Beherbergungs- und Verpflegungsumsätze eines gemeinnützigen Zweckbetriebs

Beherbergungs- und Verpflegungsumsätze eines gemeinnützigen Zweckbetriebs unterliegen nicht dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7%, sondern dem regulären 19%igen Steuersatz.

Beherbergungs- und Verpflegungsumsätze eines gemeinnützigen Zweckbetriebs

Zusätzliche Leistungen, die ein gemeinnütziger Zweckbetrieb außerhalb seines eigentlichen Satzungszwecks erbringt, unterliegen nicht ohne Weiteres, sondern nur unter den besonderen Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 8a Satz 3 UStG dem ermäßigten Umsatzsteuersatz.

Die Klägerin in dem hier vom Finanzgericht Münster entschiedenen Fall, eine als gemeinnützig anerkannte GmbH, bot im Streitjahr 2007 Seminare zur Förderung der politischen und sozialen Bildung für Betriebs- und Personalräte an. Während der Seminare brachte die Klägerin die Teilnehmer in hierzu von ihr selbst angemieteten Tagungshotels unter. Die Seminarleistungen erfolgten umsatzsteuerfrei (§ 4 Nr. 22a UStG). Für die an die Teilnehmer weiterberechneten Unterbringungs- und Verpflegungskosten legte die Klägerin den ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 v.H. zugrunde (§ 12 Abs. 2 Nr. 8a UStG). Das Finanzamt setzte dagegen den seinerzeit hierfür geltenden Regelsteuersatz an.

Das Finanzgericht Münster folgte der Ansicht der Finanzbehörde: Zwar unterfielen die Leistungen der Klägerin grundsätzlich dem ermäßigten Steuersatz, da sie mit ihrer Seminartätigkeit als Zweckbetrieb gemeinnützig tätig werde (§ 12 Abs. 2 Nr. 8a UStG). Allerdings erstrecke sich diese Steuerprivilegierung nicht auf jedwede Tätigkeit. Soweit die Klägerin neben ihrer eigentlichen – gemeinnützigen – Betätigung auch Beherbergungs- und Verpflegungsleistungen erbringe, diene dies der Erzielung weiterer Einnahmen, wodurch sie in unmittelbare Konkurrenz zu Hotelbetrieben trete, deren Leistungen – nach der im Streitjahr geltenden Fassung – dem Regelsteuersatz unterlägen. Zum Schutz vor Wettbewerbsverzerrungen müsse daher für die außerhalb des Satzungszwecks liegenden Zusatzleistungen der Regelsteuersatz Anwendung finden (§ 12 Abs. 2 Nr. 8a Satz 3 UStG).

