Der Theologe als Psychotherapeut

Gem. § 4 Nr. 14 UStG sind die Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut, Hebamme oder aus einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG und aus der Tätigkeit als klinischer Chemiker steuerfrei. Ein Psychotherapeut, der zwar nicht über einen Abschluss nach dem deutschen Psychotherapiegesetz, wohl aber über das „European Certificate of Psychotherapy“ verfügt, erbringt nach § 4 Nr. 14 UStG steuerbefreite Umsätze.

Der Theologe als Psychotherapeut

Dies entschied jetzt das Niedersächsische Finanzgericht auf die Klage eines Theologen, der selbständig tätig ist und ein Institut für Existenzanalyse und Logotherapie betreibt. Für seine Tätigkeit hat er sich eine Ausbildung als Psychotherapeut angeeignet, verfügt aber nicht über eine abgeschlossene inländische Hochschulausbildung als Psychologischer Psychotherapeut im Sinne des Psychotherapiegesetzes. Im Rahmen seiner Tätigkeit als Psychotherapeut wendet er als Behandlungsmethode auch die Logotherapie und die Existenzanalyse an.

Am 19. Januar 1999 stellte der Kläger einen Antrag auf Mitgliedschaft im Europäischen Verband für Psychotherapie. Dieser Antrag wurde durch den Vorstand des Deutschen Dachverbands für Psychotherapie am 24. November 1999 befürwortet. Am 19. Februar 2000 erteilte der Europäische Verband für Psychotherapie dem Kläger das „European Certificate of Psychotherapy (ECP)“. Darin wird bescheinigt, dass der Kläger eine Ausbildung entsprechend den Regeln des Europäischen Verbandes für Psychotherapie absolviert hat. Schließlich ist der Kläger am 12. April 2007 vom Österreichischen Bundesministerium für Gesundheit, Familie und Jugend gemäß dem Österreichischen Psychotherapiegesetz in die Psychotherapeutenliste eingetragen worden.

Weiterlesen:
Haftungsquote bei nicht gezahlter Umsatzsteuer

Die Vorschrift des § 4 Nr. 14 UStG setzt bei richtlinienkonformer Auslegung voraus, dass der Unternehmer eine Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin durch ärztliche oder arztähnliche Leistungen erbringt und dass er dafür die erforderliche Qualifikation besitzt1. Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin im Sinne des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der 6. USt-Richtlinie2 umfassen Tätigkeiten, die zum Zweck der Vorbeugung, der Diagnose, der Behandlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen für bestimmte Patienten ausgeführt werden3.

Im Urteil „Solleveld“4 hat der EuGH die Grundsätze für die Definition der „arztähnlichen Berufe“ durch die Mitgliedstaaten präzisiert:

Die Mitgliedstaaten haben nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der 6. EG-Richtlinie bei der Definition der arztähnlichen Berufe ein Ermessen, das sich nicht nur auf die für die Ausübung dieser Berufe erforderliche Qualifikation, sondern auch auf die Festlegung der spezifischen Heiltätigkeiten bezieht, die zu diesen Berufen gehören. Die Mitgliedstaaten können einzelne Berufe von den arztähnlichen Berufen ausnehmen, selbst wenn sie hinsichtlich bestimmter Aspekte im nationalen Recht besonders geregelt sind.

Begrenzt wird dieses Ermessen jedoch zum einen durch das Ziel der in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der 6. EG-Richtlinie aufgestellten Voraussetzung, „dass die Befreiung nur für Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin gilt, die von Personen erbracht werden, die die erforderlichen beruflichen Qualifikationen besitzen. Daher sind nicht alle Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin von der Mehrwertsteuer befreit, sondern nur diejenigen, die unter Berücksichtigung der beruflichen Ausbildung der Behandelnden eine ausreichende Qualität aufweisen.

Zum anderen verbietet zwar der Grundsatz der steuerlichen Neutralität, gleichartige und deshalb miteinander im Wettbewerb stehende Dienstleistungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich zu behandeln. „Bei der Prüfung, ob Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin gleichartig sind, sind jedoch die beruflichen Qualifikationen der Behandelnden zu berücksichtigen.

In Übereinstimmung mit diesen Grundsätzen hängt der Nachweis der erforderlichen Qualifikation nach der Rechtsprechung des BFH nicht ausschließlich von einer berufsrechtlichen Regelung und deren Erfüllung ab. Indizien für das Vorliegen einer beruflichen Qualifikation sind die Zulassung des jeweiligen Unternehmers oder die regelmäßige Zulassung seiner Berufsgruppe gemäß § 124 Abs. 2 SGB V durch die zuständigen Stellen der gesetzlichen Sozialversicherung oder die Aufnahme der betreffenden Leistungen in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen nach § 92 SGB V5. Weiteres Indiz ist, dass der Behandelnde die Qualifikation hat, die in einem Versorgungsvertrag gemäß § 11 Abs. 2, §§ 40, 111 SGB V für Leistungen von Fachkräften zur medizinischen Rehabilitation benannt ist6.

