Die im Freihafen ansässige Organgesellschaft

Erbringt eine Muttergesellschaft gegenüber einer in ihr Unternehmen eingegliederten, im Freihafen ansässigen Tochtergesellschaft („Organgesellschaft“) sonstige Leistungen, die aufgrund der Fiktion des § 1 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a UStG „wie Umsatz im Inland“ behandelt werden, sind diese steuerpflichtig und nicht als innerorganschaftliche Umsätze nicht umsatzsteuerbar, da trotz Fiktion als § 1 Abs. 3 UStG die Tochtergesellschaft nicht gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 2 UStG im Inland gelegen ist.

Die im Freihafen ansässige Organgesellschaft

Die von der Muttergesellschaft und ihren weiteren Organgesellschaften gegenüber der im Freihafen ansässigen Organgesellschaft („A“) erbrachten Leistungen sind als sonstige Leistungen gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b i. V. m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbar und -pflichtig. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG unterliegen der Umsatzsteuer die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b UStG sind sonstige Leistungen, die in den Freihäfen bewirkt; und vom Leistungsempfänger ausschließlich oder zum Teil für eine nach § 4 Nr. 8 bis 27 UStG steuerfreie Tätigkeit verwendet werden, wie Umsätze im Inland zu behandeln.

Bei den von der Muttergesellschaft gegenüber der A zur Verfügung gestellten EDV-Arbeitsplätzen handelt es sich um sonstige Leistungen, die die Muttergesellschaft als Unternehmerin gegen Entgelt im Rahmen ihres Unternehmens ausgeführt hat. Diese wurden im Freihafen bewirkt. Dies ergibt sich aus § 3a Abs. 3 i. V. m. Abs. 4 Nr. 11, bzw. Nr. 4 und Nr. 14 UStG (i.d.F. 2007). Soweit Computer zur Nutzung überlassen worden sind, handelt es sich um die Vermietung beweglicher körperlicher Gegenstände im Sinne des § 3a Abs. 4 Nr. 11 UStG (i.d.F. 2007). Darüber hinaus auf elektronischem Weg erbrachte Leistungen, sollten sie von der Überlassung der Hard- und Software als eigenständig zu beurteilende Leistung anzusehen sein, sind von § 3a Abs. 4 Nr. 4 (i.d.F. 2007) – Datenverarbeitung – bzw. § 3a Abs. 4 Nr. 14 (i.d.F. 2007) – auf elektronischem Weg erbrachte sonstige Leistungen – erfasst. Ort der Leistung ist mithin der Freihafen, da die A als Empfängerin dieser Leistungen Unternehmerin ist und ihr Unternehmen im Freihafen betreibt, vgl. § 3a Abs. 3 Satz 1 UStG (i.d.F. 2007).

Bei den von den Organgesellschaften der Muttergesellschaft im Zusammenhang mit dem Kartenverkauf gegenüber der A erbrachten Leistungen handelt es sich ebenfalls um sonstige Leistungen in Form von Vermittlungsleistungen, die auf Grundlage von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG der Muttergesellschaft zugerechnet werden und gegen Entgelt im Rahmen des Unternehmens ausgeführt wurden. Diese Umsätze wurden ebenfalls im Freihafen bewirkt.

Nach den Grundsätzen des Urteils des Bundesfinanzhofs vom 03.11.20111 haben die Organgesellschaften Vermittlungsleistungen ausschließlich gegenüber der A erbracht. Sie haben dem jeweiligen Käufer der Eintrittskarten die sonstige Leistung „Theateraufführung“ vermittelt, indem sie in fremdem Namen und auf fremde Rechnung den Vertrieb der Tickets übernahmen. Dieses ergibt sich zum einen aus dem mit der A geschlossenen Vertriebsvertrag. Zum anderen ist der Wille, lediglich als Vermittler der A aufzutreten, durch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Vertriebsgesellschaften sowie durch entsprechende Aufdrucke auf den verkauften Karten hinreichend nach außen getreten.

