Insolvenzforderungen sind nach § 251 Abs. 3 AO während eines Insolvenzverfahrens nicht durch Steuerbescheid festzusetzen, sondern durch Verwaltungsakt festzustellen. Masseforderungen können nicht zur Tabelle angemeldet und durch Feststellungsbescheid festgestellt werden, sondern sie müssen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegenüber dem Insolvenzverwalter durch Steuerbescheid festgesetzt werden.

Meldet das Finanzamt nicht titulierte Umsatzsteuerforderungen in einer Summe zur Insolvenztabelle an, so ist die Anmeldung wirksam erfolgt, wenn durch den Inhalt der Anmeldung sichergestellt ist, dass nur bestimmte Sachverhalte erfasst sind, die zur Verwirklichung der gesetzlichen Tatbestände des Umsatzsteuergesetzes geführt haben. Das ist bei einer durch Betrag und Zeitraum bezeichneten Umsatzsteuerforderung regelmäßig der Fall.
Die organisatorische Eingliederung einer Organgesellschaft endet, wenn die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis zwar nicht in vollem Umfang auf den vorläufigen Insolvenzverwalter übertragen wird (§ 22 Abs. 1 InsO), aber faktisch für den gesamten noch verbleibenden operativen Geschäftsbereich übergeht.
Anmeldung für Umsatzsteuerforderungen
Die Abgrenzung zwischen Insolvenzforderungen/verbindlichkeiten und Masseforderungen/verbindlichkeiten richtet sich nach dem Zeitpunkt der insolvenzrechtlichen Begründung. Auf die steuerliche Entstehung der Forderung und deren Fälligkeit kommt es nicht an.
Steuerforderungen, die Masseschulden i.S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO sind, können nicht zur Tabelle angemeldet und nicht durch Feststellungsbescheid nach § 251 Abs. 3 AO festgestellt werden [1]. Sie sind mit einem gegen den Insolvenzverwalter gerichteten Steuerbescheid festzusetzen [2] und vom Insolvenzverwalter nach § 34 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 AO aus der Insolvenzmasse zu bezahlen [3].
Insolvenzgläubiger können gemäß § 87 InsO nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ihre Insolvenzforderungen i.S. von § 38 InsO und damit ihre zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Schuldner „begründeten“ Vermögensansprüche nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen. Dementsprechend sind nach § 251 Abs. 3 AO Insolvenzforderungen aus dem Steuerschuldverhältnis während eines Insolvenzverfahrens nicht durch Steuerbescheid festzusetzen, sondern das Finanzamt muss sie zur Insolvenztabelle anmelden und kann sie im Falle des Bestreitens seitens des Insolvenzverwalters oder eines anderen Insolvenzgläubigers nach § 251 Abs. 3 AO i.V.m. § 179 Abs. 1 InsO feststellen.
Der Regelungsinhalt des Feststellungsbescheids nach § 251 Abs. 3 AO besteht in der Feststellung, dass dem Steuergläubiger eine bestimmte Steuerforderung als Insolvenzforderung zusteht [4]. Dabei kann Gegenstand des Feststellungsverfahrens nur eine Forderung sein, die mit der nach § 174 InsO angemeldeten und nach § 176 InsO zur Erörterung gestellten identisch ist [5]. Grund dieser Forderung ist der Sachverhalt, auf dem die Forderung beruht [6]. Bei der Umsatzsteuer entstehen die sich aus der Verwirklichung der im UStG enthaltenen gesetzlichen Tatbestände (z.B. §§ 1, 14c, § 15 Abs. 1, 15a, 17 Abs. 1 und 2 UStG) ergebenden Steuerbeträge, unbeschadet der Zusammenfassung bei der Steuerberechnung, gesondert [7]. Die Zusammenfassung der einzelnen Steuerforderungen unter Berücksichtigung der abziehbaren Vorsteuern (§ 15 Abs. 1 UStG) zu einer positiven oder negativen Steuerzahlungsschuld (§ 16 Abs. 1, Abs. 2 UStG) ändert nichts daran, dass die einzelnen Tatbestandsverwirklichungen Besteuerungsgegenstand sind [8]. Die Feststellung kann § 181 InsO zufolge nur auf den Grund gestützt und nur auf den Betrag gerichtet sein, welcher in der Anmeldung oder in dem Prüfungstermin angegeben ist; sie beschränkt sich auf die zur Tabelle angemeldeten Forderungen. Da diese nach Grund und Betrag als Einzelforderungen anzumelden sind (§ 174 Abs. 2 InsO), enthält der Feststellungsbescheid nach § 251 Abs. 3 AO so viele Einzelfeststellungen, wie materiellrechtlich verschiedene Steuerforderungen gegeben sind [9].
