Bei einem konkludent ergangenen Verwaltungsakt kommt die weitergehende Annahme eines über den jeweiligen Besteuerungszeitraum hinausgehenden Dauerverwaltungsakts nur in Betracht, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sich das Finanzamt konkludent auch für nachfolgende Besteuerungszeiträume binden wollte. Hieran fehlt es, wenn bei einem konkludent gestellten Antrag auf Istbesteuerung von einer dementsprechenden Gestattung nur für das jeweilige Jahr auszugehen ist.

Will das Finanzamt von seiner bisherigen Gestattungspraxis abweichen, muss es den Steuerpflichtigen vor dem Beginn des für die Steuerentstehung maßgeblichen ersten Voranmeldungszeitraums des jeweiligen Besteuerungszeitraums darüber unterrichten, dass es beabsichtigt, für den neuen Besteuerungszeitraum keine Gestattung mehr zu erteilen.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist der Regelungsinhalt eines Verwaltungsakts im Wege der Auslegung unter Berücksichtigung der Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Entscheidend sind der erklärte Wille der Behörde und der sich daraus ergebende objektive Erklärungsinhalt der Regelung, wie ihn der Betroffene nach den ihm bekannten Umständen unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte1. Dabei kann insbesondere in einer „erklärungsgemäßen Veranlagung“ eine konkludente Zustimmung zu einem Antrag des Steuerpflichtigen zu sehen sein2.
Diese Grundsätze sind auch im Rahmen der Gestattung nach § 20 UStG zu beachten. So hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass das Finanzamt einem nach dieser Vorschrift konkludent gestellten Antrag auf Istbesteuerung ebenso formlos durch Verwaltungsakt zustimmen und die damit erforderliche Gestattung erklären kann. Erforderlich ist hierfür zum einen aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit eine Steuererklärung, der deutlich erkennbar zu entnehmen ist, dass die Umsätze auf der Grundlage vereinnahmter Entgelte erklärt worden sind. Die Umsatzsteuerfestsetzung kann dann zum anderen, obwohl die Gestattung einer Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten (§ 20 UStG) und die hierauf beruhende Umsatzsteuerfestsetzung (§ 155 AO) zwei verschiedene Verfahren betreffen, als konkludente Gestattung der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten auszulegen sein. Voraussetzung ist hierfür, dass mit ihr nach außen erkennbar auch eine Entscheidung über den Antrag auf Istbesteuerung getroffen wurde, was sich wiederum nach dem Empfängerhorizont der Beteiligten bestimmt. Dabei ist der antragsgemäßen Festsetzung der Umsatzsteuer konkludent zu entnehmen, dass der ebenso konkludent gestellte Antrag auf Istbesteuerung genehmigt worden ist3.
Im Streitfall ist das Finanzgericht Baden-Württemberg in der Vorinstanz4 zwar in Übereinstimmung mit den Beteiligten zutreffend davon ausgegangen, dass eine konkludente Genehmigung der Istbesteuerung durch das Finanzamt vorlag. Rechtsfehlerhaft ist demgegenüber die Annahme eines Dauerverwaltungsakts:
Bei einem konkludent ergangenen Verwaltungsakt kommt die weitergehende Annahme eines über den jeweiligen Besteuerungszeitraum hinausgehenden Dauerverwaltungsakts5 nur in Betracht, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sich das Finanzamt konkludent auch für nachfolgende Besteuerungszeiträume binden wollte6.
Hieran fehlt es im Streitfall, in dem von einem konkludent gestellten Antrag auf Istbesteuerung und einer dementsprechenden Gestattung nur für das jeweilige Jahr auszugehen ist, für das die Antragstellerin ihre Steuererklärung eingereicht hat. Danach liegt für alle Jahre seit 2006 ein für das jeweilige Jahr jeweils konkludent gestellter Antrag vor, der dann durch das Finanzamt ebenso konkludent, aber wiederum nur jahresbezogen genehmigt wurde. Für einen weitergehenden Bindungswillen des Finanzamtes bestehen keinerlei Anhaltspunkte. Dass das Finanzamt beim Erlass des Widerrufsbescheids demgegenüber vom Vorliegen eines Dauerverwaltungsakts ausgegangen ist, steht dem nicht entgegen, weil es sich dabei lediglich um eine unzutreffende rechtliche Würdigung handelt, die im tatsächlichen Erklärungsverhalten des Finanzamtes keine Grundlage findet.
Für einen konkludent erteilten Dauerverwaltungsakt spricht auch nicht die jahrelang wiederholt erteilte Gestattung der Istbesteuerung. Diese Gestattungspraxis kann aus Gründen des Vertrauensschutzes nur den Anspruch begründen, mit einer Versagung der Gestattung nicht rückwirkend oder ohne hinreichende Vorbereitungsmöglichkeit konfrontiert zu werden. Bei dieser Sachlage muss das Finanzamt, will es von seiner bisherigen Gestattungspraxis abweichen, den Steuerpflichtigen vor dem Beginn des für die Steuerentstehung maßgeblichen ersten Voranmeldungszeitraums (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a und b UStG) des jeweiligen Besteuerungszeitraums (§ 16 Abs. 1 Satz 2 UStG) darüber unterrichten, dass es beabsichtigt, für den neuen Besteuerungszeitraum keine Gestattung mehr zu erteilen, damit der Steuerpflichtige in die Lage versetzt wird, sich auf den Übergang von der Ist- zur Sollbesteuerung vorzubereiten. Dem genügt der Bescheid vom 28.09.2020 in Bezug auf die Voranmeldungszeiträume des Besteuerungszeitraums des Beschwerdeverfahrens (Kalenderjahr 2021).
Der von der Antragstellerin im Zusammenhang mit einer unbilligen Härte angeführte Umstellungsaufwand steht dem nicht entgegen, da der Steuerpflichtige mit dem Erfordernis einer Umstellung dem Grunde nach stets zu rechnen hat.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 23. Dezember 2021 – V B 22/21 (AdV)
- vgl. z.B. BFH, Urteile vom 26.11.2009 – III R 87/07, BFHE 227, 466, BStBl II 2010, 429; und vom 16.01.2020 – VI R 49/17, BFH/NV 2020, 762[↩]
- BFH, Urteil vom 07.11.2013 – IV R 13/10, BFHE 243, 350, BStBl II 2015, 226[↩]
- BFH, Urteile vom 18.08.2015 – V R 47/14, BFHE 251, 287, BStBl II 2018, 611; und vom 18.11.2015 – XI R 38/14, BFH/NV 2016, 950[↩]
- FG Baden-Württemberg, Urteil vom 10.03.2021 – 9 – V 3053/20[↩]
- BFH, Urteil in BFH/NV 2020, 762[↩]
- vgl. zur Bestimmung des objektiven Erklärungsinhalts BFH, Urteil in BFH/NV 2020, 762[↩]
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