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Leistungsort der Vermittlungsleistung ist gemäß § 3a Abs. 2 Nr. 3 UStG (i.d.F. 2007) der Freihafen, da die A durch die …-Aufführungen als kulturelle Leistung zum wesentlichen Teil im Freihafen tätig geworden ist und die Vermittlungsleistung nach § 3a Abs. 2 Nr. 4 UStG (i.d.F. 2007) an dem Ort erbracht wird, an dem der vermittelte Umsatz ausgeführt wird.

Die gegenüber der A erbrachten Leistungen sind trotz Leistungsorts im Freihafen und damit nicht im Inland dennoch nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbar und steuerpflichtig, da die A die Eingangsleistungen zumindest zum Teil für die nach § 4 Nr.20 Buchst. a UStG steuerfreien Umsätze eines einem Theater in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft gleichgestellten Theaters verwandt hat, so dass diese nach § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b UStG „wie Umsätze im Inland“ zu behandeln sind. Eine Steuerbefreiung für diese Umsätze ist nicht ersichtlich.

Bei den gegenüber der A erbrachten sonstigen Leistungen handelt es sich nicht um nicht steuerbare Innenumsätze im Rahmen einer umsatzsteuerlichen Organschaft.

Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt, § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG. Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in ein Unternehmen eingegliedert ist, § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG, mithin eine umsatzsteuerliche Organschaft vorliegt.

Der Muttergesellschaft ist zuzugestehen, dass die A in diesem Sinn die drei Eingliederungsmerkmale erfüllen dürfte. Die finanzielle Eingliederung ergibt sich daraus, dass die Muttergesellschaft 100 % der Anteile an der A hält und somit ihren Willen durch Mehrheitsbeschlüsse auf Ebene der A durchsetzen kann2. Auch eine organisatorische Eingliederung ist aufgrund der Personenidentität der Geschäftsführer der Muttergesellschaft und der A sowie dem Beherrschungsvertrag nach § 291 AktG gegeben, so dass die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Tochtergesellschaft durch die Muttergesellschaft in der laufenden Geschäftsführung tatsächlich wahrgenommen wird und sichergestellt ist, dass eine vom Willen der Muttergesellschaft abweichende Willensbildung in der Tochtergesellschaft nicht stattfindet3. Darüber hinaus ist die A auch wirtschaftlich in das Unternehmen der Muttergesellschaft eingegliedert, da sie aufgrund ihrer Tätigkeit als Produktionsgesellschaft von … dem Unternehmenszweck der Muttergesellschaft entscheidend dient. Insoweit besteht ein vernünftiger wirtschaftlicher Zusammenhang im Sinne einer wirtschaftlichen Einheit, Kooperation oder Verflechtung, welche die A im Gefüge zu übergeordneten Muttergesellschaft als deren Bestandteil erscheinen lässt4.

Die Muttergesellschaft hält ihre Beteiligung an der A auch in ihrem unternehmerischen Bereich; die A ist in das „Unternehmen“ der Muttergesellschaft eingegliedert. Als Holding-Gesellschaft ist die Muttergesellschaft nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Bundesfinanzhofs nur insoweit Unternehmerin und eine von ihr gehaltene Beteiligung dem unternehmerischen Bereich zuzuordnen, als sie Beteiligungen an Tochtergesellschaften nicht nur hält und verwaltet (Finanzholding), sondern darüber hinaus durch entgeltliche administrative, finanzielle, kaufmännische oder technische Dienstleistungen (Führungs- oder Funktionsholding) im Sinn einer einheitlichen Leitung aktiv in das laufende Tagesgeschäft ihrer Tochtergesellschaften eingreift5 bzw. die Beteiligung der Förderung einer bestehenden oder beabsichtigten unternehmerischen Tätigkeit dient6. Sind diese Voraussetzungen nur bezüglich bestimmter Beteiligungen erfüllt, verfügt die Holding über einen unternehmerischen als auch einen nichtunternehmerischen Bereich (gemischte Holding).

