Dachertüchtigung für eine Photovoltaikanlage – und der Vorsteuerabzug

Beim Vorsteuerabzug aus einer Werklieferung für die gesamte Dachfläche eines Gebäudes muss die Verwendungsmöglichkeit des gesamten Gebäudes in die durch § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG vorgegebene Verhältnisrechnung einbezogen werden.

Dachertüchtigung für eine Photovoltaikanlage – und der Vorsteuerabzug

Nach § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG gilt die Lieferung, die Einfuhr oder der innergemeinschaftliche Erwerb eines Gegenstandes, den der Unternehmer zu weniger als 10 % für sein Unternehmen nutzt, als nicht für das Unternehmen ausgeführt.

Unionsrechtlich beruhte diese Vorschrift im hier entschiedenen Streitjahr 2011 auf der Entscheidung des Rates vom 20.10.2009 zur Ermächtigung der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland), weiterhin eine von Art. 168 MwStSystRL abweichende Regelung anzuwenden1. Art. 1 dieser Ratsentscheidung ermächtigte Deutschland, abweichend von Art. 168 Abs. 2 MwStSystRL, die Mehrwertsteuer auf Gegenstände und Dienstleistungen, die zu mehr als 90 % für private Zwecke des Steuerpflichtigen oder seines Personals oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke genutzt werden, vollständig vom Recht auf Vorsteuerabzug auszuschließen. Nach Art. 2 der Ratsentscheidung galt dies im Zeitraum vom 01.01.2010 bis 31.12 2012.

Im hier entschiedenen Streitfall bestanden für den Bundesfinanzhof gegen die Anwendung von § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG keine unionsrechtlichen Bedenken. Denn das Gebäude, für dessen Dacherneuerung die Grundstückseigentümerin den Vorsteuerabzug geltend macht, wurde neben der Verwendung für den Betrieb der Photovoltaikanlage nur für private Wohnzwecke, nicht aber für nichtwirtschaftliche -nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallende- Tätigkeiten verwendet2. Gleiches gilt für die Nutzung der Scheune.

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Die Verhältnisrechnung zur Feststellung der unternehmerischen Mindestnutzung i.S. von § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG bezieht sich im Fall der Lieferung auf den gelieferten Gegenstand und dessen Verwendung insgesamt.

Ohne dass dies für den Bundesfinanzhof revisionsrechtlich zu beanstanden wäre, ist das Finanzgericht München3 in dem hier entschiedenen Fall in der Vorinstanz davon ausgegangen, dass es im Streitfall um den Vorsteuerabzug aus einer einheitlichen Leistung zur Dacherneuerung geht, deren Aufspaltung in mehrere Einzelleistungen (Lieferung der Baumaterialien wie z.B. Rauhschalung, Dachschalungsbahn, Konterlatten, Dachlatten, Alu-Lochgitter, Schneestoppnasen, Traufblech und Windbrettverkleidung einerseits sowie dem Freilegen des vorhandenen Dachstuhls, Anbringen der Dachschalung und –lattung sowie Eindeckung des Daches mit den vorhandenen Ziegeln andererseits) wirklichkeitsfremd wäre. Zutreffend hat das Finanzgericht München nur das Vorhalten des Gerüsts für die Arbeiten an der Photovoltaikanlage als gesonderte eigenständige Leistung angesehen.

Das Finanzgericht München hat zudem nach Maßgabe der Bundesfinanzhofsrechtsprechung4 in der Gesamtleistung zutreffend eine Werklieferung nach § 3 Abs. 4 UStG angesehen. Diese Werklieferung bezog sich nach den für im Revisionsverfahren bindenden Feststellungen des Finanzgericht (§ 118 Abs. 2 FGO) auf die gesamte Dachfläche.

Geht es um den Vorsteuerabzug aus einer Werklieferung für die gesamte Dachfläche, muss das gesamte Gebäude und damit die Verwendungsmöglichkeit des gesamten Gebäudes in die durch § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG vorgegebene Verhältnisrechnung einbezogen werden5.

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Daher kommt es für die Frage, ob die von § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG geforderte unternehmerische Mindestnutzung vorliegt, auf die Verwendung des gesamten Gebäudes unter Einschluss aller Flächen unter dem Dach und der gesamten Dachfläche an. Einzubeziehen in die Verhältnisrechnung zur Feststellung der unternehmerischen Mindestnutzung sind daher neben der Scheune auch die privaten Wohnflächen sowie die Dachflächen, die nicht für den Betrieb der Photovoltaikanlage genutzt wurden.

Sollte nach den im zweiten Rechtsgang zu treffenden Feststellungen § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG einem Vorsteuerabzug nicht entgegenstehen, wird das Finanzgericht zudem zu berücksichtigen haben, dass die von ihm bislang angenommene Möglichkeit einer Zuordnung nicht in Betracht kommt.