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Zwar sind nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 a Satz 1 UStG in der für 2007 geltenden Fassung die Leistungen der ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke im Sinne der §§ 51 bis 68 AO verfolgenden Körperschaft, sofern sie nicht steuerbefreit sind, grundsätzlich mit dem ermäßigten Steuersatz zu besteuern. Nach dieser Vorschrift unterliegen die in 2007 von der Klin. erzielten Umsätze, sofern sie nicht insbesondere nach § 4 Nr. 22 a UStG steuerbefreit sind, grundsätzlich dem ermäßigten Steuersatz, weil die Klin. einen Katalogzweckbetrieb im Sinne des § 68 Nr. 8 AO unterhält. Laut § 2 ihres Gesellschaftsvertrages ist es der mit den Aufgaben einer Volkshochschule vergleichbare Gesellschaftszweck der Klin., Vorträge und andere Veranstaltungen belehrender Art im Sinne des § 68 Nr. 8 AO auszuführen. In 2007 verwirklichte die Klin. diesen Zweck, in dem sie Aus- und Fortbildungsseminare für Betriebsräte durchführte. Zwar ist es nach § 68 Nr. 8 2. Halbsatz AO für die Anerkennung der Klin. als Zweckbetrieb im Sinne des § 68 Nr. 8 AO steuerunschädlich, dass sie den Teilnehmern ihrer Seminare Unterkunft und Verpflegung gewährte. Aber allein aus dem Umstand, dass die Tätigkeit der Klin. als Zweckbetrieb im Sinne des § 68 Nr. 8 AO zu qualifizieren ist, folgt nicht zwingend, dass ihre Beherbergungs- und Beköstigungsumsätze dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 a Satz 1 UStG unterliegen. Eine Einrichtung, die einen Zweckbetrieb im Sinne des § 68 Nr. 8 AO unterhält, führt nicht automatisch und uneingeschränkt mit jeder Tätigkeit umsatzsteuerbegünstigte Lieferungen und sonstige Leistungen aus. Im Rahmen eines Zweckbetriebs erbrachte Lieferungen und sonstige Leistungen sind ausweislich der Regelung des § 12 Abs. 2 Nr. 8 a Satz 3 UStG nur unter den dort genannten weiteren Voraussetzungen mit dem ermäßigten Steuersatz zu besteuern. Diese Regelung will im Geltungsbereich des UStG drohende Wettbewerbsverzerrungen dadurch ausschließen, dass sie die Inanspruchnahme des ermäßigten Steuersatzes auf den gemeinschaftrechtlich zulässigen Rahmen beschränkt und dadurch missbräuchlichen Gestaltungen begegnet1. Durch eine restriktive Auslegung des § 68 Nr. 8 AO ist im Spannungsverhältnis zwischen § 68 Nr. 8 AO und § 12 Abs. 2 Nr. 8 a Satz 3 UStG dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die umsatzsteuerliche Begünstigung voraussetzt, dass sich die Einrichtung in ihrer Gesamtrichtung noch als Zweckbetrieb darstellt. Entspricht die Tätigkeit einer Einrichtung nicht mehr der geforderten Gesamtrichtung als Zweckbetrieb, so entfällt der Grund für eine umsatzsteuerliche Begünstigung2. Als Rückausnahme zu dem in § 12 Abs. 2 Nr. 8 a Satz 1 UStG aufgestellten Grundsatz, dass von einer Körperschaft im Sinne des § 68 AO ausgeführte Leistungen dem ermäßigten Steuersatz unterliegen, beschränkt § 12 Abs. 2 Nr. 8 a Satz 3 UStG die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nur auf die von einem Zweckbetrieb ausgeführten Leistungen, die zusätzlich die Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 8 a Satz 3 UStG erfüllen. Nur unter den Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 8 a Satz 3 UStG nimmt es der Gesetzgeber hin, dass im Rahmen eines Zweckbetriebs erbrachte Leistungen, die im unmittelbaren Wettbewerb zu den Leistungen anderer Unternehmer ausgeführt werden, welche der Besteuerung mit dem Regelsteuersatz unterliegen, mit dem ermäßigten Steuersatz besteuert werden3.

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Im Streitfall erfüllte die Klin. nicht die für die Besteuerung mit dem ermäßigten Steuersatz in § 12 Abs. 2 Nr. 8 a Satz 3 UStG aufgeführten Voraussetzungen.

Mit der Unterbringung und Verpflegung der Seminarteilnehmer verwirklichte sie „nicht selbst“ im Sinne des § 12 Abs. 2 Nr. 8 a Satz 3 2. Alternative UStG ihre gesellschaftsvertragsmäßigen Zwecke. Ausweislich § 2 ihres Gesellschaftsvertrages war es alleinige Aufgabe und alleiniger Zweck der Klin. im Streitjahr 2007, die politische und soziale Bildung und insbesondere die Weiterbildung von Arbeitnehmern zu fördern, wobei die Klin. gemäß § 2 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages anstrebte, die Bildungsteilnehmer darin zu unterstützen, sich am gesellschaftlichen und politischen Leben gestaltend zu beteiligen. Dieser zwar als gemeinnützig zu qualifizierende gesellschaftsvertraglich festgelegte Vertragszweck umfasste aber gerade nicht die Unterbringung und Verpflegung von Personen durch die Klin., die als Aus- bzw. Fortzubildende an ihren Seminaren teilnahmen.