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Aufgrund vertraglicher Vereinbarung werden von der Muttergesellschaft im Rahmen des Management-Vertrags zwar nur noch EDV-Leistungen gegenüber der A entgeltlich erbracht, da weitere Managementaufgaben weiterhin wahrgenommen, jedoch aufgrund der Unentgeltlichkeit nicht mehr im Rahmen des Leistungsaustausches, sondern auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage erbracht werden. In der Zusammenschau mit dem Cash-Management-Vertrag, insbesondere der verzinslichen Darlehensgewährung als wirtschaftliche Tätigkeit7 sowie der strategischen Bedeutung der Beteiligung der A für den Gesamtkonzern (G-Lizenzvertrag, größter Ertrags- und Liquiditätslieferant im Konzern), ist die Muttergesellschaft aber weiterhin unternehmerisch gegenüber der A tätig.

Die A ist jedoch entgegen den Anforderungen von § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 UStG, der die Wirkungen der Organschaft auf Innenleistungen zwischen den im Inland gelegenen Unternehmensteilen beschränkt, nicht im Inland gelegen.

Nach § 1 Abs. 2 UStG ist Inland im Sinn des Umsatzsteuergesetzes das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit Ausnahme insbesondere der Freizonen des Kontrolltyps I nach § 1 Abs. 1 Satz 1 des Zollverwaltungsgesetzes (Freihäfen). Aufgrund ihrer Ansässigkeit im … Freihafen ist die A nicht im Inland belegen.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht durch Auslegung des § 1 Abs. 3 UStG. Weder Wortlaut, systematische Stellung, gesetzgeberische Intention noch Sinn und Zweck des § 1 Abs. 3 UStG, nach dem bestimmte in den Freihäfen bewirkte Umsätze „wie Umsätze im Inland zu behandeln“ sind, lassen es zu, organschaftlichen Regelungen auf eine im Freihafen belegende Tochtergesellschaft zu erstrecken.

Bereits seinem Wortlaut und seiner systematischen Stellung nach erweitert § 1 Abs. 3 UStG nicht die in § 1 Abs. 2 UStG getroffene Definition des Inlands für bestimmte im Freihafen bewirkte Umsätze. § 1 Abs. 3 UStG ist einzig zu entnehmen, dass im Wege einer gesetzlichen Fiktion lediglich die gleichen Rechtsfolgen eintreten sollen, als würde der Umsatz im Inland erfolgen. § 1 Abs. 3 UStG nimmt selbst – zur Anordnung einer bestimmten Rechtsfolge – Bezug auf den Begriff des Inlands, wie er in § 1 Abs. 2 UStG definiert ist. Er bestimmt damit gerade nicht als lex specialis gegenüber § 1 Abs. 2 UStG, dass für bestimmte im Freihafen bewirkte Umsätze der Freihafen selbst als Inland gelten soll.

Auch im Rahmen der durch Auslegung zu bestimmenden Reichweite der von § 1 Abs. 3 UStG angeordneten Rechtsfolge der Behandlung bestimmter Umsätze „wie Umsätze im Inland“ ergibt sich keine Anwendung der Organschaftsregeln.

