Eintrittsgelder, die eine Gemeinde von Besuchern eines von ihr veranstalteten Dorffestes für von ihr organisierte „Schaustellungen, Musikaufführungen, unterhaltende Vorstellungen oder sonstige Lustbarkeiten“ verlangt, unterliegen dem ermäßigten Umsatzsteuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG.

In dem jetzt vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall klagte eine Gemeinde, die jährlich an einem Wochenende ein Dorffest durchführt. Zu diesem Zweck schloss sie als Veranstalterin mit auftretenden Musikgruppen Konzert, Engagement- und Honorarverträge ab. Die Gemeinde sorgte u.a. für die Veranstaltungsräume nebst Bühne, den erforderlichen Strom, eine unentgeltliche Verpflegung und kostenlose Übernachtungsmöglichkeiten für die auftretenden Künstler, den Erwerb der Schankerlaubnis und eine Sperrzeitverkürzung. Gegenüber den Besuchern des Dorffestes trat sie als Gesamtveranstalterin auf eigene Rechnung auf und erzielte Einnahmen aus dem Verkauf von Eintrittskarten. Das Finanzamt unterwarf diese Einnahmen dem Regelsteuersatz von 19 % und lehnte die beantragte Anwendung des ermäßigten Steuersatzes von 7 % auf die vereinnahmten Eintrittsgelder ab. Der Bundesfinanzhof gab nun jedoch der Gemeinde recht und bejahte die Anwendbarkeit des ermäßigten Steuersatzes von 7 %:
Nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG ermäßigt sich die Umsatzsteuer u.a. für „die Leistungen aus der Tätigkeit als Schausteller“; als solche gelten gemäß § 30 der Umsatzsteuerdurchführungsverordnung „Schaustellungen, Musikaufführungen, unterhaltende Vorstellungen oder sonstige Lustbarkeiten auf Jahrmärkten, Volksfesten sowie Schützenfesten oder ähnlichen Veranstaltungen“. Nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofs ist es für die Anwendung von § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG nicht maßgeblich, ob der Schausteller seine Darbietungen in eigener Regie selbst veranstaltet oder ob er seine Leistungen im Rahmen eines fremdveranstalteten Volksfestes erbringt. Vielmehr reichte es im Streitfall aus, dass die Gemeinde die entsprechenden Umsätze im eigenen Namen mit Hilfe von ihr selbst engagierter Schaustellergruppen an die Besucher ausführte. Unerheblich sei, ob sich aus dem Umsatzsteuer-Anwendungserlass (Abschn. 12.8. Abs. 2 USt-AE) etwas anderes ergebe. Durch eine (bloße) Verwaltungsvorschrift der Finanzverwaltung dürfe eine Anwendung des Regelsteuersatzes nicht angeordnet werden.
Die Gemeinde als juristische Person des öffentlichen Rechts ist mit der Organisation und Durchführung des Dorffestes einschließlich der auf privatrechtlicher Grundlage verlangten und vereinnahmten Eintrittsgelder i.S. von § 2 Abs. 3 UStG unternehmerisch tätig geworden1. Die von der Gemeinde erbrachten Leistungen unterliegen jedoch nicht dem Regelsteuersatz nach § 12 Abs. 1 UStG sondern erfüllen die Voraussetzungen eines der in § 12 Abs. 2 UStG genannten Steuerermäßigungstatbestände.
Dabei kann der Bundesfinanzhof offenlassen, ob diese Leistungen (zumindest zum Teil) nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG dem ermäßigten Steuersatz unterliegen2. Denn im Streitfall sind jedenfalls die Voraussetzungen für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG gegeben.
Nach dieser Vorschrift ermäßigt sich die Steuer auf 7 % u.a. für die Leistungen aus der Tätigkeit als Schausteller. Gemäß § 30 UStDV gelten als Leistungen aus der Tätigkeit als Schausteller i.S. von § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG Schaustellungen, Musikaufführungen, unterhaltende Vorstellungen oder sonstige Lustbarkeiten auf Jahrmärkten, Volksfesten, Schützenfesten oder ähnlichen Veranstaltungen.