Zwar kann der Unternehmer einen teilweise unternehmerisch und teilweise privat genutzten Gegenstand in vollem Umfang seinem Unternehmen zuordnen6.

Dabei kommt eine Zuordnung auch unter Beachtung der Einschränkung des Zuordnungswahlrechts auf die Herstellung und Anschaffung von Gegenständen in Abgrenzung zu sonstigen Leistungen7 in Betracht, da es im Streitfall um die Zuordnung bei einem durch Werklieferung erneuerten Gegenstand geht.

Zu beachten ist hingegen, dass sich das Recht der Grundstückseigentümerin an dem Gebäude als dem durch die Werklieferung ertüchtigten Gegenstand auf die Anmietung einer Teilfläche des Daches beschränkte. Eine weitergehende Zuordnung von Gebäudeteilen -sei es auf, sei es unter dem Dach- wurde durch die nur eingeschränkte Anmietung ausgeschlossen8. Hier greift der Zweck des Zuordnungswahlrechts nicht ein. Denn mit diesem Wahlrecht soll aus Gründen der steuerrechtlichen Neutralität verhindert werden, dass bei einer zunächst teilweise privaten, später aber weitergehenden unternehmerischen Nutzung eines Gegenstandes eine Mehrwertsteuerbelastung aus dem Erwerb oder der Herstellung des Gegenstandes verbleibt9.

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Damit erübrigte sich im hier entschiendenen Streitfall auch die vom Finanzgericht München in der Vorinstanz als entscheidungserheblich beurteilte Frage nach der Steuerbarkeit einer Verwendungsentnahme gemäß § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG.

Nicht zu beanstanden ist für den Bundesfinanzhof demgegenüber, dass das Finanzgericht München im Hinblick auf die Besonderheiten des Streitfalls wie die fehlende Sanierungsbedürftigkeit des Dachs nicht von einer Einbeziehung der Dachsanierung in einem tauschähnlichen Umsatz mit dem Vermieter ausgegangen ist10.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 3. August 2017 – V R 59/16

  1. ABl.EU Nr. L 283/55[]
  2. vgl. hierzu BFH, Urteil vom 16.11.2016 – XI R 15/13, BFHE 255, 555, Leitsatz 1[]
  3. FG München, Urteil vom 26.07.2016 – 2 K 671/13[]
  4. BFH, Urteil vom 09.06.2005 – V R 50/02, BFHE 210, 182, BStBl II 2006, 98[]
  5. zur Anwendung von § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG auf Werklieferungen vgl. z.B. BFH, Urteile vom 19.07.2011 – XI R 29/09, BFHE 234, 556, BStBl II 2012, 430, unter II. 5.; und vom 19.07.2011 – XI R 21/10, BFHE 235, 14, BStBl II 2012, 434, unter II. 3.a; vgl. auch zu einer ähnlichen Fallgestaltung BFH, Urteil vom 19.07.2011 – XI R 29/10, BFHE 234, 564, BStBl II 2012, 438[]
  6. ständige Rechtsprechung von EuGH und BFH, z.B. EuGH, Urteile Puffer vom 23.04.2009 – C-460/07, EU:C:2009:254, Rz 40, 42, 47; Armbrecht vom 04.10.1995 – C-291/92, EU:C:1995:304, Rz 13, 14; Seeling vom 08.05.2003 – C-269/00, EU:C:2003:254, Rz 41, 43, 55; VNLTO vom 12.02.2009 – C-515/07, EU:C:2009:88, Rz 32; Medicom und MPA vom 18.07.2013 – C-210, 211/11, EU:C:2013:479, Rz 22; BFH, Urteile vom 20.03.2014 – V R 27/12, BFH/NV 2014, 1097, Rz 11; vom 11.07.2012 – XI R 17/09, BFH/NV 2013, 266, Rz 35[]
  7. vgl. allgemein BFH, Urteil vom 14.10.2015 – V R 10/14, BFHE 251, 461, BStBl II 2016, 717, Leitsätze 1 und 2[]
  8. vgl. auch zu der anders gelagerten Fallgestaltung, dass der Mieter den Mietgegenstand teilweise unternehmerisch und teilweise privat verwendet, BFH, Urteil in BFHE 251, 461, BStBl II 2016, 717[]
  9. EuGH, Urteil Puffer, EU:C:2009:254, Rz 47, und BFH, Urteil in BFHE 251, 461, BStBl II 2016, 717, Rz 19[]
  10. vgl. aber zu einer anders gelagerten Fallgestaltung BFH, Urteil vom 16.11.2016 – V R 35/16, BFH/NV 2017, 768[]
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