Die Beherbergungs- und Verpflegungsleistungen wurden auch nicht im Rahmen eines Zweckbetriebs ausgeführt, der nicht in erster Linie der Erzielung zusätzlicher Einnahmen im Sinne des § 12 Abs. 2 Nr. 8 a Satz 3 1. Alternative UStG diente. In für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes schädlichen Weise dienten die Einnahmen aus Beherbergung und Verpflegung der Seminarteilnehmer in erster Linie der Erzielung zusätzlicher Einnahmen durch die Ausführung von Umsätzen, die in unmittelbaren Wettbewerb mit dem allgemeinen Steuersatz unterliegenden Leistungen anderer Unternehmer ausgeführt wurden. Die steuerschädliche Voraussetzung ist dann erfüllt, wenn sich der Zweckbetrieb zu mehr als 50 % aus Einnahmen finanziert, die in unmittelbaren Wettbewerb mit dem allgemeinen Steuersatz unterliegenden Leistungen anderer Unternehmer ausgeführt werden. Dabei kann davon ausgegangen werden, dass ein Zweckbetrieb nicht in erster Linie der Erzielung zusätzlicher Einnahmen im Sinne des § 12 Abs. 2 Nr. 8 a Satz 3 1. Alternative UStG dient, wenn dessen Gesamtumsatz im Sinne des § 19 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3 UStG die Besteuerungsgrenze des § 64 Abs. 3 AO nicht übersteigt, die im Streitjahr 2007 35.000 € – vgl. Art. 97 § 1 d des Einführungsgesetzes zur AO, EGAO – betrug4. Die Klägerin erbrachte ihre Beherbergungs- und Verpflegungsleistungen in unmittelbarer Konkurrenz zu Leistungen anderer Hotelbetreiber, deren Leistungen dem Regelsteuersatz unterlagen. Ob die von der Klägerin ausgewählten Tagungshotels oder andere Beherbergungsbetriebe die Konkurrenzumsätze ausführten, ist mangels entsprechender gesetzlicher Differenzierung ohne Bedeutung. Die die Umsatzgrenze des § 64 Abs. 3 AO in der in 2007 geltenden Fassung von 35.000 € übersteigenden Umsätze der Klin. aus der Beherbergung und Verpflegung der Seminarteilnehmer stellen zusätzliche Umsätze dar, weil die zweckbetriebliche Tätigkeit „Beherbergung und Verpflegung“ sich vollumfänglich aus diesen Umsätzen finanzierte. Selbst wenn der Senat zu Gunsten der Klin. davon ausgeht, dass deren Zweckbetrieb nicht nur die steuerfreien Seminar-, sondern auch die Unterbringungs- und Verpflegungsleistungen umfasste, hat der Finanzamt bei der Ermittlung der Umsatzgrenze des § 12 Abs. 2 Nr. 8 a Satz 3 1. Alternative UStG zu Recht die nach § 4 Nr. 22 a UStG steuerbefreiten Umsätze außer Acht gelassen, weil diese Umsätze nicht im Wettbewerb mit gleichartigen Umsätzen von Einrichtungen stehen, die diese Umsätze mit dem Regelsteuersatz versteuern.

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Die Auffassung, nach den Verfügungen der Oberfinanzdirektion Magdeburg vom 29. November 20015 bzw. der Oberfinanzdirektlion Rheinland6 sei auf die streitigen Leistungen der ermäßigte USt-Satz allein schon deshalb anzuwenden, weil sie in 2007 einen Katalogzweckbetrieb im Sinne des § 68 Nr. 8 AO unterhielt, vermögen der Klage nicht zum Erfolg zu verhelfen. Das Finanzgericht Münster hält diese Auffassungen nicht für zutreffend und ist bei seiner Bewertung der Rechtslage nicht an die Verwaltungsanweisungen gebunden7, weil beide Verwaltungsanweisungen nur die Norm des § 12 Abs. 2 Nr. 8 a Sätze 1 bis 3 UStG interpretierende Regelungen darstellen. Für das Finanzgericht Münster stellt sich die Rechtslage aus den vorstehenden Gründen anders dar.

Finanzgericht Münster, Urteil vom 15. März 2011 – 15 K 3840/08 U

  1. vgl. Heidner in Bunjes/Geist, UStG, § 12 Rdn. 5; Waza in Offerhaus/Söhn/Lange, UStG, § 12 Abs. 2 Nr. 8 Rdn. 82; Hettler in Hartmann/Metzen-macher, UStG, § 12 Abs. 2 Nr. 8 Rdn 60[]
  2. vgl. Hettler, a.a.O., UStG § 12 Abs. 2 Nr. 8 Rdn. 80[]
  3. vgl. dazu Widmann in Plückebaum/Malitzki, UStG, § 12 Nr. 8 a Rdn. 1214/4[]
  4. vgl. z.B. Waza, a.a.O., § 12 Abs. 2 Nr. 8 Rdn. 99[]
  5. OFD Magdeburg, Schreiben vom 29.11.2001 – S 0187-11-St 217[]
  6. OFD Rheinland, Schreiben vom 06.02.2006 – S 74219 – 1000 – St 435[]
  7. vgl. BFH, Beschluss vom 04.12.2008 – XI B 250/07, BFH/NV 2009, 394[]
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