Erbringt ein Träger des Jugendfreiwilligendienstes, der gemäß § 11 Abs. 1 JFDG zur Gewährung von Geld- oder Sachleistungen an die Freiwilligen verpflichtet ist, Leistungen an die Einsatzstelle der Freiwilligen, die von der Einsatzstelle durch eine monatliche Pauschale vergütet wird, ist diese Leistung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL steuerfrei.

Nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL befreien die Mitgliedstaaten „eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen (…), einschließlich derjenigen, die durch (…) Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen bewirkt werden“.
Die im hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall gegebene unternehmerbezogene Anerkennung ergibt sich aus § 10 JFDG. Die klagende JFD-Trägerin erfüllt auch die leistungsbezogene Voraussetzung. Sie liegt vor, wenn die Leistung des Unternehmers ausschließlich dazu dient, den Einsatz von Zivildienstleistenden bei nach § 4 ZDG anerkannten oder noch anzu Beschäftigungsstellen zu ermöglichen, die Einrichtungen bei der Anerkennung als Beschäftigungsstelle und bei der Zuweisung von Zivildienstleistenden zu unterstützen und die im Rahmen des Zivildienstes und damit nur vorübergehend den amtlichen Beschäftigungsstellen zugewiesenen Personen zu betreuen, da damit der erforderliche Bezug zur Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit besteht. Es handelt sich dann um eine Leistung, die ausschließlich und unmittelbar darauf gerichtet ist, den Einsatz von Zivildienstleistenden im sozialen Bereich zu ermöglichen und durchzuführen [1].
In der Vorinstanz hat das Hessische Finanzgericht [2] eine eng mit der Sozialfürsorge oder der sozialen Sicherheit verbundene Leistung zutreffend bejaht, wie sie sich aus dem Gesamtkonzept und der gesetzlichen Ausgestaltung des Jugendfreiwilligendienstes ergibt.
Nach seiner gesetzlichen Ausgestaltung in §§ 1 ff. JFDG gehören die Jugendfreiwilligendienste zu den besonderen Formen des bürgerschaftlichen Engagements (§ 1 Abs. 1 Satz 1 JFDG), wobei für den freiwilligen Dienst nur unentgeltliche Unterkunft, Verpflegung und Arbeitskleidung oder entsprechende Geldersatzleistungen sowie ein angemessenes Taschengeld gewährt werden darf (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 JFDG) und zudem eine organisatorische Trennung zwischen dem Träger des Jugendfreiwilligendienstes (§ 1 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 10 JFDG) und den sog. Einsatzstellen (vgl. § 3 Abs. 1 JFDG) vorliegt, so dass sie zur Durchführung des Dienstes vertragliche Vereinbarungen abzuschließen haben (§ 5 Abs. 4 JFDG). Diese Vereinbarungen dienen nach der amtlichen Gesetzesbegründung der gemeinsamen Ermöglichung eines „kompetenzbasierten Bildungsdienstes“, wobei sichergestellt werden soll, dass Träger und Einsatzstellen dem „Gedanken der Arbeitsmarktneutralität“ Rechnung tragen, damit junge Menschen Fähigkeiten erwerben, die „in Bildungs- und Beschäftigungskontexten von Nutzen sind“ [3].
Zudem bedarf es einer Vereinbarung über den Jugendfreiwilligendienst zwischen der oder dem Freiwilligen und dem Träger (§ 11 Abs. 1 JFDG), die auch als dreiseitige Vereinbarung unter Einbeziehung der Einsatzstelle abgeschlossen werden kann, wobei dann die Einsatzstelle die Geld- oder Sachleistungen für Unterkunft, Verpflegung, Arbeitsbekleidung und Taschengeld auf eigene Rechnung übernimmt und der Träger für die Erfüllung dieser Pflichten wie ein selbstschuldnerischer Bürge haftet (§ 11 Abs. 2 JFDG). Nach der amtlichen Gesetzesbegründung handelt es sich bei der zwei- und dreiseitigen Vereinbarung lediglich um „verschiedene Möglichkeiten des Zusammenwirkens von Trägern und Einsatzstellen zur Durchführung des freiwilligen sozialen Dienstes und des freiwilligen ökologischen Dienstes“ [4].