Zur Verwirklichung der gesetzgeberischen Intention ist dies nicht notwendig. § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a, § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 UStG dienen der Besteuerung des Endverbrauchs in den genannten, nicht dem Inland zugehörigen Gebieten. Die nicht im umsatzsteuerrechtlichen Inland ausgeführten Umsätze sind grundsätzlich nicht steuerbar. Die genannten Vorschriften wollen nunmehr eine Besteuerung des Letztverbrauchs bewirken, um Wettbewerbsverzerrungen zu begegnen. Durch die Ergänzungen der Nr. 1 und Nr. 2 des § 1 Abs. 3 UStG mit dem Jahressteuergesetz 20078 wollte der Gesetzgeber sicherstellen, dass Leistungsbezüge von in den genannten Gebieten ansässigen unternehmerisch tätigen Leistungsempfängern ebenfalls steuerbar und steuerpflichtig sind, wenn sie den Vorsteuerabzug ausschließende Ausgangsumsätze ausführen9. Insoweit sollten Gestaltungen vermieden werden, wonach sich Unternehmen, die überwiegend den Vorsteuerabzug ausschließende Ausgangsumsätze ausführen, sich z. B. in einem Freihafen ansiedeln, um die Versagung des Vorsteuerabzugs dadurch zu kompensieren, dass sie nicht umsatzsteuerbare Eingangsleistungen beziehen.

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Zur Verwirklichung des Gesetzeszwecks, die mangels Leistungsorts im Inland grundsätzlich nicht steuerbaren Umsätze als steuerpflichtige Umsätze zu fingieren, bedarf es allerdings keiner Erweiterung der Fiktion auch auf den Leistungsempfänger als im Inland belegen.

Grundsätzlich umsatzsteuerbar und -steuerpflichtig sind nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Nicht Bestandteil dieses Tatbestands sind sowohl Ansässigkeitsort bzw. Sitz des Leistungserbringers als auch des Leistungsempfängers. Besteuert wird der im Inland ausgeführte Umsatz unabhängig von der Ansässigkeit des Leistungsempfängers. Gedeckt wird dieses Verständnis zudem durch § 1 Abs. 2 Satz 3 UStG, wonach es bei einem im Inland ausgeführten Umsatz nicht darauf ankommt, ob der Unternehmer deutscher Staatsangehöriger ist, seinen Wohnsitz oder Sitz im Inland hat, im Inland eine Betriebsstätte unterhält, die Rechnung erteilt oder die Zahlung empfängt. Gleiches gilt auch für die Person des Leistungsempfängers.

Für die Bestimmung der Reichweite der von § 1 Abs. 3 UStG angeordneten Rechtsfolge zur Verwirklichung des Gesetzeszwecks ist demnach notwendig aber auch ausreichend, im Rahmen des Tatbestands des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG allein den Umsatz als im Inland ausgeführt zu fingieren, unabhängig insbesondere von der Belegenheit des Unternehmens des Leistungsempfängers.

Eine Erstreckung der Rechtsfolge des § 1 Abs. 3 UStG auch auf die Belegenheit des Leistungsempfängers ist entgegen der Ansicht der Muttergesellschaft auch bei teleologischer Auslegung gerade nicht geboten.

Zum einen ist die von der Muttergesellschaft gerügte Schlechterstellung gegenüber dem reinen Inlandsfall bei der hier vertretenen Auslegung so pauschal nicht zu erkennen. Im Inlandsfall wäre eine Organschaft zwischen der Muttergesellschaft und der A zwar mit der Folge anzuerkennen, dass die von der Muttergesellschaft an die A ausgeführten sonstigen Leistungen als innerorganschaftliche Umsätze nicht steuerbar wären. Jedoch wäre die Muttergesellschaft aufgrund der von der A ausgeführten und der Muttergesellschaft zuzurechnenden steuerfreien Ausgangsumsätze für damit im Zusammenhang stehende Eingangsleistungen nicht vorsteuerabzugsberechtigt. Führt sie hingegen nach § 1 Abs. 3 UStG steuerbare und -pflichtige Ausgangsumsätze aus, steht ihr insoweit auch grundsätzlich der entsprechende Vorsteuerabzug zu.

Zum anderen führt die von der Muttergesellschaft vertretene Auslegung, wonach die von § 1 Abs. 3 UStG angeordnete Rechtsfolge auch auf die Organschaftsregeln zu erstrecken sei, zu Verwerfungen insbesondere in der Systematik der umsatzsteuerlichen Organschaft. Sie widerspricht damit dem Gebot einer systemkohärenten Auslegung.

