Die geänderte Verwendungsabsicht für ein noch zu erstellendes gemischt genutztes Gebäude

Die in einem nachfolgenden Besteuerungszeitraum erstmals gefasste und dokumentierte Absicht, weitere Flächen eines noch zu erstellenden gemischt genutzten Gebäudes unternehmerisch zu nutzen, betrifft das im jeweiligen Zeitpunkt des Leistungsbezugs im Umfang der vormals getroffenen und dokumentierten Zuordnungsentscheidung entstandene Recht, Vorsteuer abzuziehen, nicht. Dem stehen weder das Urteil „Gmina Ryjewo“ des Gerichtshofs der Europäischen Union1 entgegen noch die die Dokumentation der Ausübung des Zuordnungswahlrechts betreffenden Entscheidungen des Bundesfinanzhofs vom 18.09.20192.

Die geänderte Verwendungsabsicht für ein noch zu erstellendes gemischt genutztes Gebäude

Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Die nach § 15 UStG abziehbaren Vorsteuerbeträge sind für den Besteuerungszeitraum abzusetzen, in den sie fallen (§ 16 Abs. 2 Satz 1 UStG).

Bei Bezug eines einheitlichen Gegenstands, der -wie hier- gemischt, also für unternehmerische und private Zwecke, verwendet wird oder werden soll, steht nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs und des Gerichtshofs der Europäischen Union dem Unternehmer ein Zuordnungswahlrecht zu. Er kann das Grundstück in vollem Umfang in seinem Privatvermögen belassen, insgesamt seinem Unternehmen zuordnen, oder entsprechend dem unternehmerischen Nutzungsanteil seinem Unternehmen zuordnen3.

Die Zuordnung eines Gegenstands zum Unternehmen erfordert als innere Tatsache eine durch Beweisanzeichen gestützte Zuordnungsentscheidung des Unternehmers4. Dabei ist die Geltendmachung des Vorsteuerabzugs regelmäßig ein gewichtiges Indiz für, hingegen die Unterlassung des Vorsteuerabzugs ein ebenso gewichtiges Indiz gegen die Zuordnung eines Gegenstands zum Unternehmen5.

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Aus dem Grundsatz des Sofortabzugs der Vorsteuer folgt, dass die Zuordnungsentscheidung schon bei Anschaffung oder Herstellung des Gegenstands zu treffen ist6.

Im hier entschiedenen Streitfall hat der Bauherr im Zeitpunkt des jeweiligen Leistungsbezugs der Streitjahre (2007 bis 2011) das noch zu erstellende Gebäude im Umfang von 67, 72 % seinem nichtunternehmerischen Bereich (Privatvermögen) und im Umfang von 32, 28 % seinem Unternehmen zugeordnet und für die Erzielung steuerpflichtiger Umsätze vorgesehen. Von der Möglichkeit, das Gebäude insgesamt dem Unternehmensvermögen zuzuordnen, hat er danach keinen Gebrauch gemacht. Die Zuordnung wurde in der Umsatzsteuerjahreserklärung für 2007 gegenüber dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt) eindeutig dokumentiert und von diesem bei Erlass des Umsatzsteuerbescheids entsprechend berücksichtigt. An dieser Zuordnung hat der Bauherr auch in den jeweiligen Zeitpunkten des Bezugs von Lieferungen und Leistungen bis einschließlich 2011 festgehalten und dies gleichfalls in den betreffenden Steuererklärungen eindeutig dokumentiert. Die vom Bauherr erstmals im Jahr 2012 (das nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist) gefasste und dokumentierte Absicht, weitere Räumlichkeiten des weiterhin noch zu erstellenden Gebäudes -nunmehr insgesamt 49 % der Gesamtfläche- unternehmerisch zu nutzen, betrifft das in den Jahren 2007 bis 2011 im jeweiligen Zeitpunkt des Leistungsbezugs im Umfang der vom Bauherr getroffenen und dokumentierten Zuordnungsentscheidung entstandene Recht, Vorsteuer abzuziehen, nicht. Da der Bauherr in den Jahren 2007 bis 2011 jeweils eine zeitnahe Zuordnungsentscheidung getroffen und dokumentiert hat, käme es in dem von ihm angestrebten Revisionsverfahren mithin nicht auf die Frage an, ob ein Steuerpflichtiger sein Vorsteuerabzugsrecht auch nach Ablauf der Abgabefrist der Umsatzsteuererklärung für das betreffende Kalenderjahr dadurch erhöhen kann, dass er Flächen eines Gebäudes entgegen seiner ursprünglichen Absicht umsatzsteuerpflichtig vermietet.

