Die Fahrschule – und die Umsatzsteuer

Fahrunterricht in einer Fahrschule ist ein spezialisierter Unterricht, der für sich allein nicht der für den Schul- und Hochschulunterricht kennzeichnenden Vermittlung, Vertiefung und Entwicklung von Kenntnissen und Fähigkeiten in Bezug auf ein breites und vielfältiges Spektrum von Stoffen gleichkommt und deshalb nicht unter den Begriff des Schul- und Hochschulunterrichts i.S. des Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j MwStSystRL fällt.

Die Fahrschule – und die Umsatzsteuer

Fahrunterricht in einer Fahrschule zum Erwerb der Fahrerlaubnisklassen B und C1 (Kraftfahrzeuge mit zulässiger Gesamtmasse von nicht mehr als 3.500 kg) ist mithin nicht umsatzsteuerfrei.

Im Streitfall betrieb die Fahrschule, eine GmbH, eine Fahrschule. Sie wies in den von ihr ausgestellten Rechnungen keine Umsatzsteuer gesondert aus, weil sie der Auffassung war, ihre Leistungen seien umsatzsteuerfrei. Dem folgten weder das Finanzamt noch das Finanzgericht. Und auch der Bundesfinanzhof wies nun die Revision der Fahrschule zurück.

Der Bundesfinanzhof hatte zunächst ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union zur Auslegung von Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j der der Mehrwertsteuersystemrichtlinie 2006/112/EG gerichtet. Dieses hatte der Unionsgerichtshof mit seinem Urteil „A & G Fahrschul-Akademie“ vom 14.03.20191 im Sinne der Finanzverwaltung beantwortet.

Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs ist der von der Fahrschule geleistete Fahrunterricht nicht nach innerstaatlichem Recht steuerfrei. Denn es handelt sich mangels der hierfür erforderlichen Bescheinigung nicht um eine dem Schul- und Bildungszweck dienende Leistung, die i.S. von § 4 Nr. 21 des Umsatzsteuergesetzes steuerfrei ist. Die Fahrschule kann sich auch nicht unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j MwStSystRL mit dem danach von der Umsatzsteuer zu befreienden „Schul- und Hochschulunterricht“ berufen. Denn der Fahrunterricht in einer Fahrschule ist nach dem im Streitfall ergangenen Urteil des Unionsgerichtshofs ein spezialisierter Unterricht, der für sich allein nicht der für den Schul- und Hochschulunterricht kennzeichnenden Vermittlung, Vertiefung und Entwicklung von Kenntnissen und Fähigkeiten in Bezug auf ein breites und vielfältiges Spektrum von Stoffen gleichkommt und der deshalb nicht unter den Begriff des Schul- und Hochschulunterrichts i.S. des Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j MwStSystRL fällt2. Diese Wertung des Unionsgerichtshofs war für den Bundesfinanzhof bindend:

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Die Leistungen der Fahrschule sind nach nationalem Recht nicht steuerfrei.

Die Voraussetzungen der Steuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 21 Buchst. a UStG liegen nicht vor3.

Die Merkmale des § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. aa UStG sind nicht erfüllt, weil weder eine staatliche Genehmigung gemäß Art. 7 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) noch eine landesrechtliche Erlaubnis vorliegt.

Die auf Bundesrecht beruhende Erteilung der Fahrschulerlaubnis durch Aushändigung oder Zustellung der Erlaubnisurkunde gemäß § 13 des Fahrlehrergesetzes (FahrlG) ist keine staatliche Genehmigung als Ersatzschule nach Art. 7 Abs. 4 GG und auch keine landesrechtliche Genehmigung.