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Rechtsfolge einer Eingliederung einer juristischen Person in das Unternehmen eines Organträgers ist, dass eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nichtselbstständig ausgeübt wird, mithin die eingegliederte Gesellschaft nicht mehr Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG ist. Die Organgesellschaft wird unselbständiger Teil des Unternehmens des Organträgers10. Beide Gesellschaften sind als ein Unternehmen zu behandeln11. Grundsätzlich werden jegliche Umsätze der Organgesellschaften einschließlich der Verwirklichung der Entnahmetatbestände und der übrigen Umsätze nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 und Nr. 5 UStG dem Organträger zugerechnet. Dieser ist Schuldner der auf diese Umsätze entfallenden Umsatzsteuer. Er hat alle Pflichten zu erfüllen, die sich aus § 18 UStG für den Unternehmer ergeben. Er allein gibt Voranmeldungen und Jahreserklärungen für die gesamte Organschaft ab. Die Organgesellschaft hat grundsätzlich keine Steuererklärungspflicht12. Die gesetzlichen Regelungen zielen folglich auf eine vollumfängliche, alle Eingangs- und Ausgangsumsätze der Organgesellschaften erfassende Organschaft. Eine partielle Organschaft, insbesondere in Abhängigkeit von bestimmten Umsätzen, sieht das Gesetz gerade nicht vor.

Eine solche partielle Organschaft wäre allerdings die Folge der von der Muttergesellschaft bevorzugten Auslegung des § 1 Abs. 3 UStG. Die Eingliederung in das Unternehmen des Organträgers unterstellt, wäre eine im Freihafen ansässige „Organgesellschaft“ einmal als unselbständiger Unternehmensteil, einmal als eigenständiger Unternehmer anzusehen, je nachdem, ob ein Umsatz nach § 1 Abs. 3 UStG vorliegt oder nicht. Insbesondere wäre die Behandlung von Innenumsätzen im Organkreis nur unvollständig geregelt. Zum einen wären die von der Muttergesellschaft und ihren Organgesellschaften an die A erbrachten Leistungen als Innenumsätze nicht steuerbar. Entgegen der Systematik der organschaftlichen Regelungen wären allerdings sonstige Leistungen der A gegenüber der Muttergesellschaft mit Leistungsort im Inland – z. B. erbrachte Beratungsleistungen, § 3a Abs. 3, Abs. 4 Nr. 3 UStG (i.d.F. 2007) – mangels Anwendbarkeit des § 1 Abs. 3 UStG keine nicht steuerbaren Innenleistungen, sondern steuerpflichtig.

Diesen Systemverwerfungen könnte man nur begegnen, wenn man bereits bei einem einzigen, dem § 1 Abs. 3 UStG unterfallenden Umsatz die im Freihafen ansässige, eingegliederte Gesellschaft mit allen übrigen Umsätzen unabhängig von § 1 Abs. 3 UStG vollumfänglich als Organgesellschaft ansieht. So wäre die A auf Basis nur eines Restaurationsumsatzes an einen …-Besucher (Umsatz nach § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst a UStG) mit all ihren übrigen Ein- und Ausgangsumsätze sowie empfangenen „Innenumsätze“ als Organgesellschaft anzusehen. Dagegen spricht jedoch zum einen die Wortlautgrenze des § 1 Abs. 3 UStG, wonach die Rechtsfolgenwirkung „wie im Inland“ eindeutig auf den jeweiligen Umsatz begrenzt ist. Zum anderen würde dies durch einfache Gestaltungsmöglichkeiten faktisch zu einem Wahlrecht für oder gegen eine umsatzsteuerlichen Organschaft führen, was sowohl das Umsatzsteuergesetz als auch das Unionsrecht ausschließen13.

