Bordell oder bloße Zimmervermietung?

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union sowie des Bundesfinanzhofs liegt eine steuerfreie Grundstücksvermietung nach § 4 Nr. 12 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes vor, wenn dem Vertragspartner auf bestimmte Zeit gegen eine Vergütung das Recht eingeräumt wird, ein Grundstück so in Besitz zu nehmen, als wäre es dessen Eigentümer1.

Bordell oder bloße Zimmervermietung?

Die entgeltliche Überlassung von Räumen ist aber dann keine Vermietungsleistung mehr, wenn die Überlassung der Zimmer wegen darüber hinausgehender weiterer Leistungen ein anderes Gepräge erhält.

Dies ist der Fall, wenn nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse die Vermietung eines Grundstücks oder von Grundstücksteilen durch andere wesentliche Leistungen überlagert wird und die Zimmervermietung nur vorgeschoben ist2. Denn maßgebend bei einem Leistungsaustausch ist der objektive Inhalt des Vorgangs und nicht die Bezeichnung, die die Parteien ihm geben3.

So kann trotz Bezeichnung der Beteiligten als Vermietungsverhältnis nach dem objektiven Inhalt eine sonstige Leistung des Bordellinhabers anzunehmen sein, wenn dieser nach den nach außen erkennbaren Gesamtumständen aufgrund von Organisationsleistungen selbst derjenige ist, der durch die Anwerbung von Prostituierten und Unterbringung das Bordell betreibt.

Hierbei ist es unerheblich, ob die Prostituierten weisungsgebunden als Arbeitnehmerinnen oder als Subunternehmerinnen anzusehen sind4.

Neuer Klärungsbedarf ergibt sich insoweit auch nicht aus den Regelungen des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten vom 20.12 2001 -ProstG-5. Während in der älteren Rechtsprechung die Steuerbarkeit der Umsätze trotz der vormals angenommenen Sittenwidrigkeit unter Berufung auf die Regelung des § 40 der Abgabenordnung angenommen wurde6, führt die Regelung des § 1 ProstG, wonach die Vereinbarung bei einem Rechtsgeschäft über sexuelle Handlungen nach neuerer Rechtslage rechtswirksam ist, nicht zu einem anderen Ergebnis. Zur vorliegend streitigen Frage, ob die streitbefangenen Umsätze dem Bordellbetreiber oder den Prostituierten zuzurechnen sind, enthält das ProstG keinerlei Regelungen.

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Geklärt ist auch, dass eine Zimmervermietung in einem Bordell nicht mit der Raumvermietung in einem Einkaufszentrum gleichgestellt werden kann, in dem die Umsätze der einzelnen Geschäfte nicht dem Eigentümer zugerechnet werden können. Denn die Vermietung an Geschäfte verschiedener Branchen in einem Einkaufszentrum erfolgt ausschließlich langfristig und nicht -wie im Streitfall bei einer Kündigungsfrist von drei Tagen- kurzfristig7. Zudem erbringt der Vermieter von Geschäftslokalen innerhalb eines Einkaufszentrums keinerlei weitere wesentliche Organisationsleistungen, die ihn nach der Verkehrsauffassung als Erbringer der Umsätze der völlig unabhängig geführten Einzelhandelsgeschäfte erscheinen lassen, während in einem Bordell gleichartige Leistungen -im Streitfall in 18 Zimmern- erbracht werden. Es stellt auch keinen verfassungswidrigen Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung (Art. 12 GG) dar, wenn demjenigen, dem als Bordellbetreiber wegen seiner Organisationsleistung Umsätze zuzurechnen sind, diese auch zu versteuern hat.

Etwas anderes ergibt sich auch aus der Annahme, dass die Umsatzzurechnung zum Bordellbetreiber bei Annahme einer Subunternehmerstellung der Prostituierten zu einer Doppelbesteuerung führe. Abgesehen davon, dass eine Doppelbesteuerung nach den Feststellungen des Bundesrechnungshofes8 in aller Regel wegen des fehlenden Erklärungsverhaltens der Prostituierten und ihres häufigen Wohnortwechsels rein faktisch nicht erfolgt, ist bereits entschieden, dass dem Bordellinhaber im Falle der Beschäftigung von Subunternehmern der Vorsteuerabzug aus Leistungen der Damen zusteht, sofern Rechnungen vorliegen und diese die hierzu erforderlichen Voraussetzungen des § 15 UStG erfüllen9.

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Bundesfinanzhof, Beschluss vom 7. Februar 2017 – V B 48/16

  1. EuGH, Urteil Varenne vom 22.01.2015 – C-55/14, EU:2015:29, Rz 21; BFH, Urteil vom 24.09.2015 – V R 30/14, BFH/NV 2016, 153 zu einer Vermietung in einem Stundenhotel m.w.N.[]
  2. BFH, Urteil vom 17.12 2014 – XI R 16/11, BFHE 248, 436, BStBl II 2015, 427 zur Vermietung in einem Bordell[]
  3. EuGH, Urteile Mac Donalds Resorts vom 16.12 2010 – C-270/09, EU:C:2010:780, Rz 46, und Varenne, EU:2015:29, Rz 21 zur Vermietung eines Fußballstadions mit weiteren Leistungen[]
  4. BFH, Urteile vom 19.02.2014 – XI R 1/12, BFH/NV 2014, 1398; in BFHE 248, 436, BStBl II 2015, 427; BFH, Beschlüsse vom 21.01.2015 – XI B 88/14, BFH/NV 2015, 864; vom 25.11.2009 – V B 31/09, BFH/NV 2010, 959; vom 31.03.2006 – V B 181/05, BFH/NV 2006, 2138; vom 29.01.2008 – V B 201/06, BFH/NV 2008, 827; BGH, Beschluss vom 06.10.1989 – 3 StR 80/89, HFR 1990, 582[]
  5. BGBl I 2001, 3983[]
  6. BGH, Urteil vom 02.11.1995 5 StR 414/95, HFR 1996, 363; BFH, Urteil vom 23.02.2000 – X R 142/95, BFHE 191, 498, BStBl II 2000, 610[]
  7. so schon BFH, Beschluss vom 26.04.2002 – V B 168/01, BFH/NV 2002, 1345[]
  8. BRH, Bericht vom 24.01.2014 VIII-2010-0500, S. 16 f.[]
  9. BGH, Urteil in HFR 1996, 363[]