Die Kosten eines Kassenprüfers – als Massekosten

Wird ein sachverständiger Dritter durch den Insolvenzverwalter mit der Prüfung beauftragt, sind die Kosten der Prüfung Masseverbindlichkeiten, da sie i.S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO durch die Verwaltung der Masse verursacht werden. Von einer unmittelbaren Auftragserteilung durch die Insolvenzmasse ist jedenfalls dann auszugehen, wenn der Insolvenzverwalter in die Beauftragung eines Kassenprüfers eingebunden ist, indem er dem Gläubigerausschuss den Prüfer vorschlägt und dem Prüfer den Beschluss des Gläubigerausschusses über dessen Beauftragung übermittelt.

Die Kosten eines Kassenprüfers – als Massekosten

Diese Entscheidung traf jetzt der Bundesfinanzhof in einem Streitfall, in dem das Finanzamt die auf die Vergütung des Kassenprüfers entfallende Umsatzsteuer nicht zum Vorsteuerabzug zugelassen hatte. Wie erstinstanzlich bereits das Finanzgericht Düsseldorf1 bejahte auch der Bundesfinanzhof den Vorsteuerabzug durch den Insolvenzverwalter und damit die Qualifizierung der Prüfervergütung als Massekosten:

Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann ein Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Ausgeschlossen ist der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG für Leistungen, die der Unternehmer für steuerfreie Umsätze verwendet. Unionsrechtlich beruht dies auf Art. 168 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem. Danach ist der Steuerpflichtige (Unternehmer), der Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet, befugt, die im Inland geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert oder erbracht werden, von der von ihm geschuldeten Steuer abzuziehen2.

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Das Finanzgericht Düsseldorf hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass sich der umsatzsteuerrechtliche Leistungsaustausch unmittelbar zwischen dem Kassenprüfer – X und der durch den Insolvenzverwalter vertretenen Insolvenzmasse vollzogen hat, so dass dieser der Vorsteuerabzug aus den Prüfungsleistungen zusteht.

Nach ständiger BFH-Rechtsprechung bestimmen sich die Person des Leistenden und die des Leistungsempfängers nach dem der Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis3. Ebenso ist es im Unionsrecht und nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union4.

Danach ist Empfänger der von – X ausgeführten Prüfungsleistungen die durch den Insolvenzverwalter vertretene Masse, weil das Rechtsverhältnis, aus dem sich Leistender und Leistungsempfänger ergeben, zwischen der Masse und dem Kassenprüfer zustande gekommen ist. Im Ergebnis zutreffend hat das Finanzgericht insoweit entschieden, dass zwischen Insolvenzmasse und Kassenprüfer umsatzsteuerrechtlich keine andere Person zwischengeschaltet war. Denn die Mitglieder des Gläubigerausschusses haben bei der Beauftragung des Kassenprüfers unter Einschaltung des Insolvenzverwalters für die Masse durch ihre Beschlussfassung lediglich mitgewirkt, ohne dass hierdurch der Gläubigerausschuss oder seine Mitglieder als Leistungsempfänger zivilrechtlich verpflichtet werden sollten. Leistungsempfängerin war nach dem übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien die Masse.

Es gehört nicht zu den Aufgaben eines Gläubigerausschusses oder dessen Mitglieder, nach außen hin aufzutreten und Masseverbindlichkeiten durch Abschluss von Verträgen im Namen des insolventen Unternehmens zu begründen. Denn diese Aufgabe obliegt dem Insolvenzverwalter5, dessen Handeln den Leistungsbezug für die Masse und damit unter den weiteren Voraussetzungen des § 15 UStG den Vorsteuerabzug zugunsten der Masse begründet.

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Ob sich aus § 69 Satz 2 InsO etwas anderes ergibt, braucht der Bundesfinanzhof nicht zu entscheiden. Diese Vorschrift weist den Mitgliedern des Gläubigerausschusses die Vergabe der Kassenprüfung als Aufgabe zu. Diese Pflicht trifft die einzelnen Mitglieder des Gläubigerausschusses höchstpersönlich6. Dabei ist der Gläubigerausschuss -ebenso wie der Insolvenzverwalter- ein selbständiges gesetzliches Organ im Insolvenzverfahren7.

Nach den Verhältnissen des Streitfalls braucht der Bundesfinanzhof nicht zu entscheiden, ob seine Mitglieder den Prüfungsauftrag im Rahmen des § 69 Satz 2 InsO (ebenso wie der Insolvenzverwalter im Rahmen des § 80 InsO) unmittelbar für den Insolvenzschuldner als den Rechtsträger des die Insolvenzmasse bildenden Vermögens erteilen können, wenn sie in Erfüllung der ihnen durch diese Vorschrift gesetzlich zugewiesenen Aufgabe, den Geldverkehr und -bestand prüfen zu lassen, einen Kassenprüfer selbst beauftragen. Denn von einer unmittelbar die Insolvenzmasse treffenden Auftragserteilung ist jedenfalls dann auszugehen, wenn -wie hier- der Insolvenzverwalter in die Beauftragung des Kassenprüfers eingebunden ist, indem er dem Gläubigerausschuss den Prüfer vorschlägt und dem Prüfer den Beschluss des Gläubigerausschusses über dessen Beauftragung übermittelt.