§ 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG ist richtlinienkonform auszulegen. Die Vorschrift beruht auf Art. 98 Abs. 2 i.V.m. Anhang – III Kategorie 7 der MwStSystRL (zuvor Art. 12 i.V.m. Anhang H Kategorie 7 der Sechsten USt-Richtlinie 77/388/EWG), wonach die Mitgliedstaaten der Europäischen Union ermächtigt sind, auf Eintrittsberechtigungen für Veranstaltungen, Theater, Zirkus, Jahrmärkte, Vergnügungsparks, Konzerte, Museen, Tierparks, Kinos und Ausstellungen sowie ähnliche kulturelle Ereignisse und Einrichtungen den ermäßigten Steuersatz vorzusehen.
Die Mitgliedstaaten haben nur unter der Voraussetzung, dass der Grundsatz der Neutralität beachtet wird, die Möglichkeit, konkrete und spezifische Aspekte einer Kategorie von Dienstleistungen i.S. von Anhang – III der MwStSystRL mit einem ermäßigten Steuersatz zu belegen. Die selektive Anwendung des ermäßigten Steuersatzes ist hiernach nicht ausgeschlossen, wenn sie keine Gefahr einer Wettbewerbsverzerrung nach sich zieht3. Nach gefestigter Rechtsprechung lässt es der Grundsatz der steuerlichen Neutralität insbesondere nicht zu, gleichartige und deshalb miteinander in Wettbewerb stehende Waren oder Dienstleistungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich zu behandeln4.
Der Bundesfinanzhof hat „Schausteller“ als Personen definiert, die mit ihren der Unterhaltung dienenden Unternehmen gewerbsmäßig Jahrmärkte, Volksfeste usw. beschicken, also von Ort zu Ort ziehen5. Dabei hat der BFH in seinen Grundsatzentscheidungen vom 22.10.19706; und vom 22.06.19727 bei der Auslegung des seinerzeit geltenden § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. e UStG 1967 auf den Sprachgebrauch abgestellt, den er dem bei der Einführung des UStG 1967 und noch zum Zeitpunkt seiner Entscheidungen maßgebenden Wörterbuch entnommen hat8.
§ 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG begünstigt eine tätigkeits- und nicht personenbezogene Leistung, die voraussetzt, dass der jeweilige Umsatz auf einer ambulanten, d.h. nicht ortsfest ausgeführten schaustellerischen Leistung beruht9.
Unmaßgeblich ist insoweit, ob der Schausteller seine Darbietungen in eigener Regie selbst veranstaltet oder ob er seine Leistungen im Rahmen eines fremdveranstalteten Volksfestes erbringt. Vielmehr reicht es aus, dass der Leistende die entsprechenden Umsätze im eigenen Namen mit Hilfe seiner Arbeitnehmer oder sonstiger Erfüllungsgehilfen an die Besucher dieser Veranstaltungen ausführt; solche Erfüllungsgehilfen können auch von ihm engagierte Schaustellergruppen sein10.
Da -wie bereits ausgeführt- auch eine Gemeinde bei unionsrechtskonformer Auslegung von § 2 Abs. 3 UStG bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen als Unternehmerin im umsatzsteuerrechtlichen Sinne zu behandeln ist, und dementsprechend auch Schaustellergruppen im Sinne der Rechtsprechung in BFHE 199, 93, BStBl II 2004, 88, unter II. 1. engagieren kann, kommt entgegen der Auffassung des Finanzamt auch die Gemeinde als Leistende im Sinne dieser Steuerermäßigung in Betracht.
Gemessen an diesen Grundsätzen und bei der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung sind die von der Gemeinde X erteilten Eintrittsberechtigungen für die Dorffeste nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG i.V.m. § 30 UStDV ermäßigt zu besteuern.
Im vorliegenden Fall sind die danach erforderlichen Voraussetzungen erfüllt. Denn die von der Gemeinde X erbrachten Leistungen waren Eintrittsberechtigungen (vgl. Art. 98 Abs. 2 i.V.m. Anhang – III Kategorie 7 der MwStSystRL) für die in § 30 UStDV genannten Schaustellungen, Musikaufführungen, unterhaltende Vorstellungen oder sonstige Lustbarkeiten auf Jahrmärkten, Volksfesten oder ähnlichen Veranstaltungen11.