Hieraus folgt allerdings nicht, dass die wirksame Anmeldung einer nicht titulierten Umsatzsteuerforderung zur Insolvenztabelle erfordert, dass das Finanzamt die einzelnen umsatzsteuerrechtlich erheblichen Sachverhalte anführt und näher beschreibt (z.B. Umsatzsteuer aus Verkauf bestimmter Waren zu einem bestimmten Preis). Ausreichend, aber auch erforderlich ist, dass der Inhalt der Anmeldung die für die Erörterung der einzelnen Forderungen im Prüfungstermin notwendige Individualisierung einzelner Sachverhalte ermöglicht, so dass sichergestellt ist, dass nur bestimmte in der Anmeldung durch die Angabe einer Summe begrenzte Sachverhalte erfasst sind [10]. Meldet das Finanzamt wie hier- nicht titulierte Umsatzsteuerforderungen in einer Summe zur Tabelle an, so ist die Anmeldung wirksam erfolgt, wenn durch den Inhalt der Anmeldung sichergestellt ist, dass nur bestimmte Sachverhalte erfasst sind, die zur Verwirklichung der gesetzlichen Tatbestände des UStG geführt haben, auf denen die Umsatzsteuerforderungen beruhen [11]. Dies ist bei einer durch Betrag und Zeitraum bezeichneten Umsatzsteuerforderung regelmäßig der Fall [12].
Umsatzsteuerliche Organschaft in der Insolvenz
Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt (§ 2 Abs. 1 Satz 1 UStG). Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft). Gemeinschaftsrechtlich beruht diese Vorschrift auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG. Danach können die Mitgliedstaaten im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, jedoch durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen behandeln.
Für die finanzielle Eingliederung ist dabei zu beachten, dass diese der erfolgten Änderung der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zufolge nicht vorliegt, wenn mehrere Gesellschafter nur gemeinsam über die Anteilsmehrheit an einer GmbH und einer Personengesellschaft verfügen [13]. Dafür, dass dies vorliegend der Fall ist, könnte sprechen, dass der Prüfer im Bericht vom 03.03.2004 über die bei der GmbH durchgeführte UmsatzsteuerSonderprüfung, auf den das Finanzgericht Bezug genommen hat, festgestellt hat, dass in beiden Unternehmen Gesellschafteridentität mit gleichen Geschäftsanteilen besteht.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 24. August 2011 – V R 53/09
- Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, 7. Aufl., München 2008, Rz 1539, 1547; Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl., München 2007, Rz 22.01[↩]
- BFH, Urteil vom 09.12.2010 – V R 22/10, unter II.01., BFHE 232, 301[↩]
- BFH, Urteile vom 30.04.2009 – V R 1/06, BFHE 226, 130, BStBl II 2010, 138, unter II.01.; vom 29.08.2007 – IX R 4/07, BFHE 218, 435, BStBl II 2010, 145, unter III.02.[↩]
- BFH, Urteil vom 26.11.1987 – V R 133/81, BFHE 151, 345, BStBl II 1988, 199, unter II.01.b zur KO[↩]
- Klein/Brockmeyer, AO, 10. Aufl., § 251 Rz 30; Specovius in Braun, InsO, 4. Aufl., §§ 179181, Rz 36[↩]
- BFH, Urteil vom 26.11.1987 – V R 130/82, BFHE 151, 349, BStBl II 1988, 124, unter II.03.[↩]
- BFH, Urteile in BFHE 151, 345, BStBl II 1988, 199, unter II.01.b; vom 26.02.1987 – V R 114/79, BFHE 149, 98, BStBl II 1987, 471, unter II.02.[↩]
- vgl. BFH, Urteile in BFHE 151, 345, BStBl II 1988, 199[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 151, 345, BStBl II 1988, 199[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 151, 349, BStBl II 1988, 124[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 149, 98, BStBl II 1987, 471, unter II.02.[↩]
- vgl. BFH, Urteil in BFHE 151, 349, BStBl II 1988, 124; Klein/Brockmeyer, a.a.O., § 251 AO, Rz 30[↩]
- BFH, Urteile vom 22.04.2010 – V R 9/09, BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597, unter II.03.b; vom 10.06.2010 – V R 62/09, BFH/NV 2011, 79, unter II.02.[↩]
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