Buchführungsmängel – und die Schätzung bei der Umsatzsteuer

Es ist für den Bundesfinanzhof nicht ernstlich zweifelhaft, dass auch bei der Umsatzsteuer im Falle von Verstößen des Steuerpflichtigen gegen die Aufzeichnungspflichten des § 22 UStG und bei sonstigen Buchführungsmängeln das Finanzamt zur Schätzung von Besteuerungsgrundlagen befugt sein kann. Diese Schätzungsbefugnis steht in Einklang mit dem Unionsrecht.

Buchführungsmängel – und die Schätzung bei der Umsatzsteuer

Nach § 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 FGO ist die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieses Verwaltungsaktes bestehen.

Ernstliche Zweifel i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO liegen vor, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Bescheids neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken1. Die Entscheidung hierüber ergeht bei der im AdV-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt2. Zur Gewährung der AdV ist es nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe im Sinne einer Erfolgswahrscheinlichkeit überwiegen3.

Ernstliche Zweifel können danach z.B. bestehen, wenn die streitige Rechtsfrage höchstrichterlich noch nicht entschieden wurde und im Schrifttum oder in der Rechtsprechung der Finanzgerichte unterschiedliche Auffassungen vertreten werden4. Ist die Rechtslage nicht eindeutig, ist über die zu klärende Frage nicht im summarischen Verfahren der AdV zu entscheiden5.

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Da im vorliegenden Fall der Antragsteller bei summarischer Prüfung die Aufzeichnungspflichten des § 22 UStG verletzt hat, war das Finanzamt gemäß § 162 AO dem Grunde nach zur Schätzung befugt6.

Bundesfinanzhof, Beschluss vom 16. Mai 2019 – XI B 13/19

  1. vgl. z.B. BFH, Beschlüsse vom 11.07.2013 – XI B 41/13, BFH/NV 2013, 1647, Rz 16; vom 02.07.2014 – XI S 8/14, BFH/NV 2014, 1601[]
  2. vgl. BFH, Beschlüsse vom 26.09.2014 – XI S 14/14, BFH/NV 2015, 158, Rz 33; vom 20.01.2015 – XI B 112/14, BFH/NV 2015, 537, Rz 15, jeweils m.w.N.[]
  3. vgl. z.B. BFH, Beschlüsse vom 25.04.2013 – XI B 123/12, BFH/NV 2013, 1273, Rz 12; vom 17.12 2015 – XI B 84/15, BFHE 252, 181, BStBl II 2016, 192, Rz 22; vom 31.03.2016 – XI B 13/16, BFH/NV 2016, 1187, Rz 14[]
  4. BFH, Beschlüsse vom 29.07.2009 – XI B 24/09, BFHE 226, 449, BFH/NV 2009, 1567, Rz 22; vom 26.04.2010 – V B 3/10, BFH/NV 2010, 1664, Rz 20[]
  5. z.B. BFH, Beschlüsse vom 25.11.2005 – V B 75/05, BFHE 212, 176, BStBl II 2006, 484, Rz 26; vom 15.10.2015 – I B 93/15, BFHE 251, 309, BStBl II 2016, 66, Rz 7; in BFHE 252, 181, BStBl II 2016, 192, Rz 31[]
  6. vgl. BFH, Urteile vom 14.12 2011 – XI R 5/10, BFH/NV 2012, 1921, Rz 19 ff.; vom 27.09.2018 – V R 9/17, BFH/NV 2019, 127, Rz 20; s. zur Schätzung bei sonstigen Buchführungsmängeln auch BFH, Urteil in BFH/NV 2019, 303, Rz 30 ff.; zur unionsrechtlichen Zulässigkeit von Schätzungen im Bereich der Mehrwertsteuer s. EuGH, Urteile Maja Marinova vom 05.10.2016 – C-576/15, EU:C:2016:740, HFR 2016, 1034; Fontana vom 21.11.2018 – C-648/16, EU:C:2018:932, HFR 2019, 67[]
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