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Aus dem vom Bauherr in Bezug genommenen Urteil „Gmina Ryjewo“ des Unionsgerichtshofs1 ergibt sich nichts anderes. Denn dort hatte die betreffende Gemeinde -anders als der Bauherr im Streitfall nach Maßgabe seiner in den Jahren 2007 bis 2011 getroffenen Zuordnungsentscheidung- nicht ausdrücklich die Absicht bekundet, das Gebäude zu einem bestimmten Prozentsatz für eine besteuerte Tätigkeit nutzen zu wollen, aber auch nicht ausgeschlossen, dass dieser Gegenstand zu einem solchen Zweck genutzt werde. Gleiches gilt für die die Dokumentation der Ausübung des Zuordnungswahlrechts betreffenden EuGH-Vorlagen des Bundesfinanzhofs7. Auch dort hatten die Unternehmer nicht erklärt, den Gegenstand zu einem bestimmten Prozentsatz dem Unternehmensvermögen zuzuordnen.

Bundesfinanzhof, Beschluss vom 10. Februar 2021 – XI B 24/20

  1. EuGH, Urteil „Gmina Ryjewo“ vom 25.07.2018 – C-140/17, EU:C:2018:595[][]
  2. BFH, Beschlüsse vom 18.09.2019 – XI R 3/19, BFHE 266, 459; und vom 18.09.2019 – XI R 7/19, BFHE 266, 472[]
  3. vgl. EuGH, Urteile „Lennartz“ vom 11.07.1991 – C-97/90, EU:C:1991:315; „Armbrecht“ vom 04.10.1995 – C-291/92, EU:C:1995:304, BStBl II 1996, 392; „Bakcsi“ vom 08.03.2001 – C-415/98, EU:C:2001:136; HE vom 21.04.2005 – C-25/03, EU:C:2005:241, BStBl II 2007, 24; Puffer vom 23.04.2009 – C-460/07, EU:C:2009:254; „Eon Aset Menidjmunt“ vom 16.02.2012 – C-118/11, EU:C:2012:97; „Medicom und Maison Patrice Alard“ vom 18.07.2013 – C-210/11, – C-211/11, EU:C:2013:479; „Trgovina Prizma“ vom 09.07.2015 – C-331/14, EU:C:2015:456; BFH, Urteile vom 07.07.2011 – V R 42/09, BFHE 234, 519, BStBl II 2014, 76; vom 07.07.2011 – V R 21/10, BFHE 234, 531, BStBl II 2014, 81; vom 19.07.2011 – XI R 29/09, BFHE 234, 556, BStBl II 2012, 430; vom 18.04.2012 – XI R 14/10, BFH/NV 2012, 1828; vom 11.07.2012 – XI R 17/09, BFH/NV 2013, 266; vom 20.03.2014 – V R 27/12, BFH/NV 2014, 1097; BFH, Beschlüsse vom 25.02.2014 – V B 75/13, BFH/NV 2014, 914; vom 18.09.2019 – XI R 3/19, BFHE 266, 459; vom 18.09.2019 – XI R 7/19, BFHE 266, 472[]
  4. ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH, Urteile in BFHE 234, 519, BStBl II 2014, 76; vom 15.12.2011 – V R 48/10, BFH/NV 2012, 808; in BFH/NV 2012, 1828; in BFH/NV 2013, 266; BFH, Beschlüsse vom 14.03.2017 – V B 109/16, BFH/NV 2017, 922; in BFHE 266, 459; in BFHE 266, 472[]
  5. vgl. z.B. BFH, Beschlüsse in BFHE 266, 459; in BFHE 266, 472; jeweils m.w.N.[]
  6. ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH, Urteile in BFHE 234, 519, BStBl II 2014, 76; in BFH/NV 2012, 808; in BFH/NV 2012, 1828; in BFH/NV 2013, 266; BFH, Beschlüsse in BFHE 266, 459; in BFHE 266, 472[]
  7. vgl. BFH, Beschlüsse in BFHE 266, 459; in BFHE 266, 472[]
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