Es liegt keine Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde i.S. von § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG vor. Ob mit Abschn.04.21.2 Abs. 6 Satz 6 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses (UStAE) bei Fahrschulen für die Leistungen im Rahmen der Fahrerlaubnisklassen 2 und 3 (bis 31.12.1998) bzw. C, CE, D, DE, D1, D1E, T und L (ab 01.01.1999) die Fahrschulerlaubnisurkunde nach § 13 Abs. 1 FahrlG als Bescheinigung der zuständigen Behörde i.S. des § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG anerkannt werden kann, braucht der Bundesfinanzhof nicht zu entscheiden, weil es sich im Streitfall um die nicht in Abschn. 4.21.2 Abs. 6 Satz 6 UStAE genannten Leistungen zur Erlangung der Fahrerlaubnisklassen B und C1 handelt.

Auch die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG greift nicht ein. Denn die Fahrschule ist weder eine Hochschule i.S. der §§ 1 und 70 des Hochschulrahmengesetzes noch eine öffentliche allgemeinbildende oder berufsbildende Schule und aus den Gründen zu II. 1.a aa auch keine private Schule oder andere allgemeinbildende oder berufsbildende Einrichtung, die die Voraussetzungen des § 4 Nr. 21 Buchst. a UStG erfüllt.

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Die Fahrschule kann sich nicht unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j MwStSystRL berufen.

Der Begriff „Schul- und Hochschulunterricht“ i.S. des Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j MwStSystRL umfasst nur Tätigkeiten, die sich sowohl wegen ihrer spezifischen Art als auch aufgrund des Rahmens, in dem sie ausgeübt werden, abheben4.

Für die Zwecke der Mehrwertsteuerregelung verweist der Begriff des Schul- und Hochschulunterrichts daher allgemein auf ein integriertes System der Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten in Bezug auf ein breites und vielfältiges Spektrum von Stoffen sowie auf die Vertiefung und Entwicklung dieser Kenntnisse und Fähigkeiten durch die Schüler und Studenten je nach ihrem Fortschritt und ihrer Spezialisierung auf den verschiedenen dieses System bildenden Stufen5.

Fahrunterricht in einer Fahrschule ist ein spezialisierter Unterricht, der für sich allein nicht der für den Schul- und Hochschulunterricht kennzeichnenden Vermittlung, Vertiefung und Entwicklung von Kenntnissen und Fähigkeiten in Bezug auf ein breites und vielfältiges Spektrum von Stoffen gleichkommt und fällt deshalb nicht unter den Begriff des Schul- und Hochschulunterrichts i.S. des Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j MwStSystRL2. Dem schließt sich der Bundesfinanzhof an.

Soweit der Bundesfinanzhof im Vorlagebeschluss vom 27.03.20196 davon ausgeht, dass es sich bei Schwimmunterricht um Unterricht i.S. von Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j MwStSystRL handelt, beruht dies darauf, dass es sich beim Schwimmen um das Erlernen einer elementaren Grundfähigkeit handelt, an der ein ausgeprägtes Gemeininteresse besteht, was sich für den Erwerb der Fahrerlaubnisse für Kfz der Klassen B und C1 i.S. des Art. 4 Abs. 4 MwStSystRL nicht bejahen lässt7.

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Bundesfinanzhof, Urteil vom 23. Mai 2019 – V R 7/19 (V R 38/16)

  1. EuGH, Urteil A & G Fahrschul-Akademie vom 14.03.2019 – C-449/17, EU:C:2019:202[]
  2. EuGH, Urteil A & G Fahrschul-Akademie, EU:C:2019:202, Rz 29, 30[][]
  3. vgl. BFH, Urteil vom 14.03.1974 – V R 54/73, BFHE 112, 313, BStBl II 1974, 527 zu § 4 Nr. 21 UStG 1967; bestätigt durch BFH, Urteil vom 10.01.2008 – V R 52/06, BFHE 221, 295, Rz 37[]
  4. EuGH, Urteil A & G Fahrschul-Akademie, EU:C:2019:202, Rz 24[]
  5. EuGH, Urteil A & G Fahrschul-Akademie, EU:C:2019:202, Rz 26[]
  6. BFH, Vorlagebeschluss vom 27.03.2019 – V R 32/18, DStR 2019, 986[]
  7. BFH, Beschluss in DStR 2019, 986, Rz 20[]

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