Aus den gleichen Erwägungen heraus ist entgegen ihrer Ansicht die von der Muttergesellschaft vertretene Auslegung des § 1 Abs. 3 UStG nicht mit der MwStSysRL vereinbar.

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der MwStSysRL bestimmt, dass nach Konsultation des Beratenden Ausschusses für die Mehrwertsteuer jeder Mitgliedstaat in seinem Gebiet ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen behandeln kann.

Der EuGH hat diesbezüglich zur inhaltsgleichen Vorgängervorschrift des Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Umsatzsteuer-Richtlinie (77/388/EWG) entschieden, dass entsprechende Gesellschaften nicht mehr als getrennte Mehrwertsteuerpflichtige, sondern zusammen als ein Steuerpflichtiger behandelt werden und die untergeordnete Person nicht mehr als ein Steuerpflichtiger gilt. Zudem schließe es die Verschmelzung zu einem einzigen Steuerpflichtigen aus, dass die untergeordneten Personen weiterhin getrennt Mehrwertsteuererklärungen abgeben und innerhalb und außerhalb ihres Konzerns weiter als Steuerpflichtige angesehen werden könne, da nur der einzige Steuerpflichtige befugt sei, diese Erklärungen abzugeben14.

Eine partielle; vom jeweiligen Eingangs- bzw. Ausgangsumsatz abhängige umsatzsteuerliche Organschaft ist mit diesem Verständnis nicht vereinbar.

Auch die Begründung einer vollumfänglichen Organschaft aufgrund nur eines einzigen nach § 1 Abs. 3 UStG ausgeführten Umsatzes widerspricht Art. 11 der MwStSysRL. Danach entscheidet über das Vorliegen einer Organschaft allein die enge Verbundenheit von Unternehmen durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen und nicht die Art der ausgeführten Umsätze.

Die hier vertretene Auslegung führt entgegen der klägerischen Ansicht nicht zu einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 GG.

Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Aus ihm ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen15. Der jeweilige Maßstab, unter welchen Voraussetzungen der Gesetzgeber den Gleichheitssatz verletzt, lässt sich nur in Bezug auf die jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereiche bestimmen16.

Es ist bereits zweifelhaft, ob Organträger mit einer im Inland ansässigen eingegliederten Tochtergesellschaft bzw. einer nicht im Inland ansässigen eingegliederten Tochtergesellschaft als im Wesentlichen gleich und damit als zutreffende Vergleichsgruppe anzusehen sind. Die Besteuerung einer im Freihafen und damit im Drittland ansässigen Gesellschaft folgt aufgrund zollrechtlicher Vorschriften, den Regelungen über Einfuhren und Ausfuhren und dem im Umsatzsteuergesetz vorherrschenden Bestimmungslandprinzip einem kohärenten, eigenständigen System. Gleiches gilt für die Besteuerung einer im Inland ansässigen Gesellschaft. Durch die lediglich partiell nach § 1 Abs. 3 UStG vorzunehmende Gleichstellung von im Freihafen bewirkten Umsätzen mit inländischen Umsätzen werden diese unterschiedlichen Systeme nicht aufgehoben. Organträger mit im Inland bzw. im Ausland ansässigen Tochtergesellschaften werden dadurch nicht im Wesentlichen gleich.

Auch ist fraglich, ob es im vorliegenden Fall tatsächlich zu einer Ungleichbehandlung der Muttergesellschaft im Sinn einer Schlechterstellung gekommen ist. Bei Anerkennung einer Organschaft wären zwar die Leistungen der Muttergesellschaft und ihrer Organgesellschaften an die A als Innenumsätze nicht mit Umsatzsteuer belastet. Jedoch verlöre die Muttergesellschaft aufgrund der den Vorsteuerabzug ausschließenden Ausgangsumsätze der A, die ihr als Organträgerin zuzurechnen wären, zumindest partiell ihr Recht auf Vorsteuerabzug. Eine generelle Aussage darüber, ob die organschaftliche Verbundenheit von Unternehmern bezogen auf den Organkreis steuerlich vorteilhaft ist, lässt sich nicht treffen.

