Zu den „Umsätzen im Rahmen einer Geschäftsveräußerung“ im Sinne von § 1 Abs. 1a Satz 1 UStG zählen alle in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Veräußerungsvorgang bewirkten Einzelleistungen. Das in einem Unternehmenskaufvertrag über einen ambulanten Pflegedienst vereinbarte Wettbewerbsverbot kann als Umsatz im Rahmen einer Geschäftsveräußerung nicht steuerbar sein.

Nach § 1 Abs. 1a Satz 1 UStG unterliegen die Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen nicht der Umsatzsteuer. Eine Geschäftsveräußerung liegt vor, wenn ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird (§ 1 Abs. 1a Satz 2 UStG). Der erwerbende Unternehmer tritt an die Stelle des Veräußerers (§ 1 Abs. 1a Satz 3 UStG).
Diese Vorschriften beruhen unionsrechtlich auf Art. 5 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG (nunmehr Art.19 MWSt-SystemRL1). Danach können die Mitgliedstaaten die Übertragung des Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens, die entgeltlich oder unentgeltlich oder durch Einbringung in eine Gesellschaft erfolgt, so behandeln, als ob keine Lieferung von Gegenständen vorliegt, und den Begünstigten der Übertragung als Rechtsnachfolger des Übertragenden ansehen.
Das vorliegend im Rahmen einer Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1a UStG vertraglich vereinbarte Wettbewerbsverbot ist nicht steuerbar:
Die Übernahme des Pflegedienstes der Verkäuferin als solchen durch die Erwerberin stellt eine Geschäftsveräußerung i.S. von § 1 Abs. 1a UStG dar.
Nach den Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union in Sachen –Zita Modes– und –Schriever–2 muss, damit eine Übertragung eines Geschäftsbetriebs oder eines selbständigen Unternehmensteils i.S. von Art. 5 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG festgestellt werden kann, die Gesamtheit der übertragenen Bestandteile hinreichen, um die Fortführung einer selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit zu ermöglichen. Dies ist vorliegend der Fall.
Soweit das Finanzamt vorträgt, die Erwerberin habe den Namen der Verkäuferin nicht fortgeführt, was zeige, dass der Erwerb des Unternehmens gerade nicht auf die Fortführung, sondern auf die Erweiterung und Sicherung der Marktanteile für die Erwerberin gerichtet gewesen sei, folgt der Bundesfinanzhof dem nicht. Denn nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist lediglich erforderlich, dass der durch die Übertragung Begünstigte beabsichtigt, den übertragenen Geschäftsbetrieb zu betreiben und nicht nur die betreffende Geschäftstätigkeit sofort abzuwickeln3. Es ist daher unerheblich, dass die Erwerberin nicht den Namen der Verkäuferin weitergeführt hat; entscheidend ist, dass die Erwerberin die Tätigkeit der Verkäuferin nunmehr im Rahmen ihrer bisherigen eigenen Geschäftstätigkeit fortgeführt hat.
Zu den „Umsätzen im Rahmen einer Geschäftsveräußerung“ i.S. von § 1 Abs. 1a Satz 1 UStG zählen alle in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Veräußerungsvorgang bewirkten Einzelleistungen4.
Dabei ist für die Feststellung, ob ein Geschäft unter den Begriff der Übertragung eines Gesamtvermögens im Sinne der Richtlinie 77/388/EWG fällt, eine Gesamtwürdigung der für das betreffende Geschäft kennzeichnenden tatsächlichen Umstände vorzunehmen und der Art der wirtschaftlichen Tätigkeit, deren Fortführung geplant ist, besondere Bedeutung zuzumessen5. Die erforderliche Gesamtwürdigung obliegt im Wesentlichen dem Finanzgericht6.
Das Finanzgericht hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen, dass das im Streitfall im Unternehmenskaufvertrag vereinbarte Wettbewerbsverbot dazu dient, der übernehmenden Erwerberin die Fortführung des übertragenen ambulanten Pflegedienstes zu ermöglichen und deshalb in unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Veräußerung steht7.
Nach der Würdigung des Finanzgericht „kommt im vorliegenden Einzelfall dem von der Verkäuferin mit dem Erwerber vereinbarten Konkurrenzverbot keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung zu. Zwar trifft es zu, dass im Kaufvertrag ein Entgelt für das Wettbewerbsverbot gesondert ausgewiesen ist, welches allerdings mit dem Gesamtkaufpreis abgegolten sein soll. Auch hat das Finanzamt zutreffend darauf hingewiesen, dass dieses 38,4 % des Kaufpreises ausmacht. Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs ist die Verpflichtung der Verkäuferin, dem Erwerber ‚keine Konkurrenz zu machen’, aber dennoch als einer der Umsätze im Rahmen der Geschäftsveräußerung im Ganzen nach § 1 Abs. 1a UStG anzusehen. Dem gesonderten Ausweis eines Betrages für das Konkurrenzverbot kommt vorliegend nur eine nachrangige Bedeutung zu. Ansonsten könnten Veräußerer und Käufer allein durch den (Nicht-)Ausweis eines gesonderten Entgelts die steuerliche Behandlung der Übertragung des Konkurrenzverbots steuern. Für die Frage, ob dem vereinbarten Konkurrenzverbot eine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung zukommt, ist nach Auffassung des BFHs vielmehr entscheidend, ob dieses dem Übernehmer die Fortführung des Betriebs ermöglicht. Dabei ist die Art des übertragenen Unternehmens nach Auffassung des BFHs von entscheidender Bedeutung. Bei einem ambulanten Pflegedienst, wie es das von der Verkäuferin übertragene Unternehmen darstellt, kommt den immateriellen Wirtschaftsgütern eine wesentliche Bedeutung zu. Die übertragenen Betriebsmittel sind im Verhältnis dazu in der Regel eher von untergeordneter Bedeutung.