Weiterlesen:
Unterrichtspersonal eines Privatinstituts für Englischunterricht

Es ist unstreitig, dass Psychologische Psychotherapeuten, die über eine abgeschlossene Ausbildung im Sinne von § 5 PsychThG7 bzw. der auf Grundlage des § 8 PsychThG ergangenen Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Psychologische Psychothetherapeuten (PsychThAPrV) verfügen, eine ähnliche heilberufliche Tätigkeit nach § 4 Nr. 14 UStG ausüben8.

Im Jahre 2000 hat jedoch der Kläger mit dem ECP den Nachweis seiner beruflichen Qualifikation als Psychotherapeut erworben. Zwar verfügte der Kläger auch weiterhin nicht über einen nationalen Abschluss im Sinne des PsyhThG bzw. der PsychThAPrV. Dies ist aber nicht erforderlich, wenn der Kläger stattdessen über einen berufsqualifizierenden Abschluss eines anderen EU-Mitgliedstaats verfügt, der qualitativ mit dem nationalen Abschluss im Wesentlichen vergleichbar ist. Die PsychThAPrV setzt für den Ausbildungsabschluss eine Ausbildung von mindestens 4.200 Stunden voraus, die aus einer praktischen Tätigkeit, einer theoretischen Ausbildung einer praktischen Ausbildung mit Krankenbehandlungen unter Supervision sowie einer Selbsterfahrung, die die Ausbildungsteilnehmer zur Reflexion eigenen therapeutischen Handelns befähigt. Ziffer 5 des Statuts über die Verleihung des ECP verlangt demgegenüber eine 7-jährige Ausbildung und umfasst nicht weniger als 3.200 Stunden. Die letzten vier Jahre müssen in einer psychotherapeutischen Fachausbildung geleistet werden. Die Ausbildung muss die Bereiche Psychotherapeutische Selbsterfahrung oder Gleichwertiges, ein Theoretisches Studium in Form eines Universitätsstudiums oder einer Berufsausbildung und eines Fachspezifikums für Psychotherapie, Praktische Erfahrung und Praktikum in einer Einrichtung des Gesundheitswesens oder gleichwertiger Berufserfahrung umfassen. Für das Fachspezifikum sind die Ausbildungsbereiche im Einzelnen ausgeführt. Weiterhin ist festgelegt, dass Supervision und Lehrtherapie von den Psychotherapeuten angeboten werden muss. Damit sind die Ausbildungsinhalte nach der PsychThAPrV und dem Statut für die Verleihung des ECP weitgehend identisch; der Umfang der Ausbildung weicht mit 3.200 Stunden nicht erheblich von dem nach der nationalen Prüfungsordnung von 4.200 Stunden ab. Der Kläger ist infolgedessen als hinreichend beruflich qualifiziert anzusehen; seine als Psychotherapeut erzielten Umsätze sind von der Verleihung des ECP an nach § 4 Nr. 14 UStG steuerbefreit.

Weiterlesen:
Umsatzsteuer-Voranmeldungen - und die Pflicht zur elektronischen Abgabe

Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 20. April 2009 – 16 K 113/08

  1. vgl. EuGH, Urteile vom 6. November 2003 – C 45/01, Christoph-Dornier-Stiftung, UR 2003, 585 Rz. 5; vom 27. April 2006 – C-443/04 und C444/04, Solleveld u.a., BFH/NV Beilage 2006, 299, UR 2006, 587 Rz 24, 37; BFH, Urteile vom 7. Juli 2005 V R 23/04, BStBl. II 2005, 904; vom 18. August 2005 V R 71/03, BStBl. II 2006, 143[]
  2. Sechste Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern77/388/EWG[]
  3. BFH, Urteile vom 30. Juni 2005 – V R 1/02, BStBl. II 2005, 675; vom 13. Juli 2006 V R 7/05, BFH/NV 2006, 2387, DStR 2006, 1982, m.w.N.[]
  4. EuGH, Urteil in BFH/NV Beilage 2006, 299, UR 2006, 587[]
  5. BFH, Urteil vom 7. Juli 2005 – V R 23/04, BStBl. II 2005, 904, m.w.N.[]
  6. BFH, Urteil vom 25. November 2004 V R 44/02, BStBl. II 2005, 190, unter II.2.c[]
  7. Gesetz über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten[]
  8. Abschnitt 90 Abs. 2 Umsatzsteuerrichtlinien 2008; Sölch/Ringleb, Kommentar zum UStG, § 4 Nr. 14 Rz. 72[]