Auch können die Umsätze der Gemeinde X nicht als bloße organisatorische Leistungen angesehen werden, die nicht von der Steuerermäßigung des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG erfasst werden. Denn die Gemeinde X hat zwar auch für die auf dem Dorffest auftretenden Musikgruppen, Schausteller usw. Organisationsleistungen erbracht. Im Streitfall geht es aber um Leistungen, die Besucher der Veranstaltungen als Leistungsempfänger gegen Entgelt (Eintrittsgelder) unmittelbar von der Gemeinde X bezogen haben. Der Bundesfinanzhof hat insoweit bereits geklärt, dass im Rahmen des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG nicht zwischen der Organisation der in § 30 UStDV genannten Vorstellungen und den dort aufgeführten Leistungen zu unterscheiden ist, wenn der Unternehmer die Schaustellungen, Musikaufführungen, unterhaltende Vorstellungen oder sonstige Lustbarkeiten unmittelbar an die Besucher der Veranstaltungen „erbringt“12.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass es sich im Streitfall abweichend von dem Sachverhalt, über den der BFH in BFHE 199, 93, BStBl II 2004, 88 zu entscheiden hatte, um eine einmal jährlich stattfindende Veranstaltung handelt, die immer am selben Ort und nicht an ständig wechselnden Orten durchgeführt wurde. Maßgeblich ist der Umstand, dass die von den Besuchern des Dorffestes von der Gemeinde X bezogenen Leistungen bei richtlinienkonformer Auslegung in den Anwendungsbereich von § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG i.V.m. § 30 UStDV fallen13.
Soweit der V. Senat des Bundesfinanzhofs mit Urteil in BFHE 199, 93, BStBl II 2004, 88 entschieden hat, dass Umsätze aus der Veranstaltung von mittelalterlichen Märkten und Ritterturnieren dem ermäßigten Steuersatz unterliegen, weil es dem Sinn und Zweck des Art. 12 i.V.m. Anhang H Kategorie 7 der Richtlinie 77/388/EWG entspreche, auf Eintrittsberechtigungen für die in § 30 UStDV genannten Veranstaltungen den ermäßigten Steuersatz anzuwenden, teilt der hier erkennende XI. Senat des Bundesfinanzhofs diese Auffassung ausdrücklich. Auch die Gemeinde X hat Eintrittsberechtigungen für die in § 30 UStDV genannten Veranstaltungen eingeräumt.
Ferner steht der Anwendung der Steuersatzermäßigung in § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG auf die Eintrittsberechtigungen der Gemeinde X nicht der Einwand des Finanzamt entgegen, der nationale Gesetzgeber habe von der entsprechenden unionsrechtlichen Ermächtigung nicht in vollem Umfang Gebrauch gemacht. Denn es lässt sich weder dem Wortlaut von § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG noch der Regelung in § 30 UStDV entnehmen, dass der Leistende selbst Schausteller im Sinne dieser Bestimmungen sein muss. Soweit sich aus Abschn. 12.8. Abs. 2 UStAE etwas anderes ergeben sollte, handelt es sich lediglich um eine Verwaltungsanweisung, durch die eine selektive Anwendung des Regelsteuersatzes nicht angeordnet werden kann14.
Außerdem würde eine unterschiedliche Besteuerung der im Rahmen eines Dorffestes angebotenen Schaustellerleistungen und der außerhalb einer solchen Veranstaltung erbrachten gleichartigen Leistungen gegen das unionsrechtliche Neutralitätsprinzip verstoßen. Daher war eine entsprechende unionsrechtskonforme Auslegung geboten.
