Umsätze aus Leistungen einer Schwimmschule sind umsatzsteuerpflichtig1.

In dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall war streitig, die von der Schwimmschule durchgeführten Schwimmkurse für Säuglinge im Alter von 3 bis 12 Monaten und Kleinkinder im Alter von 12 bis 36 Monaten steuerfrei sind. Die Schwimmschule betreibt seit 2004 ls Einzelunternehmerin in angemieteten Schwimmhallen eine Schwimmschule für Kinder und Erwachsene. Sie bezeichnet ihren Schwimmunterricht als „Y“-Methode und hat sich diese Marke beim Deutschen Patent- und Markenamt eintragen lassen. Die Schwimmkurse für Kinder teilt die Schwimmschule nach dem Alter der Kinder ein. Dabei bildet sie Gruppen für Säuglinge im Alter von 3 bis 12 Monaten, für Kleinkinder im Alter von 12 bis 36 Monaten, für Kleinkinder im Alter vom 03. bis zum 6. Lebensjahr und für Kinder ab dem Alter von 5 1/2 Lebensjahren. Darüber hinaus bietet sie für Kinder, die das Schwimmen ohne Schwimmhilfen beherrschen, Kurse an. Die Schwimmschule behandelte sämtliche Schwimmkurse von Anfang an als nach § 4 Nr. 21 UStG steuerfreie Leistungen. Sie erteilte keine Rechnungen mit gesondertem Umsatzsteuerausweis. Die Schwimmschule beantragte erstmals im April 2010 beim Regierungspräsidium eine Bescheinigung nach § 4 Nr. 21 UStG. Das Regierungspräsidium lehnte den Antrag ab, weil eine solche Bescheinigung für private Schwimmschulen nicht erteilt werden könne.
Im Anschluss an eine Umsatzsteuersonderprüfung behandelte das Finanzamt die Leistungen in den (geänderten) Umsatzsteuerbescheiden 2006 bis 2012 als steuerpflichtig. Im Mai 2012 beantragte die Schwimmschule beim zuständigen Regierungspräsidium erneut eine Bescheinigung. Das Regierungspräsidium erteilte die Bescheinigung rückwirkend ab dem 30.04.2004 nur für das Kleinkinderschwimmen (ab 3 Jahren) und das Kinder- bzw. Schülerschwimmen (ab 6 Jahren), eine Bescheinigung für das Säuglingsschwimmen (3 bis 12 Monate) und das Kleinkinderschwimmen (12 bis 36 Monate) lehnte das Regierungspräsidium ab. Das Finanzamt gewährte daraufhin in geänderten Umsatzsteuerbescheiden die Steuerbefreiung für das Kleinkinderschwimmen (ab 3 Jahren), die Steuerbefreiung für das Säuglingsschwimmen (3 bis 12 Monate) und das Kleinkinderschwimmen (12 bis 36 Monate) lehnte es in der Einspruchsentscheidung ab.
Die hiergegen erhobene Klage hatte vor dem Finanzgericht Baden-Württemberg zum Teil Erfolg2. Das Finanzgericht behandelte die Schwimmkurse für Kleinkinder (12 bis 36 Monate) als steuerfrei, die Säuglingsschwimmkurse (3 bis 12 Monate) dagegen als steuerpflichtig. Nach nationalem Recht seien die Leistungen der Schwimmschule insgesamt steuerpflichtig. Die Schwimmschule könne sich hinsichtlich der Schwimmkurse für Kleinkinder (12 bis 36 Monate) aber auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) sowie (für das Streitjahr 2006) auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern berufen, weil sie insoweit Unterricht im Sinne dieser Bestimmungen erteile. Das Säuglingsschwimmen (3 bis 12 Monate) sei dagegen steuerpflichtig, weil es nicht über eine Freizeitgestaltung hinausgehe und nicht in einem strukturierten Prozess den Säuglingen Schwimmkenntnisse und Schwimmfähigkeiten vermittele.
Hiergegen wenden sich sowohl die Schwimmschule als auch das Finanzamt mit der Revision. Der Bundesfinanzhof hat zunächst das Ruhen des Verfahrens bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Rechtssache – C-373/19 angeordnet3. Der Unionsgerichtshof hat mit seinem Urteil „Dubrovin & Tröger – Aquatics“4 auf die ihm gestellten Fragen wie folgt geantwortet:
„Der Begriff ‚Schul- und Hochschulunterricht‘ im Sinne von Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass er nicht den von einer Schwimmschule erteilten Schwimmunterricht umfasst.“
In Umsetzung dieser Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union hob der Bundesfinanzhof nun das finanzgerichtliche insoweit auf, wie das Finanzgericht zugunsten der Schwimmschule geurteilt hat und wies die Klage der Schwimmschule insgesamt ab:
Die Revision des Finanzamtes ist begründet. Das Urteil des Finanzgerichts ist aufzuheben und die Klage auch insoweit abzuweisen als das Finanzgericht Schwimmkurse für Kleinkinder (12 bis 36 Monate) als steuerfrei behandelt hat. Die Revision der Schwimmschule ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen. Das Finanzgericht hat zu Recht entschieden, dass die Umsätze der Schwimmschule aus Säuglingsschwimmkursen (3 bis 12 Monate) steuerpflichtig sind.
Wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist, kommt eine Steuerfreiheit nach nationalem Recht (§ 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG) nicht in Betracht, weil für die streitigen Kurse nicht die danach erforderlichen Bescheinigungen zur Berufs- oder Prüfungsvorbereitung vorliegen.
Es kommt auch keine unionsrechtlich abgeleitete Steuerfreiheit in Betracht.
Nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL befreien die Mitgliedstaaten den von Privatlehrern erteilten Schul- und Hochschulunterricht.
Zwar hatte der Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom 05.06.20145 entschieden, dass Schwimmunterricht als von Privatlehrern erteilter Schulunterricht gemäß Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL steuerfrei sein kann. Auf Vorlage durch den Bundesfinanzhof6 hat der Gerichtshof der Europäischen Union demgegenüber im Urteil Dubrovin & Tröger – Aquatics7entschieden, dass der von dieser Bestimmung und von Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL vorausgesetzte Schul- und Hochschulunterricht nicht den von einer Schwimmschule erteilten Schwimmunterricht umfasst. Daher hat der Bundesfinanzhof seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben8. Damit steht für den Streitfall fest, dass Schwimmunterricht nicht unter die unionsrechtlich zu gewährende Steuerfreiheit für Unterricht fällt.
Eine Steuerfreiheit lässt sich auch nicht anderweitig begründen.
Zwar erfasst Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL neben dem Schul- und Hochschulunterricht auch die Aus- und Fortbildung sowie die berufliche Umschulung und damit eng verbundene Dienstleistungen. Nach Art. 44 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 des Rates vom 15.03.2011 zur Festlegung von Durchführungsvorschriften zur Richtlinie 2006/112/EG umfasst dies „Schulungsmaßnahmen mit direktem Bezug zu einem Gewerbe oder einem Beruf sowie jegliche Schulungsmaßnahme, die dem Erwerb oder der Erhaltung beruflicher Kenntnisse dient“, wobei die Dauer der Ausbildung, Fortbildung oder beruflichen Umschulung unerheblich ist.
Hierzu gehören nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs auch solche gemischten Kurse, die es einem Teilnehmer ermöglichen, die vermittelten Kenntnisse und Fähigkeiten zur Vertiefung und Fortentwicklung beruflich zu nutzen, selbst wenn von dieser Möglichkeit nur wenige Teilnehmer Gebrauch machen9. Dafür, dass Kursteilnehmer der von der Schwimmschule veranstalteten Schwimmkurse die Kursteilnahme für eine spätere Berufstätigkeit z.B. als Schwimmlehrer nutzten oder diese anstrebten, bieten die Feststellungen des Finanzgerichts keine Anhaltspunkte; auch hat die Schwimmschule hierzu nichts vorgetragen.
Eine Anwendung von § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 der Abgabenordnung kam für den Bundesfinanzhof vorliegend nicht in Betracht, weil das Finanzamt die jetzt aufgegebene BFH-Rechtsprechung der Steuerfestsetzung nicht zugrunde gelegt hat.
Im Übrigen war vom Bundesfinanzhof im Hinblick auf das im Revisionsverfahren geltende Verböserungsverbot (§ 121 Satz 1 i.V.m. § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO) nicht zu entscheiden, ob die Steuerfreiheit auch insoweit zu versagen ist, als das Finanzamt die Steuerfreiheit der Schwimmkurse für Kleinkinder im Alter vom 03. bis zum 6. Lebensjahr und für Kinder ab dem Alter von 5 1/2 Lebensjahren bejaht hat.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 15. März 2022 – V R 35/21
- Anschluss an EuGH, Urteil Dubrovin & Tröger – Aquatics vom 21.10.2021 – C-373/19, EU:C:2021:873[↩]
- FG Baden-Württemberg , 14.06.2018 – 1 K 3226/15[↩]
- BFH, Beschluss vom 10.06.2020 – V R 35/19[↩]
- EuGH, Urteil Dubrovin & Tröger – Aquatics vom 21.10.2021 – C-373/19, EU:C:2021:873[↩]
- BFH, Urteil vom 05.06.2014 – V R 19/13, BFHE 245, 433[↩]
- BFH, Beschluss vom 27.03.2019 – V R 32/18, BFHE 264, 95, BStBl II 2019, 457[↩]
- EU:C:2021:873[↩]
- BFH, Urteil vom 16.12.2021 – V R 31/21, DStR 2022, 491[↩]
- BFH, Urteil vom 24.01.2008 – V R 3/05, BFHE 221, 302, BStBl II 2012, 267, unter II. 2.c aa[↩]