Dauerhafte Grundstücksüberlassung als Grünausgleichsfläche

Bei der dauerhaften Überlassung eines Grundstücks als Grünausgleichsfläche an die Gemeinde liegt keine Vermietung oder Verpachtung vor.

Dauerhafte Grundstücksüberlassung als Grünausgleichsfläche

Gemäß § 4 Nr. 12 Buchst. c UStG ist u.a. die Bestellung von dinglichen Nutzungsrechten, zu denen auch die entgeltliche Einräumung einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit (§ 1090 BGB) gehört, steuerfrei. Aus der Entstehungsgeschichte des durch Art. 17 Nr. 3 des Steuerbereinigungsgesetzes 19851 in das Gesetz aufgenommenen § 4 Nr. 12 Buchst. c UStG ergibt sich, dass hierdurch „eine gleiche Behandlung aller Grundstücksüberlassungen zur Nutzung erreicht“ werden sollte2; die Befreiung sonstiger bislang steuerpflichtiger Umsätze war nicht beabsichtigt.

Die Vorschrift beruht auf Art. 13 Teil B Buchst. b Satz 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG3, nach der die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken steuerfrei ist. Aus der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung folgt, dass nur die Bestellung solcher dinglicher Nutzungsrechte unter § 4 Nr. 12 Buchst. c UStG fällt, die auch von dem Begriff „Vermietung und Verpachtung“ in Art. 13 Teil B Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG umfasst werden. Mit der Eintragung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit sollte aber vorliegend das Recht zur Durchführung einer Ausgleichsmaßnahme gesichert werden, das nicht das Merkmal „Vermietung und Verpachtung“ erfüllt.

Ob eine Vermietung oder Verpachtung vorliegt, richtet sich umsatzsteuerrechtlich nicht nach den Vorschriften des nationalen Zivilrechts4. Das grundlegende Merkmal des Begriffs der „Vermietung von Grundstücken“ i.S. von Art. 13 Teil B Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG (seit 1.01.2007 Art. 135 Abs. 1 Buchst. l MwSt-SystemRL5 besteht darin, dass dem Vertragspartner auf bestimmte Zeit gegen eine Vergütung das Recht eingeräumt wird, ein Grundstück so in Besitz zu nehmen, als wäre er dessen Eigentümer, und jede andere Person von diesem Recht auszuschließen6. Für die Beurteilung, ob eine bestimmte Vereinbarung dieser Definition entspricht, sind alle Merkmale des Vorgangs sowie die Umstände zu berücksichtigen, unter denen er erfolgt. Maßgebend ist insoweit der objektive Inhalt des Vorgangs, unabhängig von der Bezeichnung, die die Parteien ihm gegeben haben7.

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Danach liegt keine Vermietung vor. Zwar hat der Kläger der Gemeinde das Recht zur Inbesitznahme eingeräumt, um die Ausgleichsmaßnahme auf dem Grundstück vornehmen zu können. Dabei ist es den Vertragsparteien aber nicht um eine Inbesitznahme der Grundstücke durch die Gemeinde gegangen, um ihr die Möglichkeit zu verschaffen, Dritte wie ein Eigentümer von der Nutzung ausschließen zu können. Entscheidend war für die Gemeinde, die Grundstücke durch Umgestaltung in einen bestimmten Zustand zu versetzen, um damit ihren naturschutzrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen.

Eine Vermietung scheidet darüber hinaus auch deshalb aus, weil der Kläger der Gemeinde das Nutzungsrecht nicht für eine bestimmte Zeit überlassen hat. Das würde einen in irgendeiner Form, entweder durch konkrete Bezeichnung oder durch ein Kündigungsrecht, begrenzten Zeitraum voraussetzen. Der Kläger hat der Gemeinde das Nutzungsrecht aber „auf Dauer“ eingeräumt und sich damit einverstanden erklärt, dass das Grundstück „auf Dauer nur für Zwecke des Naturschutzes und der Landschaftspflege bzw. der Forstwirtschaft genutzt werden darf“.