Wird -wie hier- ein sachverständiger Dritter unter vorstehenden Umständen durch den Insolvenzverwalter mit der Prüfung beauftragt, sind die Kosten der Prüfung somit Masseverbindlichkeiten, da sie i.S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO durch die Verwaltung der Masse verursacht wurden8. Das entspricht auch dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers9. Soweit Schirmer in DStR 2012, 733, unter 1.02.01. demgegenüber die Begründung von Masseverbindlichkeiten im Hinblick auf einen „offensichtlich nicht sorgsam durchdachten Hinweis des Gesetzgebers im Regierungsentwurf zu § 80 InsO-E“ ablehnt, da die „Prüfung des Geldverkehrs und des Geldbestandes (…) die höchstpersönliche Pflicht eines jeden Gläubigerausschussmitglieds“ sei, folgt der Bundesfinanzhof dem nicht, da dies im Widerspruch zur BGH-Rechtsprechung steht, nach der „keine originäre Pflicht der Ausschussmitglieder [besteht], die Prüfung von Geldverkehr und -bestand selbst vorzunehmen“10.

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Dies entspricht auch der bisherigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs11. Danach kann der Insolvenzverwalter als Partei kraft Amtes „im Rahmen der Verwaltung“ Verträge mit Wirkung für und zu Lasten der Masse abschließen.

Die Belastung der Masse entspricht auch der wirtschaftlichen Realität und der allen erkennbaren Interessenlage der Beteiligten.

Die Leistungen des Kassenprüfers stehen in direktem und unmittelbarem Zusammenhang mit der (beendeten) wirtschaftlichen Tätigkeit des Insolvenzschuldners und berechtigen aus diesem Grund grundsätzlich zum Vorsteuerabzug12.

Zudem kann nach der Interessenlage den Mitgliedern des Gläubigerausschusses nicht zugemutet werden, die Kassenprüfung im eigenen Namen und auf eigene Rechnung zu vergeben. Deshalb ist auch der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass mit den Kosten der Prüfung durch einen sachverständigen Dritten die Masse belastet wird9. Denn die Mitglieder eines Gläubigerausschusses sind in der Regel Gläubiger, die nicht anders zu behandeln sind als andere Gläubiger. Deshalb kann von ihnen nicht erwartet werden, die ggf. erheblichen Kosten für die Prüfung des Geldverkehrs und -bestandes zu übernehmen oder auch nur für diese in Vorleistung treten zu müssen. Zudem würde sich kaum ein Gläubiger bereit erklären, im Gläubigerausschuss mitzuwirken, wenn damit die Pflicht zur (anteiligen) Kostenübernahme einer Kassenprüfung verbunden wäre. Das gilt insbesondere für Vertreter der Kleingläubiger und der Arbeitnehmer (§ 67 Abs. 2 Sätze 1 und 2 InsO).

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So haben dies zu Recht auch der Kassenprüfer und der Insolvenzverwalter verstanden. Denn – X hat seine Leistungen unmittelbar gegenüber dem Insolvenzverwalter als Insolvenzverwalter abgerechnet und der Insolvenzverwalter hat die Rechnung des Kassenprüfers beglichen, obwohl er sich bei der Begleichung von nicht gegenüber der Masse bestehenden Forderungen schadensersatzpflichtig gemacht hätte.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 21. April 2022 – V R 18/19

  1. FG Düsseldorf, Urteil vom 19.07.2017 – 5 K 1959/15 U, EFG 2019, l 1946[]
  2. BFH, Urteil vom 07.05.2020 – V R 22/18, BFHE 270, 151, BStBl II 2021, 921, Rz 19[]
  3. vgl. BFH, Urteile vom 22.11.2018 – V R 65/17, BFHE 263, 90, Rz 19; vom 28.08.2014 – V R 49/13, BFHE 247, 283, unter II. 1.c aa, m.w.N. zur ständigen Rechtsprechung[]
  4. z.B. EuGH, Urteil Newey vom 20.06.2013 – C-653/11, EU:C:2013:409, Rz 40, 43[]
  5. BGH, Urteil vom 22.04.1981 – VIII ZR 34/80, Der Betrieb 1981, 2534; Kahlert, DStR 2011, 2439, 2440[]
  6. BGH, Urteil vom 09.10.2014 – IX ZR 140/11, BGHZ 202, 324, Rz 17; BGH, Beschlüsse vom 01.03.2007 – IX ZB 47/06, Zeitschrift für das gesamte Insolvenz- und Sanierungsrecht -ZInsO- 2007, 444, Rz 11; vom 29.11.2007 – IX ZB 231/06, ZInsO 2008, 105, Rz 6[]
  7. BGH, Urteil in BGHZ 202, 324, Rz 16[]
  8. so zutreffend MünchKomm-InsO/Schmid-Burgk, 4. Aufl., § 69 Rz 18; Gerhardt in Jaeger, Insolvenzordnung, 2. Aufl., § 69 Rz 18; Uhlenbruck/Knof, Insolvenzordnung, 15. Aufl., § 69 Rz 32; ebenso Braun/Kind, Insolvenzordnung, 4. Aufl., § 69 Rz 11; Pape, Wertpapier-Mitteilungen/Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht 2003, 361, 367; ebenso Kahlert, DStR 2011, 2439, 2440; Andres in Andres/Leithaus, Insolvenzordnung, 4. Aufl., § 69 Rz 7; Braun/Hirte, Insolvenzordnung, 6. Aufl., § 69 Rz 11; Riedel in Kayser/Thole, Insolvenzordnung, 8. Aufl., § 69 Rz 5; Schmitt in Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung, 8. Aufl., § 69 Rz 10; Weiß in Nerlich/Römermann, InsO, § 69 Rz 23[]
  9. BT-Drs. 12/2443, S. 132[][]
  10. BGH, Urteil in BGHZ 202, 324, Rz 20[]
  11. BGH, Urteil vom 18.09.2019 – XI R 19/17, BFHE 267, 98, BStBl II 2020, 172, Rz 40[]
  12. BFH, Urteil in BFHE 267, 98, BStBl II 2020, 172, Rz 27 f.[]
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