Soweit das Finanzamt in der mündlichen Verhandlung ergänzend ausgeführt hat, es sei denkbar, dass ein Teil des Volksfestes frei zugänglich und nicht von den streitbefangenen Eintrittsberechtigungen umfasst gewesen sei, wäre dies -unabhängig vom Fehlen entsprechender tatsächlicher Feststellungen des Finanzgericht- nicht entscheidungserheblich. Denn aus den tatsächlichen Feststellungen des Finanzgericht ergibt sich lediglich, dass die Beteiligten um die Anwendung des zutreffenden Steuersatzes auf die von der Gemeinde X erteilten Eintrittsberechtigungen streiten. Die umsatzsteuerrechtliche Behandlung etwaiger weiterer von anderen Unternehmern ausgeführter Umsätze ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 5. November 2014 – XI R 42/12
- vgl. z.B. BFH, Urteile vom 01.12 2011 – V R 1/11, BFHE 236, 235, BFH/NV 2012, 534, Rz 13 ff.; vom 14.03.2012 – XI R 8/10, BFH/NV 2012, 1667, Rz 26 ff., jeweils m.w.N.[↩]
- vgl. dazu BFH, Urteile vom 19.10.2011 – XI R 40/09, BFH/NV 2012, 798, Rz 19 ff.; vom 10.01.2013 – V R 31/10, BFHE 240, 380, BStBl II 2013, 352, Rz 39 ff.; vom 30.04.2014 – XI R 34/12, BFHE 245, 409, HFR 2014, 936[↩]
- vgl. EuGH, Urteile vom 03.04.2003 – C-144/00 -Hoffmann-, Slg. 2003, I-2921, BFH/NV Beilage 2003, 153, Rz 20, m.w.N.; vom 06.05.2010 – C-94/09 -Kommission/Frankreich-, Slg. 2010, I-4261, UR 2010, 454, Rz 25, m.w.N.; vom 27.02.2014 – C-454/12 und – C-455/12 -Pro Med Logistik u.a.-, UR 2014, 490, HFR 2014, 470, Rz 43, 44; vgl. auch BFH, Urteile vom 04.05.2011 – XI R 44/08, BFHE 233, 367, BStBl II 2014, 200, Rz 38 f.; vom 02.07.2014 – XI R 22/10, BFH/NV 2014, 2014; vom 02.07.2014 – XI R 39/10, BFH/NV 2014, 2019, DStR 2014, 2174[↩]
- vgl. EuGH, Urteile vom 10.11.2011 – C-259/10 und – C-260/10 -The Rank Group-, Slg. 2011, I-10947, UR 2012, 104, Rz 32, und -Pro Med Logistik u.a.- in UR 2014, 490, HFR 2014, 470, Rz 52[↩]
- vgl. z.B. BFH, Urteile vom 20.04.1988 – X R 20/82, BFHE 153, 454, BStBl II 1988, 796; vom 25.11.1993 – V R 59/91, BFHE 173, 249, BStBl II 1994, 336, unter II. 1.; – V R 46/91, BFH/NV 1995, 349, unter II. 1., jeweils m.w.N.[↩]
- BFH, Urteil vom 22.10.1970 – V R 67/70, BFHE 100, 420, BStBl II 1971, 37[↩]
- BFH, Urteil vom 22.06.1972 – V R 36/71, BFHE 106, 148, BStBl II 1972, 684[↩]
- vgl. BFH, Urteil in BFH/NV 1995, 349, unter II. 1.a[↩]
- vgl. BFH, Urteile in BFHE 173, 249, BStBl II 1994, 336, unter II. 3.; in BFH/NV 1995, 349, unter II. 1.b, m.w.N.[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 199, 93, BStBl II 2004, 88, unter II. 1.[↩]
- vgl. auch BFH, Urteil in BFHE 199, 93, BStBl II 2004, 88, unter II. 1.[↩]
- vgl. BFH, Urteil in BFHE 199, 93, BStBl II 2004, 88, unter II. 1.; vgl. auch FG Berlin-Brandenburg zur Veranstaltung eines Volksfestes in EFG 2010, 2039[↩]
- vgl. auch FG Berlin-Brandenburg in EFG 2010, 2039; a.A. FG Münster, Urteil vom 05.10.2010 – 15 K 3961/07 U, EFG 2011, 578[↩]
- vgl. z.B. BFH, Urteil vom 08.10.2008 – V R 61/03, BFHE 222, 176, BStBl II 2009, 321, unter II. 3.d cc, unter Hinweis auf das EuGH, Urteil vom 16.01.2003 – C-315/00 -Maierhofer-, Slg. 2003, I-563, UR 2003, 86, Rz 23[↩]