Entscheidet sich ein Träger des Jugendfreiwilligendienstes, wie hier die JFD-Trägerin, dafür, keine dreiseitige Vereinbarung nach § 11 Abs. 2 JFDG abzuschließen, so dass sie gemäß § 11 Abs. 1 JFDG die Verpflichtung zur Gewährung von Geld- oder Sachleistungen für Unterkunft, Verpflegung, Arbeitsbekleidung und Taschengeld an die Freiwilligen übernimmt und hierfür von der Einsatzstelle eine monatliche Pauschale erhält, handelt es sich um ein Entgelt für eine i.S. von Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistung. Denn nach der gesetzlichen Ausgestaltung des Freiwilligendienstes in §§ 1 bis 3, sowie 5 und 11 JFDG soll die Einsatzstelle die Kosten für Geld- oder Sachleistungen für Unterkunft, Verpflegung, Arbeitsbekleidung und Taschengeld tragen, wobei die unterschiedlichen Vertragsgestaltungen nach § 11 Abs. 1 und Abs. 2 JFDG als gleichrangig anzusehen sind.
Die Entscheidung eines Trägers, die zweiseitige Vereinbarung nach § 11 Abs. 1 JFDG abzuschließen, mit der Folge, dass es einer weiteren Vereinbarung zur Kostentragung mit der Einsatzstelle bedarf, hebt daher auch in Bezug auf hierbei erbrachte Verwaltungsleistungen die enge Verbindung mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit nicht auf. Denn diese ergänzende Vereinbarung dient ausschließlich dazu, den Freiwilligen ihre Tätigkeit bei den Einsatzstellen zu ermöglichen und entspricht damit den Leistungen beim Einsatz von Zivildienstleistenden, die der Bundesfinanzhof bereits auf vergleichbarer Grundlage als steuerfrei angesehen hat [1].
em Einwand des Finanzamtes, dass es im Streitfall letztlich um eine nicht steuerfreie Personalgestellung gehe, ist nicht zu folgen.
Zwar sind entgeltliche Personalgestellungen als solche keine im sozialen Bereich erbrachten Gemeinwohldienstleistungen und somit auch keine „eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundenen Umsätze“ i.S. von Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL. Dies gilt auch dann, wenn die aufgrund der Gestellung auszuführende Tätigkeit als Leistung der Sozialfürsorge zu charakterisieren ist und die Gestellung an eine Einrichtung mit sozialem Charakter oder eine Einrichtung des öffentlichen Rechts erbracht wird [5].
Die Tätigkeit der Trägerin des Jugendfreiwilligendienstes unterscheidet sich jedoch von einer derart steuerpflichtigen Personalgestellung ‑unabhängig von der gewählten Vertragsform nach § 11 Abs. 1 und Abs. 2 JFDG- gemäß § 3 Abs. 2 JFDG bereits dadurch, dass sie das freiwillige soziale Jahr pädagogisch mit dem Ziel begleitet, soziale, kulturelle und interkulturelle Kompetenzen zu vermitteln und das Verantwortungsbewusstsein für das Gemeinwohl zu stärken. Maßgeblich für die Beurteilung des Streitfalls ist letztlich die Förderung des bürgerschaftlichen Engagements durch den Freiwilligendienst (vgl. § 1 Abs. 1 JFDG). Zudem ist der Gedanke der Arbeitsmarktneutralität zu wahren, wonach die Freiwilligen unterstützende, zusätzliche Tätigkeiten verrichten und keine hauptamtlichen Kräfte ersetzen [6]. Dementsprechend werden die Freiwilligen nach der gesetzlichen Konzeption getrennt von den Beschäftigten des allgemeinen Arbeitsmarktes, mögen letztere auch dem Sozialbereich zugeordnet sein, tätig. Über Tätigkeiten außerhalb des FSJ ist im Streitfall im Übrigen nicht zu entscheiden.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 24. Juni 2020 – V R 21/19
- BFH, Urteil in BFHE 226, 435, BStBl II 2015, 735[↩][↩]
- Hess. FG , Urteil vom 17.12.2018 – 1 K 2306/17[↩]
- BT-Drs. 16/6519, S. 13[↩]
- BT-Drs. 16/6519, S. 15[↩]
- EuGH, Urteil „go fair“ Zeitarbeit vom 12.03.2015 – C‑594/13, EU:C:2015:164, BStBl II 2015, 980, Rz 28[↩]
- vgl. zum Bundesfreiwilligendienstgesetz z.B. BT-Drs. 17/4803, S. 15[↩]
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