Das BFH-Urteil vom 11. November 20048 steht dem nicht entgegen. Der Bundesfinanzhof hat darin entschieden, dass die Einräumung der Berechtigung zur Überspannung eines Grundstücks jedenfalls dann eine als Vermietung und Verpachtung zu beurteilende Nutzungsüberlassung auf Zeit ist, wenn damit nicht der endgültige und vollständige Verlust der wirtschaftlichen Herrschaftsmacht verbunden ist. Bei Grundstücken führe weder die Überlassung einer verhältnismäßig geringfügigen Grundfläche für die Aufstellung von Strommasten noch die Überspannung zu einem endgültigen und vollständigen Verlust der Herrschaftsmacht. Im vorliegenden Fall kommt es aber durch die unwiderrufliche und dauerhafte Überlassung des Nutzungsrechts, die Durchführung von Ausgleichsmaßnahmen und den umfassenden Entzug der Nutzung als Ackerland zu einem endgültigen und dauerhaften Verlust der wirtschaftlichen Herrschaftsmacht des Klägers über das Grundstück.

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Da die Grundstücksüberlassung keine Vermietung und Verpachtung von Grundstücken ist, kommt auch eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG nicht in Betracht.

Die Grundstücksüberlassung ist auch nicht nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfrei. Danach sind die Umsätze, die unter das GrEStG fallen, steuerfrei.

Das sind gemäß § 1 Abs. 1 des GrEStG u.a. „die folgenden Rechtsvorgänge, soweit sie sich auf inländische Grundstücke beziehen:

  1. ein Kaufvertrag oder ein anderes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung begründet;
  2. die Auflassung, wenn kein Rechtsgeschäft vorausgegangen ist, das den Anspruch auf Übereignung begründet;
  3. der Übergang des Eigentums, wenn kein den Anspruch auf Übereignung begründendes Rechtsgeschäft vorausgegangen ist und es auch keiner Auflassung bedarf. …“

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Die Merkmale des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 GrEStG liegen nicht vor, weil weder ein den Anspruch der Gemeinde auf Übereignung begründendes Rechtsgeschäft noch eine Auflassung oder der Übergang des Eigentums an die Gemeinde vorliegen.

Gemäß § 1 Abs. 2 GrEStG unterliegen darüber hinaus der Grunderwerbsteuer „auch Rechtsvorgänge, die es ohne Begründung eines Anspruchs auf Übereignung einem anderen rechtlich oder wirtschaftlich ermöglichen, ein inländisches Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten“.

Die Verwertungsbefugnis kann sich dabei –ebenso wie beim Eigentümer– aus zwei Möglichkeiten der Verwertung ergeben, nämlich aus dem Recht zur Nutzung und aus dem Recht, das Grundstück wie ein Zwischenerwerber auf eigene Rechnung zu veräußern9. Da die Verwertung auf eigene Rechnung zu erfolgen hat, verlangen beide Möglichkeiten der Verwertung eine Beteiligung an der Substanz des Grundstücks. Bei der vorwiegend rechtlichen Verwertungsmöglichkeit durch Veräußerung erfolgt die Beteiligung an der Substanz des Grundstücks durch Teilhabe am Erlös10, bei wirtschaftlicher Verwertungsbefugnis durch Nutzung –wie im Streitfall– muss die Substanzbeteiligung durch Wertbeteiligung in anderer Weise erfolgen11. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht schon deshalb erfüllt, weil eine anderweitige als die vereinbarte Nutzung „für Zwecke des Naturschutzes und der Landschaftspflege bzw. der Forstwirtschaft“ durch den Kläger nicht mehr möglich ist.

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Die Einräumung des Nutzungsrechts für die Gemeinde A. und die Bestellung der beschränkt persönlichen Dienstbarkeit für die Gemeinde ist auch keine Nebenleistung zu dem gemäß § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfreien Verkauf der Grundstücke an die X und werden von der Steuerbefreiung dieses Grundstücksumsatzes daher nicht umfasst.

