügung stehen, auch tatsächlich privat genutzt. Dafür spricht der Beweis des ersten Anscheins3. Etwas anderes gilt, wenn es sich um ein Fahrzeug handelt, das typischerweise zum privaten Gebrauch nicht geeignet ist4. Soweit keine besonderen Umstände hinzutreten, kann das Finanzgericht aufgrund der Anscheinsbeweisregel regelmäßig davon ausgehen, dass eine private Nutzung stattgefunden hat5.

Der Beweis des ersten Anscheins kann durch den sog. Gegenbeweis entkräftet oder erschüttert werden. Hierzu ist der Vollbeweis des Gegenteils nicht erforderlich. Der Steuerpflichtige muss also nicht beweisen, dass eine private Nutzung des Fahrzeugs nicht stattgefunden hat. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass ein Sachverhalt dargelegt (und im Zweifelsfall nachgewiesen) wird, der die ernsthafte Möglichkeit eines anderen als des der allgemeinen Erfahrung entsprechenden Geschehens ergibt6. Der Anscheinsbeweis wird im Regelfall noch nicht erschüttert, wenn lediglich behauptet wird, für privat veranlasste Fahrten hätten private Fahrzeuge zur Verfügung gestanden7. Auch ein eingeschränktes privates Nutzungsverbot vermag den Anscheinsbeweis regelmäßig nicht zu entkräften.

Die Folgerung, bei Gleichwertigkeit beider Fahrzeuge sei keine nachvollziehbare Veranlassung ersichtlich, für Privatfahrten das dienstliche bzw. betriebliche Fahrzeug zu nutzen, ist nicht zu beanstanden8.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 4. Dezember 2012 – VIII R 42/09

  1. BFH, Urteil vom 19.05.2009 – VIII R 60/06, BFH/NV 2009, 1974, m.w.N.[]
  2. vgl. BFH, Beschluss vom 21.12.2006 – VI B 20/06, BFH/NV 2007, 716[]
  3. vgl. BFH, Beschluss vom 14.05.1999 – VI B 258/98, BFH/NV 1999, 1330[]
  4. vgl. BFH, Urteil vom 18.12.2008 – VI R 34/07, BFHE 224, 108, BStBl II 2009, 381[]
  5. BFH, Urteil in BFH/NV 2009, 1974[]
  6. vgl. BFH, Urteil vom 07.11.2006 – VI R 19/05, BFHE 215, 256, BStBl II 2007, 116, m.w.N.[]
  7. vgl. BFH, Beschluss vom 13.12.2011 – VIII B 82/11, BFH/NV 2012, 573, m.w.N.[]
  8. vgl. zur Erschütterung des Anscheinsbeweises bei Gleichwertigkeit von Dienst- und Privatfahrzeug BFH, Urteil in BFH/NV 2009, 1974[]