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Selbst wenn man eine Ungleichbehandlung annähme, so wäre diese jedenfalls gerechtfertigt. Mit der Einführung des § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b UStG verfolgte der Gesetzgeber das legitime Ziel der Missbrauchsbekämpfung. Unternehmen mit den Vorsteuerabzug ausschließenden Ausgangsleistungen sollen sich nicht dadurch einen Steuervorteil verschaffen können, dass sie durch Ansiedlung im Freihafen bereits nicht umsatzsteuerbare Eingangsleistungen beziehen. Den ihm dabei zustehenden Wertungsspielraum hat der Gesetzgeber dabei nicht verletzt. Er war nicht gehalten, im Rahmen der Gleichstellung bestimmter im Freihafen bewirkter Umsätze mit Inlandsumsätzen zugleich punktuell auf diese Umsätze die Organschaftsregeln zu erstrecken. Die mit einer partiellen; vom jeweiligen Umsatz abhängigen Organschaft einhergehenden, unionsrechtlich gar nicht zulässigen Verwerfungen im System der umsatzsteuerlichen Organschaft sprechen dagegen.

Fehler bei der Bestimmung der Bemessungsgrundlage sind nicht ersichtlich. Dabei kann offenbleiben, ob bzgl. der von der Muttergesellschaft erbrachten – unentgeltlichen – Managementleistungen bzw. den EDV-Leistungen die Mindestbemessungsgrundlage des § 10 Abs. 5 UStG heranzuziehen gewesen wäre. Insoweit ist das Gericht an die gestellten Anträge gebunden. Die Befugnis zur Verböserung zu Lasten der Muttergesellschaft enthalten weder § 96 FGO noch § 100 Abs. 2 Satz 1 FGO.

Finanzgericht Hamburg, Urteil vom 6. August 2014 – 2 K 189/13

  1. BFH, Urteil vom 03.11.2011 – V R 16/09, BStBl II 2012, 378[]
  2. vgl. BFH, Urteil vom 20.01.1999 – XI R 69/97, BFH/NV 1999, 1136[]
  3. vgl. BFH, Urteil vom 14.02.2008 – V R 12/06, BFH/NV 2008, 1365[]
  4. vgl. BFH, Urteil vom 29.10.2008 – XI R 74/07, BStBl II 2009, 256[]
  5. vgl. BFH, EuGH-Vorlage vom 11.12 2013 – XI R 17/11, BStBl II 2014, 417 m. w. N.[]
  6. vgl. EuGH, Urteil vom 11.07.1996 – C-306/94, Slg 1996, S. I-3695[]
  7. vgl. EuGH, Urteil vom 29.04.2004 – C-77/01, Slg. 2004, S. I-0425[]
  8. BStBl I 2007, S. 28[]
  9. vgl. Gesetzesbegründung, BR-Drs. 622/06, S. 128[]
  10. Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Rz. 936[]
  11. BFH, Urteil vom 29.10.2008 – XI R 74/07, BStBl II 2009, 256[]
  12. vgl. Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Rz. 950 und Klenk in Sölch/Ringleb, UStG, § 2 Rz. 143[]
  13. vgl. BFH, Urteil vom 29.10.2008 – XI R 74/07, BFHE 223, 498, BStBl II 2009, 256[]
  14. EuGH, Urteil vom 22.05.2008 – C-162/07, Slg 2008, S. I-4019[]
  15. ständige Rechtsprechung des BVerfG, z. B. BVerfG, Beschluss vom 06.04.2011 – 1 BvR 1765/09, HFR 2011, 812 m. w. N.[]
  16. BVerfG, Beschluss vom 12.10.2010 – 1 BvL 12/07, BVerfGE 127, 224 m. w. N.[]