Bei einem Umsatz, der ein Leistungsbündel darstellt, ist nach ständiger Rechtsprechung des EuGH, der sich der BFH angeschlossen hat, in der Regel davon auszugehen, dass jede Leistung als eine selbständige Leistung anzusehen ist. Eine einheitliche Leistung liegt dagegen vor, wenn zwei oder mehr Handlungen oder Einzelleistungen des Steuerpflichtigen für den Kunden so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv einen einzigen untrennbaren wirtschaftlichen Vorgang bilden, dessen Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre, sowie wenn ein oder mehrere Teile die Hauptleistung bilden, andere Teile dagegen als eine oder mehrere Nebenleistungen anzusehen sind, die das steuerrechtliche Schicksal der Hauptleistung teilen. Dabei ist der dominierende Bestandteil auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers zu bestimmen12.

Dies führt im Streitfall zur Annahme selbständiger Leistungen. Die Nutzungsüberlassung und die Einräumung einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit verfolgten einen gegenüber der Grundstückslieferung eigenständigen Zweck. Während der Grundstückserwerb durch die – X der Errichtung eines Gewerbegebietes diente, wollte die Gemeinde A. durch den Bezug des Nutzungsrechts und den Erwerb der beschränkt persönlichen Dienstbarkeit die ihr nach dem NdsNSchG obliegenden raumordnungsrechtlichen Auflagen und Vorgaben erfüllen. Die einzige Verknüpfung zwischen dem Grundstückserwerb durch die – X und der Nutzungsüberlassung und Einräumung einer Dienstbarkeit an bzw. für die Gemeinde besteht in einer übergeordneten wirtschaftlichen Gesamtzielsetzung mit dem Inhalt, Grundstücke zur Errichtung eines Gewerbeparks zu erwerben bzw. erwerben zu lassen und die damit erforderlich werdenden naturschutzrechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen. Das reicht für die Annahme einer einheitlichen Leistung nicht aus.

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Bundesfinanzhof, Urteil vom 21. Februar 2013 – V R 10/12

  1. BGBl I 1984, 1493, BStBl I 1984, 659[]
  2. so die Gesetzesbegründung in BR-Drs. 140/84 zu Art.19 Nr. 2 des Gesetzentwurfs[]
  3. Richtlinie 77/388/EWG[]
  4. BFH, Urteil vom 07.07.2011 – V R 41/09, BFHE 234, 513, Rdnr.19[]
  5. Richtlinie des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem 2006/112/EG[]
  6. vgl. in diesem Sinne u.a. EuGH, Urteile vom 16.12.2010 – C-270/09, MacDonald Resorts Ltd., Slg. 2010, I-13179 Rdnr. 46; vom 06.12.2007 – C-451/06, Walderdorff, Slg. 2007, I-10637 Rdnr. 17; vom 12.06.2003 – C-275/01, Sinclair Collis, Slg. 2003, I-5965 Rdnr. 25; vom 04.10.2001 – C-326/99, Goed Wonen, Slg. 2001, I-6831 Rdnr. 55; vom 09.10.2001 – C-108/99, Cantor Fitzgerald International, Slg. 2001, I-7257 Rdnr. 21; vom 09.10.2001 – C-409/98, Mirror Group, Slg. 2001, I-7175 Rdnr. 31; BFH, Urteile vom 24.01.2008 – V R 12/05, BFHE 221, 310, BStBl II 2009, 60, unter II.1.; vom 12.05.2011 – V R 50/10, BFH/NV 2011, 1407[]
  7. EuGH, Urteil MacDonalds Ressort Ltd. in Slg. 2010, I-13179 Rdnr. 46[]
  8. BFH, Urteil vom 11.11.2004 – V R 30/04, BFHE 207, 560, BStBl II 2005, 802[]
  9. BFH, Urteile vom 29.07.2009 – II R 2/08, BFH/NV 2009, 1833; vom 17.10.1990 – II R 55/88, BFH/NV 1991, 556, 557, sowie vom 10.03.1999 – II R 35/97, BFHE 188, 444, BStBl II 1999, 491[]
  10. vgl. BFH, Urteil vom 19.06.1975 – II R 86/67, BFHE 117, 89, BStBl II 1976, 27[]
  11. vgl. BFH, Urteile in BFH/NV 2009, 1833; vom 27.08.1975 – II R 52/70, BFHE 117, 96, BStBl II 1976, 30[]
  12. zuletzt EuGH, Urteil vom 21.02.2013 – C-18/12, Stadt Zamberk/Senftenberg, Deutsches Steuerrecht 2013, 407[]
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