Für den Übernehmer eines ambulanten Pflegedienstes ist entscheidend, ob er den Betrieb auf Dauer mit Gewinn fortführen kann. Dabei ist für ihn i.d.R. die Fortführung des bisherigen Namens wesentlich sowie das Vorhandensein von Patienten (dem Kundenstamm). Ferner ist auch die Vereinbarung eines Konkurrenzverbots für die Fortführung des Betriebs von Bedeutung, wobei das Wettbewerbsverbot und der Kundenstamm in der Regel eng miteinander verbunden sein dürften. Dies zeigt sich auch im vorliegenden Fall am Wortlaut des vereinbarten Konkurrenzverbots, wonach sich die Verkäuferin verpflichtete, ‚insbesondere nach Übertragung des Unternehmens weder mittelbar noch unmittelbar, persönlich oder über Dritte, die vom Käufer übernommenen (und von diesem neu gewonnenen) Patienten abzuwerben oder einem anderen Unternehmen zu empfehlen.’ “
Diese Würdigung des Finanzgericht, dass aufgrund der Umstände des Einzelfalls das Konkurrenzverbot den Erhalt des Kundenstamms sichert und daher dem Übernehmer die Fortführung des Betriebs ermöglicht, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Revisionsrechtlich beachtliche Verstöße gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze hat das Finanzamt nicht vorgebracht8.
Dieses Ergebnis entspricht auch dem Sinn und Zweck des Art. 5 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG. Er bezweckt nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH9 und BFH10, die Übertragung von Unternehmen oder Unternehmensteilen zu erleichtern und zu vereinfachen.
Eine abweichende rechtliche Beurteilung ergibt sich nicht aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs in BFHE 203, 540, BStBl II 2004, 472.
Nach diesem Urteil kann die entgeltliche Unterlassung von Wettbewerb für fünf Jahre durch einen Steuerpflichtigen zwar eine nachhaltige gewerbliche oder berufliche Tätigkeit i.S. des § 2 Abs. 1 UStG 1991 sein. Diese Aussagen haben aber nicht die ihnen vom Finanzamt beigelegte Bedeutung für den hier gegebenen Sachverhalt, dass innerhalb eines Unternehmenskaufvertrags eine Konkurrenzschutzklausel vereinbart wird, die für die Fortführung der wirtschaftlichen Tätigkeit des übernommenen Pflegedienstes im Rahmen einer Geschäftsveräußerung gemäß § 1 Abs. 1a UStG wesentlich ist. Eine Geschäftsveräußerung i.S. von § 1 Abs. 1a UStG war gerade nicht Gegenstand des geschilderten Urteils.
Ohne Erfolg wendet das Finanzamt schließlich ein, die Vereinbarung des Konkurrenzverbots könne deshalb nicht im Rahmen der Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1a UStG erfolgt sein, weil es sich um ein Wirtschaftsgut handele, welches erst durch die Veräußerung entstehe. Diese Sichtweise verkennt, dass Gegenstand der hier zu beurteilenden Geschäftsveräußerung gerade ist, dass der Veräußerer die mit seinem bisherigen Geschäft betriebene Tätigkeit beendet. Das Konkurrenzverbot sichert im vorliegenden Fall –unter Berücksichtigung der Art des Betriebs– diese Beendigung in einer für die Geschäftsfortführung durch den Erwerber gebotenen Weise ab. Es stellt sich damit als integraler Teil der Geschäftsveräußerung dar.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 29. August 2012 – XI R 1/11
- Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem[↩]
- EuGH, Urteile vom 27.11.2002 – C‑497/01 [Zita Modes], Slg. 2003, I‑14393, BFH/NV Beilage 2004, 128, Rz 40; und vom 10.11.2011 – C‑444/10 [Schriever], UR 2011, 937, DStR 2011, 2196, Rz 25[↩]
- vgl. EuGH, Urteile in Slg. 2003, I‑14393, BFH/NV Beilage 2004, 128, Rz 44, 46; in UR 2011, 937, DStR 2011, 2196, Rz 37; BFH, Urteil vom 18.01.2012 – XI R 27/08, BFHE 235, 571, BFH/NV 2012, 677, unter II.03.[↩]
- vgl. Husmann in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 1 Rz 1094; Probst in Hartmann/Metzenmacher, Umsatzsteuergesetz, § 1 Abs. 1a Rz 53; Bülow in Vogel/Schwarz, UStG, § 1 Rz 259[↩]
- vgl. EuGH, Urteil in UR 2011, 937, DStR 2011, 2196, Rz 32[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 06.05.2010 – V R 25/09, BFH/NV 2010, 1873, unter II.04.[↩]
- vgl. auch Meyer, EFG 2011, 677, 681[↩]
- vgl. dazu z.B. BFH, Urteile vom 24.01.2008 – V R 12/05, BFHE 221, 310, BStBl II 2009, 60, unter II.02.c bb; vom 25.06.2009 – V R 25/07, BFHE 226, 407, BStBl II 2010, 239, unter II.3.c; vom 04.05.2011 – XI R 35/10, BFHE 233, 379, BStBl II 2011, 836, unter II.B.II.2.e[↩]
- EuGH, Urteile in Slg. 2003, I‑14393, BFH/NV Beilage 2004, 128, Rz 39; in UR 2011, 937, DStR 2011, 2196, Rz 23[↩]
- vgl. z.B. BFH, Urteile vom 30.04.2009 – V R 4/07, BFHE 226, 138, BStBl II 2009, 863; in BFH/NV 2010, 1873, unter II.3.[↩]